2017 im Gemüse-Hamsterrad

Der Alltag der Familie Zehfuß im Jahr 2017

Die fehlende Anerkennung des Berufsstandes durch die Gesellschaft, die stets steigenden Anforderungen des Lebensmitteleinzelhandels, der seit 1. November 2017 auf 9,10 Euro steigende Mindestlohn, eine schwierige Marktsituation und dazu die seit 2. Juni geltende Düngeverordnung – ein bürokratisches Ungetüm. Dies erfordert besonders von den klassischen Familienbetrieben neben dem eh schon turbulenten Alltag im Marktgeschehen Höchstleistungen und Gelassenheit, die manch einer nicht mehr aufbringen kann.

350 Tage im Jahr für den Betrieb im Einsatz sind Katja und Christoph Zehfuß. Ständig klingeln die Handys, werden Anweisungen gegeben, müssen Pläne aufgrund von Unwegbarkeiten geändert werden. Unwegbarkeiten gibt es viele auf einem Gemüsebaubetrieb: Neben schlechtem Wetter gehören Krankheiten beim Personal, Bestellungsänderungen, unendlich viele Zulassungsänderungen und neue Anforderungen des Lebensmitteleinzelhandels zu den häufigsten.

Foto: Setzepfand

Christoph Zehfuß, 31 Jahre, Gärtnermeister in Böhl-Iggelheim, arbeitet seit 2008 im elterlichen Betrieb und stellte gleich einen Teil der Produktion auf ökologische Wirtschaftsweise nach den Naturland-Richtlinien um. Als klar war, dass Christoph und Schwester Katja auf dem Betrieb bleiben werden, entschied der Vater 2011, vollständig in die Politik zu gehen. Heute gibt es nun den 50 ha umfassenden Biobetrieb Christoph Zehfuß mit den Kulturen Zucchini, Romanaherzen, Kürbisse und Pastinaken sowie den rund 100 ha umfassenden konventionellen Betrieb, die Katja und Johannes Zehfuß GbR, mit Frühkartoffeln, Sellerie und seit neuestem Wirsing. Katja Zehfuß studierte nach ihrem Abitur Gartenbau in Geisenheim und ist nun vor allem für Buchhaltung, Vertrieb und Marketing zuständig – zu 90 Prozent im Büro, während Bruder Christoph die Außenwirtschaft verantwortet und dennoch zu 80 Prozent im Büro tätig ist. Mutter Regina Zehfuß ist für das Personal zuständig und Vater Johannes Zehfuß hilft gerne, wo immer es brennt. Damit ist Familie Zehfuß ein mittelständischer Betrieb in Böhl-Iggelheim, der stetig wächst. Die Vermarktung erfolgt ausschließlich über Pfalzmarkt. „Bei unserer Betriebsstruktur sind wir froh um Pfalzmarkt. Wir könnten die termingerechte Anlieferung bei den jeweiligen Märkten, die ganze Logistik und vor allem auch die Menge, um einen LKW ganz zu füllen, nicht leisten“, sagt Katja Zehfuß. Ein Mitarbeiter fahre stets zwischen Pfalzmarkt und Betrieb hin und her. Er bringe Leergut und Verpackungsmaterial für circa eineinhalb Tage mit, das werde in der Halle gelagert. Dieser Pfalzmarkt-Service werde mit der Marktgebühr abgegolten.

Arbeitszeitgesetz sollte für die Betriebe flexibler sein

„Ein Sommertag zur Rodezeit der Frühkartoffeln beginnt bei uns um 4 Uhr, damit sich die Kartoffeln nicht zu sehr erhitzen, bevor sie gepackt werden oder ins Lager kommen“, erklärt Katja Zehfuß. Natürlich müssen die sonstigen Arbeiten, wie das Ernten für den Pfalzmarkt auch erledigt werden. Das sind Spitzenzeiten, die wir nur sehr schwer mit dem Personal von fünf Festangestellten und 60 Saisonarbeitskräften bewerkstelligen können. Hier wünscht sich Familie Zehfuß mehr Flexibilität, um Spitzen abzufangen. Man habe bereits Personal aufgestockt. Im Betrieb Zehfuß findet sich viel Stammpersonal. „Die wissen, was zu tun ist, und wir schulen die Leute ständig.“ Dennoch sucht der Betrieb einen Betriebsleiter, Leute für die Verpackung und den Anbau.

Katja Zehfuß beim Verpacken der Mini-Romanaherzen. Wenn die Zeit drängt, packt sie selbst mit an und ist dabei rund um die Uhr erreichbar.

Foto: Setzepfand

Zwei Werkstattmitarbeiter sind gerade damit beschäftigt, den Sellerievollernter für die baldige Ernte startklar zu machen. Es wird geschweißt und geölt. Im Betrieb ist RTK Standard, Kameras noch eine Besonderheit und ein Scanner die absolute Hightech-Maschine. Dabei werden ausgesprochene Experten für die Reparatur der hochkomplexen Maschinen benötigt, was wiederum hohe Kosten verursacht.

Ab 8 Uhr wird in der Halle, in der eine große Waschmaschine für Pastinaken und anderes Wurzelgemüse steht sowie eine moderne Packstation für Mini-Romanaherzen, verpackt, etikettiert, kommissioniert. Ab 8.05 Uhr kommen die Änderungen der Bestellungen. Bis 12 Uhr trudeln weitere Bestellungen ein und es werden die am Morgen eingegangenen Bestellungen erledigt. Dann stelle sich die Frage: „Haben wir genügend Ware da für den heutigen Tag, muss nochmals aufs Feld gefahren werden?“, erklärt Christoph Zehfuß. Von 12 bis 13 Uhr wird die Mittagspause eingehalten. Anschließend werden Feldarbeiten erledigt: Unkraut regulieren, Pflanzenschutz, weiteres Verpacken. „Damit wir mit unseren Mitarbeitern die Arbeit zuverlässig erledigen können, wird Freizeit im rotierenden System gewährt“, erklärt Katja Zehfuß. Auch sind die Mitarbeiter in Trupps eingeteilt, die bestimmte Aufgaben erledigen.

Täglich hängt Regina Zehfuß die Auswertung der Mitarbeiteranalysen in den Schaukasten am Hallentor. So werden die geleisteten Arbeitsstunden aller Mitarbeiter transparent dargestellt und Konflikte vermieden. „Mit dem steigenden Mindestlohn haben wir viel Zeit investiert in effizientere Prozesse, haben manches geändert, anderes beibehalten“, erklärt Christoph Zehfuß. Nun stehe der Betrieb vor der Entscheidung, eine neue Halle zu bauen, da der konventionelle Betrieb vom Biobetrieb getrennt werden müsse.

Doch zu planen sei schwierig geworden. „Wir haben elf Monate Arbeit mit dem Sellerie und hatten schon Jahre, da erhielten wir 20 Cent/kg. Im Supermarkt wird dieser meist für 1,49 Euro/kg verkauft. Dafür, dass er ins Regal gelegt wird“, schimpft Christoph Zehfuß. Und Katja Zehfuß ergänzt: „Insgesamt fehlen die Spitzenpreise. Selbst wenn Ware knapp ist, bedeutet dies nicht mehr höhere Erzeugerpreise.“

Nach dem warmen März 2017 konnten die Pfälzer Erzeuger bereits in der 12. Kalenderwoche Ware, wie Radies und Kopfsalat liefern. Doch die Ware wurde vom LEH nicht angenommen. Denn dieser hatte sich vertraglich an die Abnahme ausländischer Ware gebunden. Es dauerte bis deutsche Ware in die Supermärkte gelangte.

Düngeverordnung verursacht Kosten und noch mehr Bürokratie

Auf dem Betrieb Zehfuß werden seit 50 Jahren Kartoffeln angebaut. Der Betrieb ist Mitglied bei der Erzeugergemeinschaft Pfälzer Grumbeere. Daher werden dort schon seit 30 Jahren Nmin-Untersuchungen durchgeführt. „Doch die äußerst umfangreiche und komplizierte Herleitung des Düngebedarfs nach der Düngeverordnung (DüV) erfordert einen deutlich höheren Arbeitsaufwand pro Düngung“, sagt Katja Zehfuß.

Auch haben sich die Kosten für die Düngeuntersuchungen damit um sieben Euro pro Probe erhöht. Seit Einführung der DüV registriert die BOLAP eine Steigerung der Düngeproben um 40 Prozent, alleine durch die Gemüsebaubetriebe, bemerkt Klaus Strohmeyer, der Geschäftsführer der BOLAP. Schon vor einigen Jahren habe man an der Reduzierung des N-Einsatzes im Betrieb Zehfuß gearbeitet – zuerst in Versuchen, dann wurden die Ergebnisse in den Alltag des Betriebes übernommen, eine weitere Verminderung führe jedoch zu Mindererträgen, ist Familie Zehfuß überzeugt.

„Mit der komplexen Düngeverordnung, dem Arbeitszeitgesetz, dem Mindestlohn, den hohen LEH-Anforderungen und den im europäischen Vergleich niedrigen Erzeugerpreisen haben wir langfristig keine Chance“, sagt Christoph Zehfuß.

Machtlos im Kampf gegen den LEH

Christoph Zehfuß schaut sich die Mini-Romanaherzen auf dem Feld ganz genau an. Sind Blattläuse dran? Muss beregnet werden?

Foto: Setzepfand

Er fühle sich manchmal wie ein Laie im Boxkampf gegen Vitali Klitschko, machtlos und ausgeliefert. Besonders dann, wenn die Preise vom LEH gesenkt werden. „Dann kannst du überlegen, ob du dennoch verkaufst oder ob du dir treu bleibst und nicht unter deine Produktionskosten gehst. Manchmal kannst du die ersten zwei Tage noch stolz bleiben, spätestens am vierten Tag, wenn die Ware auf dem Feld geerntet werden muss, dann lieferst du.“

Immer häufiger müssen Reklamationen bearbeitet werden, zum Beispiel wenn Sand im Salat sei nach einem Gewitterregen. „Da sind wir damit beschäftigt, Widerspruch einzulegen“, so Zehfuß. Und dann müsse man Tage überstehen mit 200 Anrufen in der Hochsaison, schlaflose Nächte inbegriffen. Urlaub sei für ihn daher, das Smartphone zu Hause zu lassen.

Christoph Zehfuß versuche, alle zwei Tage die Flächen draußen zu sehen, um besten Pflanzenschutz und eine optimale Ernte zu gewährleisten. Unterstützt werde er beim Thema Pflanzenschutz von einer Beraterin der BOLAP.

Es ist 15 Uhr. Christoph Zehfuß hat einige Flächen abgefahren und gibt seiner Schwester die in Kürze zu erntenden Tonnagen durch. Diese schickt sie weiter an Pfalzmarkt, damit dieser die neue Ware am Markt anbieten kann. In Zukunft sieht Zehfuß eine Entwicklung wie in Frankreich: „Arbeitsintensive Kulturen werden ins Ausland weichen. Eine stärkere Mechanisierung wird folgen.“

„Die einzigen Stellschrauben, die ein Betrieb noch hat, sind die Aberntequote und die Prozessoptimierung“, sagt Katja Zehfuß, die auch im Aufsichtsrat von Pfalzmarkt ist. Für Pfalzmarkt wünsche sie sich eine bessere Marktposition gegenüber dem deutschen LEH. Die Erzeuger seien jederzeit quantitativ und qualitativ in der Lage den LEH zeitgerecht zu bedienen und liefern die Grundlage für eine starke Marktposition. Die Koordination des Anbaus sei dabei eine wichtige Stellschraube des Pfalzmarktes.

zep – LW 45/2017