2010er – ein knappes Gut

Über den diesjährigen Weinjahrgang wurde bereits viel spekuliert und diskutiert. Durch das kalte Frühjahr und die bundesweit nicht optimale Blüte, war bereits früh mit geringeren Erträgen zu rechnen. Partieller Hagelschlag und ein sehr feuchter Spätsommer sorgten insbesondere bei den frühen Sorten für noch weitere Mengeneinbußen. Zwar ist die Lese der späten Sorten noch nicht abgeschlossen, doch die Ertragseinbußen liegen zwischen 30 und 50 Prozent je nach Region und Sorte. Über den Verkaufspreis allein, egal ob Flaschenwein, Fassware oder Trauben, lässt sich dieser Minderertrag nicht kompensieren. Die Abgabebereitschaft der Winzer ist gering, denn viele setzen auf steigende Preise. Andererseits müssen viele Kellereien ihre Lieferverpflichtungen gegen­über dem Handel einhalten.

Angesichts der knappen Ernte 2010 ist deshalb auch alterntige Ware gefragt. Wie viel davon aber in den Kellern noch lagert, ist eine spannende Frage, die niemand so richtig beantworten kann. Zwar ist bekannt, welche Mengen an Qualitätswein geerntet wurden und über die A. P.-Nummer ist auch die Menge der vermarktbaren Qualitätsweine bekannt. Aber ob diese Mengen inzwischen beispielsweise als Landwein vermarktet wurden, ist nur schwer bewertbar. Jeder, der seinem Aufkäufer, sei es Winzerkollege, Genossenschaft, Kommissionär oder Kellerei, derzeit nichts verkaufen will und auf höhere Preise spekuliert, sollte nicht außer Acht lassen, dass auch wieder andere Zeiten kommen. Schon im nächsten Jahr kann die Welt wieder ganz anders aussehen. Viele Winzer werden sicherlich sehr reichlich anschneiden, was in einem normalen oder gar wüchsigen Jahr zu deutlich ansteigenden Mengen führen kann. Diese dann loszuschlagen, wird insbesondere dann schwierig, wenn man im Vorjahr seinen Geschäftspartner hat hängenlassen.

Henning Seibert