Was tun, wenn der Wolf kommt?
Fragen an das hessische Landwirtschaftsministerium
Große Beutegreifer wie Wolf und Luchs siedeln sich in immer mehr Bundesländern an. Zum Stand in Hessen hat das LW Klaus-Ulrich Battefeld, Artenschutzreferent im Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV), Wiesbaden, befragt.
LW: Auch in Hessen wurden bereits Wölfe gesichtet. Es könnte der Fall eintreten, dass der Wolf sich dauerhaft ansiedelt und es werden Fragen nach Entschädigungsregelungen für Tierhalter aufkommen. Welche Vorbereitungen gibt es von Seiten der Landesregierung? Wird es in Hessen – wie in anderen Bundesländern auch – einen Wolfsmanagementplan geben?
Klaus-Ulrich Battefeld: Das Ministerium führt bereits seit vergangenem Dezember mit allen wichtigen Akteuren in der Debatte um den Wolf Gespräche, um sich auf die Kriterien des künftigen Wolfsmanagements für Hessen zu verständigen. Die Ergebnisse dieser Gespräche sind die Grundlage für das Wolfsmanagement, wie wir es in Hessen entwickeln wollen. Einzelheiten werden wohl noch vor der Sommerpause der breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Wir sind uns übrigens in einem Punkt ziemlich einig: Mit Wölfen muss man wie mit großen Hunden respektvoll umgehen, aber Angst muss man nicht haben.
LW: In Gebieten mit Wolfsrudeln sind Risse von Weidetieren keine Seltenheit. Die Errichtung von Schutzzäunen ist jedoch kostspielig. Ist geplant, dass das Land Hessen die Weidetierhalter bei Investitionen in Schutzzäune finanziell unterstützt? Wie hoch wird die Unterstützung sein?
Foto: hmuklv
LW: Herdenschutzhunde werden in Sachsen zum Schutz der Schafherden genutzt. Sie bleiben Tag und Nacht bei ihrer Schafherde, verteidigen diese jedoch nicht nur gegen Wölfe, sondern auch Menschen. Sind diese bei der hohen Anzahl an Spaziergängern und kleinteiligen Weidestrukturen in Hessen eine Option? Wird es einen Zuschuss für die Anschaffung und Haltung geben? Wie hoch wird dieser sein?
Battefeld: Die Situation in Nordostdeutschland mit aktuell ortsfesten Wolfsrudeln kann man mit Hessen noch nicht vergleichen. Insofern müssen wir zunächst die fachliche Frage klären, ob Herdenschutzhunde oder Zäune unter hessischen Bedingungen sinnvoller sind. Danach sind Möglichkeiten einer eventuellen finanziellen Unterstützung zu prüfen. Ob es in Hessen eine ausgeprägte Haltung von Herdenschutzhunden geben wird, liegt letztendlich auch an der Entscheidung des einzelnen Schafhalters.
LW: Welche Überlegungen gibt es zu einer Entschädigung gerissener Schafe und Ziegen? Wie sieht es aus, wenn Rinder und Pferde auf der Weide angegriffen werden?
Battefeld: Vor einer Diskussion über Entschädigungen muss verhindert werden, dass sich Wölfe an Schafen oder Ziegen vergreifen. Dann entstehen erst gar keine Entschädigungsfälle. Nach allen bisherigen Untersuchungen sind Pferde und Rinder nicht ernsthaft gefährdet. Ein Hufschlag von Pferd oder Rind ist auch für einen Wolf unangenehm.
LW: Wie soll der Nachweis erbracht werden, dass es sich um einen Wolfs- beziehungsweise Luchsriss handelt?
Battefeld: Es gibt etablierte Verfahren, um den Riss durch große Beutegreifer festzustellen. Diese praktizieren wir schon jetzt. Entscheidend ist eine kurze und schnelle Meldekette, dann können wir auch schnell reagieren. Noch wichtiger ist, dass spätestens unmittelbar nach einem Riss die Herde wirksam geschützt wird, damit es keine Wiederholungen gibt. Wir beschaffen hierzu Notfallausrüstungen, die künftig auch kurzfristig ausgeliehen werden können. Verdichten sich in einem Gebiet Hinweise auf wolfsähnliche Tiere, können wir warnen.
LW: Wie soll die Haftung geregelt werden, wenn eine Schafherde durch große Beutegreifer wie den Wolf von der Weide ausbricht und einen Verkehrsunfall verursacht?
Battefeld: Die Haftung ist bereits jetzt im Paragraphen 833 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geregelt: „Eine Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde“. Das heißt: Wer im Streifgebiet von Wölfen wolfssichere Zäune verwendet, hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet. Wolfssicher sind zum Beispiel Elektrozäune, die mit einer erhöhten Stromstärke arbeiten und mindestens 90 cm hoch sind und eine bodennahe Litze haben. In Gebieten, wo Wölfe dauerhaft leben, kann ein Flatterband erforderlich werden. Wir werden dazu konkrete Hinweise geben.
LW: Wie soll mit sogenannten „Problemwölfen“ verfahren werden? Ist vorgesehen, dass diese abgeschossen werden, wenn eine Gefahr für den Menschen vorliegt?
Battefeld: Der Wolf steht grundsätzlich und fest verankert unter Naturschutz und ist kein jagdbares Tier. An diesem Prinzip wollen wir in Hessen auch nicht rütteln. Hierzu besteht wohl auch Konsens mit der hessischen Jägerschaft. Für die sehr seltenen Fälle, in denen tatsächlich von „Problemwölfen“ gesprochen werden kann, sieht das Artenschutzrecht adäquate Handlungsmöglichkeiten vor.
Die Fragen stellte Marion Adams – LW 26/2015