„Was am Tisch gesagt wird, bleibt am Tisch!“

Erfahrungen von Landwirten mit ihren Auszubildenden

Das neue Ausbildungsjahr steht vor der Tür und Landwirte sowie Auszubildende stehen vor der Herausforderung: Passen wir zusammen? Das LW hat mit zwei Landwirten über ihre Erfahrungen mit ihren Auszubildenden gesprochen. Hier die Essenz mit Tipps für beide Seiten.

Landwirt Uwe Bißbort (rechts) aus Pirmasens-Windsberg mit seinem festangestellten Mitarbeiter Martin Latz, der zuvor bei ihm in der Ausbildung war.Foto: privat

Seit über 30 Jahren werden auf dem Schweinezuchtbetrieb von Uwe Bißbort aus Pirmasens-Windsberg Jugendliche zum Landwirt ausgebildet.

Unterstützung in der Familie

Für Familie Bißbort ist es wichtig, den 15- bis 17-Jährigen während ihrer Zeit auf dem Hof Unterstützung im privaten und beruflichen Bereich anzubieten. „Sie sind noch jung und brauchen Familienanschluss. Bei uns sind sie voll in die Familie integriert und haben immer einen Ansprechpartner.“ Gibt es Heimweh? „Ja, das kommt vor. Ich hatte sogar selbst in meiner Ausbildung anfangs Heimweh. Als ich besser integriert war, war das Problem allerdings vom Tisch“, erinnert sich Uwe Bißbort.

Um den Beruf des Landwirts zu erlernen, ist ein „befriedigender“ Schulabschluss für Bißbort nicht die erste Priorität. „Wir müssen erkennen, dass der Wille da ist, den Beruf zu erlernen. Denn Landwirt ist nicht nur ein Job. Es gehört auch Berufung dazu. Und es muss menschlich stimmen. Schließlich bin ich mit dem Azubi rund 200 Tage zusammen, meistens länger als mit meiner Frau“, schmunzelt er. Zum gegenseitigen Beschnuppern, müssen die Bewerber zunächst ein Praktikum auf dem Hof absolvieren.

Die Erfahrung habe gezeigt, dass Auszubildende, die nicht aus der Landwirtschaft kommen, sich anfangs etwas schwerer täten. „Grundsätzlich haben wir aber gute Erfahrungen mit ihnen gemacht. Sie haben sich vorher intensiv überlegt, den Beruf zu machen. Das passt.“ Bestes Beispiel: Sein letzter Azubi kam als Quereinsteiger auf den Hof. Die Chemie stimmte so gut, dass er nach der Ausbildung eine Festanstellung erhielt.

Schweine-Zuchtbetrieb

Uwe Bißbort, Pirmasens-Windsberg

  • Nutzfläche: 200 ha, davon 160 ha Ackerbau, 40 ha Grünland
  • Viehbesatz: 150 Zucht­sauen, 160 Mastplätze
  • Mitarbeiter: 1 festangestellter Mitarbeiter (ehemaliger Auszubildender), 1 Auszubildende in der Hauswirtschaft, 1 Saisonarbeitskraft

„Aufgrund unserer Erfahrungen legen wir sehr viel Wert darauf, dass unsere Azubis aus geordneten Familienverhältnissen kommen“, sagt Uwe Bißbort. Der Vorsitzende des Kreisverbandes Südwestpfalz des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd erklärt: „Es hat uns schon viel Kraft und soziale Kompetenz gekostet, wenn ein junger Mensch den Beruf erlernen will, aber im Hintergrund mit katastrophalen Familiensorgen konfrontiert ist. Das ist schon mal gut gegangen. Wir mussten uns aber deshalb auch schon von Azubis trennen.“

Absolut erforderlich ist für den Ausbilder, dass die Jugendlichen mit 16 Jahren den Klasse-T-Führerschein haben. „ Ohne den funktioniert die Arbeit nicht.“

Spektrum der Landwirtschaft kennenlernen

In der Regel stehen den Azubis drei Betriebe während ihrer Ausbildung zur Wahl, damit sie verschiedene Betriebszweige kennenlernen. „Ich mache zunächst einen Ausbildungsvertrag für ein Jahr. Der Azubi kann dann selbst entscheiden, ob er danach woanders weiterlernt oder bleiben möchte“, erklärt Bißbort. Dass jemand drei Jahre bleibt, sei eine Ausnahme. „Unsere Betriebe sind stark spezialisiert. Wer nur einen Betrieb gesehen hat, der hat keine Vorstellung von dem Spektrum der Landwirtschaft. Außerdem ist es für die spätere Jobsuche wichtig, Arbeit auf mehreren Betrieben vorweisen zu können.“

Vertrauensbasis von Anfang an

Für die Auszubildenden gibt es ein eigenes Zimmer, ein Bad und einen Aufenthaltsraum auf dem Hof. Eine Grundregel für das Miteinander, die gleich am Anfang kommuniziert wird, lautet: „Alles, was am Tisch gesagt wird, bleibt am Tisch!“ Schließlich werden hier sowohl familiäre als auch betriebliche Dinge besprochen, die vertraulich behandelt werden müssen, erklärt Bißbort. Für das Thema Handynutzung hat er auch eine deutliche Abmachung: „Während der Arbeit darf damit nur mit dem Chef telefoniert werden!“

„Lieber einmal zu viel fragen als zu wenig!“

„Wir wissen als Ausbilder nicht, was der Jugendliche schon weiß und kann. Daher ist es wichtig, dass die Azubis immer Fragen stellen. Es gibt bei mir keine dummen Fragen, nur dumme Antworten!“, betont Bißbort. Motivation würden die Jugendlichen erhalten, wenn ihr Chef sie relativ schnell eigenständig arbeiten lassen würde. „Und Loben ist mir wichtig!“, so der Landwirt. Sein Motto dazu: „Unsere Azubis sollen neben allem Fachlichen und Praktischen auf dem Betrieb und in der Schule auch soziale Kompetenz erleben und erlernen! Wer gute Arbeit macht, wird dafür gelobt. Das motiviert beide Seiten.“

Michael Dörr mit seinen beiden Auszubildenden Lennart Reimann und André Eichler.Foto: privat

Azubis auf dem Karlshof von Michael Dörr

Auf dem Karlshof von Michael Dörr aus Roßdorf (Landkreis Darmstadt-Dieburg in Hessen) werden seit 1980 Jugendliche zum Landwirt ausgebildet. Rund 50 Auszubildende haben seitdem auf dem Milchviehbetrieb mitgearbeitet. „Wir haben in der Regel ein bis drei Azubis bei uns auf dem Hof“, informiert Dörr.

„Landwirt sein, ist nicht nur Traktor fahren!“

Nur mit Spaß und Interesse an der Landwirtschaft mache die Ausbildung Sinn, ist er überzeugt. „Wer vom Arbeitsamt geschickt wird, nur weil er woanders keinen Ausbildungsplatz bekommen hat und denkt, hier kann man mal ein bisschen Traktor fahren, die Mistgabel schwingen oder die Zeit absitzen, der ist in unserem Beruf falsch.“ Der Beruf sei so technisiert, dass die Jugendlichen neben körperlicher und geistiger Fitness auch ein Verständnis für Technik mitbringen sollten. „Und sie müssen rechnen können, was eine gewisse Schulbildung in Mathematik voraussetzt.“

Komme ein Jugendlicher alleine zum Vorstellungsgespräch, sei das häufig ein Zeichen von „der ist schon recht selbstständig“. Würden die Eltern mitkommen, sei dies auch gut. „Das zeigt, dass die Eltern den Kindern Rückhalt geben, was uns auch wichtig ist.“ Positiv wirke, wenn der Bewerber Ziele formulieren könne, warum er Landwirt werden möchte. „Quereinsteiger zeigen häufig ein größeres Interesse an der Ausbildung als andere. Sie wollen den Beruf Landwirt erlernen und haben sich im Vorfeld damit auseinandergesetzt, was auf sie zukommt. Manch anderer soll den Beruf ausüben, um später den elterlichen Betrieb zu übernehmen, will dies aber unter Umständen gar nicht. Das macht sich schnell bemerkbar.“

Stimmt der erste Eindruck beim Vorstellen, dann wird auf dem Karlshof ein drei- bis fünftägiges Praktikum vereinbart. „In dieser Zeit kriegen wir schon ein recht gutes Bild davon, ob die Zusammenarbeit klappen wird. Es muss menschlich stimmen“, nennt Dörr eine wichtige Voraussetzung, um einen Ausbildungsvertrag zu unterschreiben.

Karlshof

Michael Dörr, Roßdorf

  • Nutzfläche: 200 ha, davon 50 ha Winterweizen, 50 ha Silomais, 17 ha Zuckerrüben, 45 ha Dauergrünland, Rest Kleegras
  • Viehbesatz: 300 Milchkühe, 250 weibliche Nachzucht
  • Biogasanlage mit 250 KW
  • Milchautomat
  • Milchshakeautomat
  • Hofladen mit Produkten aus der Region
  • Öffentlichkeitsarbeit – Schulbauernhof: im Jahr rund 1 500 Schulkinder
  • Mitarbeiter: 6 festangestellte, 2 Auszubildende
  • Website (wird gerade über­arbeitet): www.q-land.de

Teamwork und Ehrlichkeit

Dem Betriebsleiter sind Teamwork und Ehrlichkeit wichtig. „Wer einen Schaden verursacht hat, soll auch zu seinem Schaden stehen und nicht andere dafür verantwortlich machen.“

Eine Regel, die Michael Dörr aus seiner eigenen Ausbildung gerne immer wieder anbringt, besteht aus den drei Buchstaben: S E H – Sehen, Erkennen und Handeln! Es seien oft viele Kleinigkeiten, die das Miteinander vereinfachen würden. „Liegt beispielsweise etwas herum, kann man es aufheben und an Ort und Stelle bringen. Warum immer dazu auffordern?“, so Dörr.

Häufige Handynutzung stört bei der Arbeit. „Mancher Mitarbeiter und Azubi ist im 10-Minutentakt mit einem Handycheck beschäftigt und vergisst oder vertauscht dadurch oft Abläufe bei der Arbeit. Das geht natürlich nicht, ist aber heute den Mitarbeitern schwer mitzuteilen. Es muss ein Mittelweg gefunden werden“, betont der Landwirt.

Ausflug zum Volksfest

Michael Dörr ist sich sicher, dass Motivation bei der Arbeit über neue Technik funktioniert. Ebenso wichtig für die Motivation seien ein gutes Team, ein ordentlicher Betrieb und geregelte Arbeitszeiten.

Dass er sich in puncto Mitarbeitermotivation einiges einfallen lässt, zeigen folgende Beispiele: Ein Firmenausflug ging gemeinsam in einer Stretchlimousine zum Heinerfest, einem großen Volksfest in Darmstadt. „Dort durften dann alle auf meine Kosten Achterbahn fahren, essen und trinken“, so Dörr. Segway- oder Kartfahren standen ebenso schon auf dem Programm wie Sackhüpfen oder Ostereiersuchen im Wald. „Hierarchien im Betrieb werden dabei völlig ausgeblendet“, ist Dörr wichtig. Gemeinsames Erleben und Spaß stehen im Vordergrund, „denn das verbindet“, ist seine Erfahrung.

Unterkunft, Wäsche und Verpflegung

Jeder Auszubildende hat auf dem Hof ein eigenes Zimmer, es sei denn, jemand kommt aus der Nähe und möchte zu Hause wohnen. Waschmaschine und Trockner stehen kostenlos zur Verfügung. Dazu Dörr: „Die Azubis kriegen gleich zu Beginn eine Einführung, wie sie ihre Wäsche waschen und trocknen können. Das hat den Vorteil, dass sie immer ordentlich herumlaufen und nicht warten müssen, bis sie irgendwann nach Hause fahren, um dort von der Mutter die Wäsche gewaschen zu bekommen. Wieder ein Punkt zur Selbstständigkeit, den wir ihnen mitgeben können.“

Der Karlshof hat eine Betriebsküche mit Köchin. Hier nehmen Mitarbeiter und Familienmitglieder gemeinsam Frühstück und Mittagessen ein. „Das Abendessen macht sich jeder selbst. Die Küche steht auch dafür allen zur Verfügung“, erklärt Dörr den Ablauf.

„Die Ausbildung zum Landwirt bietet den Jugendlichen die Chance, in verschiedenen Betrieben zu arbeiten. Wer gut mitmacht, merkt schnell, was ihm liegt, wo seine Leistungsgrenzen sind, und wie es nach der Ausbildung weitergehen soll: ob Büroarbeit, Praktiker oder eine Mischung aus beidem, ob Weiterbildung zum Techniker oder Meister bis hin zum Studium. Alles ist drin, wenn der Azubi das möchte“, so Michael Dörr zu den Berufsaussichten.

SL – LW 31/2015