Wie viel raus ist raus?
Für die EU hat der freie Handel Wohlstand gebracht. Sie würde sich ins eigene Fleisch schneiden, wenn sie von sich aus den Handel mit Großbritannien erschweren würde. Dem stehen allerdings Äußerungen europäischer Politiker entgegen, die deutliche Konsequenzen für die Briten fordern, nach dem Motto „nur wer die ganze EU mitträgt, soll auch von den Vorteilen des gemeinsamen Marktes profitieren.“ Das ist wohl richtig. Es wäre aber auch unsinnig, Handelsschranken als „Strafmaßnahme“ gegen das Vereinigte Königreich aufzubauen, wenn man im gleichen Moment weltweit Abkommen anstrebt, um den Marktzugang in die betreffenden Länder zu vereinfachen.
Die beiden Bestrebungen unter einen Hut zu bringen, die Briten erstens also den Ausstieg spüren zu lassen, auch um Nachahmer abzuschrecken, und zweitens Nachteile für die EU zu vermeiden, ist eine große Herausforderung für die Politiker bei den anstehenden Verhandlungen. Die Politik sollte zudem den Brexit nicht als Zurückweisung begreifen, der man mit Trotz begegnet, sondern als Aufforderung, darüber nachzudenken, wo die EU mit ihrem Regelungsdrang überzieht.
Mit dem Brexit geht den Deutschen aber auch ein Partner in der EU verloren, der ihnen in vielen Politikfeldern, besonders in der Wirtschafts- und Agrarpolitik näher steht als die meisten südeuropäischen Staaten. Die EU wird darüber hinaus finanzschwächer, weil sie mit dem Vereinigten Königreich einen großen Nettobeitragszahler verliert. Das wird die Landwirtschaft auch in der Gemeinsamen Agrarpolitik spüren.
Cornelius Mohr – LW 26/2016