Abgeordnete informieren sich über Landwirtschaft

Sauenhalter Sven Schäfer erläutert Zusammenhänge

Der Flächenfraß durch immer mehr Baugebiete und den Ausbau der A44, der Wolf mit Angriffen auf Weidetiere oder der Bau der Stromtrasse SuedLink bewegen die Landwirte im Werra-Meißner Kreis. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe sinkt stetig – die verabschiedete Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung wird diese Entwicklung noch beschleunigen. Grund genug für Karina Fissmann und Knut John, beide Landtagsabgeordnete der SPD, sich selbst ein Bild über die Lage der Landwirtschaft im Werra-Meißner-Kreis zu machen.

Von links: Uwe Roth, Dieter und Lena Schäfer, Ida und Lotte Schäfer, Karina Fissmann, Knut John, Torsten Möller und Sven Schäfer unterhalten sich über die Landwirtschaft im Werra-Meißner-Kreis.

Foto: Wittich

Landwirt Sven Schäfer aus Wehretal öffnete bereitwillig die Hoftore, um gemeinsam mit KBV-Vorsitzendem Torsten Möller und Geschäftsführer Uwe Roth wichtige Themen anschaulich zu erklären. Familie Schäfer hält dreihundert Sauen, die mit betriebseigenem Futter versorgt werden. Die Jungsauen stammen aus der Eigenremontierung. Die Mutterkuhherde sorgt für die Pflege des Grünlandes. Der Betrieb ist regional stark verwurzelt. Alle Ferkel werden ausschließlich im Werra-Meißner-Kreis gemästet, sämtliche Zukäufe von Saatgut bis hin zu Maschinen werden im Kreis getätigt.

„Warum ist der Absatz regionaler Produkte so schwierig?“, wollte Karina Fissmann zu Beginn wissen. Zum einen gebe es im Kreis immer weniger Schlachtbetriebe. Strenge Auflagen machten es schwer, konkurrenzfähig zu bleiben, denn kleinere Schlachthöfe könnten kein Billigfleisch erzeugen, erklärte Roth. Es müsse ein Umdenken in der Gesellschaft zu mehr Wertschätzung hochwertiger Lebensmittel hin geben, waren sich Fissmann und Roth einig. Roth erzählte auch, dass es mit Beteiligung des Landkreises, der Ökomodellregion Nordhessen, der Landfrauen und des Kreisbauernverbands bereits eine Initiative gebe, um regionale Produkte in Schulkantinen anbieten zu können, eine Schule beziehe die Lebensmittel bereits regional. Eine Ausweitung wäre wünschenswert.

Beim Rundgang über den Hof konnten Fissmann und John einen Blick ins Deckzentrum werfen. Aufgrund der Verletzungsgefahr durch gegenseitiges Aufspringen oder Meidbewegungen werden Sauen während der Rausche und Besamung in Kastenständen gehalten, so Schäfer. Zudem werde bei jeder Gruppenneubildung die Rangordnung neu festgelegt, das erhöhe das Verletzungsrisiko.

Der luftige Wartestall bietet den Sauen genügend Platz, die Stroheinstreu sorgt für Beschäftigung. Im Abferkelbereich erklärte Lena Schäfer, Ehefrau des Betriebsleiters: „Auch Schutz der Ferkel ist Tierschutz. Die Ferkelschutzkörbe schützen aber nicht nur die Ferkel vor dem Erdrücken durch die Sau, sie gewährleisten auch für uns Arbeitssicherheit.“ Torsten Möller begrüßte, dass die lange Hängepartie für die Schweine haltenden Betriebe nun ein Ende habe. Auch Familie Schäfer hatte einen geplanten Neubau wegen der Planungsunsicherheit verschoben.

Allerdings befürchtet Schäfer durch die sehr strengen Auflagen einen weiteren Rückgang landwirtschaftliche Betriebe. Vor allem kleinere Betriebe könnten die Umbaumaßnahmen kaum stemmen. Auch das Bau- und Emmissionsrecht bereite ihm bei der nun anstehenden Umsetzung der Verordnung Sorgen.

Sorgen machten allen Beteiligten auch die geplante Stromtrasse SuedLink: Sie könnte direkt am Hof entlang Richtung Ringgau verlaufen. Eine bauliche Erweiterung des Betriebes wäre dann nicht mehr möglich, erklärte Schäfer. Mehr als hundert Flurstücke des Betriebs seien von der Trasse betroffen. Roth ergänzte, dass die Stromkabel bei einer 60 prozentigen Nutzung rund 25 bis 30 Grad Abwärme an die Umgebung abgäben. Die Folgen für den Ackerbau auf der mehr als 30 Meter breiten Trassen könne sich jeder ausmalen. „Durch das Netzausbaubeschleunigungsgesetz kann man den Glauben an die Demokratie verlieren. Eine vernünftige Erörterung ist im Planfeststellungsverfahren nicht mehr möglich“, so Roth.

Im Landtag gebe es viele Initiativen, um SuedLink zu verhindern, erzählte Fissmann. Man werde sich weiter gegen die Trasse einsetzen. Knut John kritisierte, dass der ländliche Raum zwar die Ballungszentren mit Strom, Wasser und Lebensmitteln versorgen soll, aber beim Thema Digitalisierung doch schnell abgehängt werde. Breitband Nordhessen müsse eine hoheitliche Leistung bleiben, um zu gewährleisten, dass auch Einzelgehöfte angeschlossen werden.

Knut John zeigte sich auch besorgt über die Entwicklung der Kulturlandschaft. Er befürchtet, dass die Weidetierhaltung stark abnehme, wenn der Wolf sich ungehindert verbreite. „Wir fordern den Schutz der Weidetierhalter. Die Entnahme eines Wolfes muss unbürokratisch möglich sein, wenn Nutztiere gerissen werden. Wo bleibt der Tierschutz bei einem Wolfsgemetzel?“, fragte Möller. John konnte sich als Lösung ein ausgewiesenes Wolfsterritorium wie den Reinhardswald vorstellen, außerhalb des Territoriums müsse dann eine Bejagung möglich sein.

Stefanie Wittich – LW 29/2020