Alternative mit Mehrwert

Wildpflanzen als Biogassubstrat

Nach wie vor ist Mais das am häufigsten eingesetzte Biogassubstrat. Durch die aktuelle GAP-Reform, wachsenden Druck aus der Bevölkerung und dem Bewusstsein in der Landwirtschaft, dass der Monokultur-Maisanbau Probleme mit sich bringt, wird mit Hochdruck nach ergänzenden oder alternativen Substraten gesucht. Wildpflanzenmischungen könnten bei der Suche nach einem neuen Biogassubstrat ein Ansatz sein. Was diese speziellen Wildpflanzenmischungen für die Biogasproduktion und Landwirtschaft leisten können, erklärt Dr. Martin Schmid von der Landwirtschaftskammer NRW.

Einmal gesät soll die Wildpflanzen-Mischung zur Biogasnutzung über fünf Jahre auf der Fläche verbleiben und jährlich geerntet werden.

Wilde Malve, Gemeiner Beifuss, Aland, Lichtnelke und Natternkopf sind nur einige der rund 20 Arten aus der Mischung „Energie aus Wildpflanzen“ der Firma Saaten Zeller. Diese aus einem Forschungsprojekt der bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) entstandene und ständig optimierte Mischung ist eine landwirtschaftliche und damit beihilfefähige Ackerkultur mit dem Fruchtartcode 50.

Einmal gesät sollen die Kulturen über fünf Jahre auf der Fläche verbleiben und jährlich geerntet werden. Weiterhin sorgen ein bis zwei Düngegaben pro Jahr für einen ausreichenden Ertrag. Darüber hinaus wird den Wildpflanzenflächen ein erheblicher ökologischer Mehrwert nachgesagt.

Grundsätzlich eignen sich für die Wildpflanzen fast alle Ackerstandorte. Durch die Vielzahl der in der Mischung enthaltenen Arten adaptiert sich die Zusammensetzung flexibel auf die Standorte. Somit entwickeln sich die Wildpflanzen auf jedem Standort verschieden, genauso wie es im Verlauf der fünf Jahre Standzeit zu einer Veränderung des Pflanzenspektrums kommt.

Unkrautfreie Anlage der Flächen

Die Grundbodenbearbeitung sollte möglichst mit dem Ziel erfolgen, den Unkrautdruck so stark zu reduzieren, wie eben möglich. Daher ist eine Pflugfurche im Herbst oder Frühjahr zu empfehlen. Anschließend erfolgt ein ein- bis zweimaliges flaches Grubbern mit Kreiselegge oder Federzinkenegge, jeweils nach dem frischen Keimen von unerwünschter Begleitflora. Bei einer sehr starken Verunkrautung empfiehlt sich der Einsatz eines Totalherbizids vor der Saat.

Der Saatzeitpunkt ist von März bis Juni wählbar. Auch eine Saat nach Grünroggen oder Feldgras ist möglich, wonach jedoch in jedem Fall eine Herbizidmaßnahme eingeplant werden sollte. Das Saatbeet muss feinkrümelig und gut rückverfestigt sein. Die Saatstärke beträgt 10 kg/ha. Auf diese geringe Saatstärke muss die Saattechnik einstellbar sein.

Weiterhin ist sicherzustellen, dass das Saatgut oberflächlich ausgesät wird, da in der Mischung sehr feinkörnige Samen enthalten sind. Die Aussaat mit pneumatischen Drillmaschinen, bei denen die Säschare nur flach beziehungsweise ganz ausgehoben über den Boden laufen, hat sich bewährt. Die Saatstriegel müssen dabei auf möglichst wenig Griff eingestellt werden. Bei trockener Witterung hat sich zudem ein Anwalzen der Saat als vorteilhaft erwiesen. Die Saatgutkosten sind mit rund 350 Euro pro Hektar relativ hoch. Unter günstigen Bedingungen ist die einmalige Saat aber auch fünf Jahre nutzbar.

Die Bestandesführung nach der Saat und in den Folgejahren beschränkt sich weitestgehend auf die Düngung, Ernte und gegebenenfalls auf geringe Pflanzenschutzmaßnahmen im ersten und zweiten Standjahr. Die Grundlage einer jeden Düngung sollte eine Bodenanalyse sein. Mit der Standardbodenprobe werden die Nährstoffe P, K, Mg und der pH-Wert bestimmt. Diese Nährstoffwerte sind mit der Düngung auf die mittlere Versorgungsstufe C einzustellen.

Relativ wenig Aufwand bei fünfjähriger Nutzung

Die Stickstoffversorgung sollte im ersten Jahr verhalten mit 80 bis 100 kg N erfolgen. Ab dem zweiten Jahr kann bei schwach entwickelten Beständen mit 140 bis 160 kg N Entzug und bei guten Beständen zwischen 160 und 180 kg N kalkuliert werden. Die Düngung kann grundsätzlich mit Gärresten, Gülle oder mineralisch erfolgen. Bewährt hat sich eine geringe mineralische Startstickstoffvergabe von 40 bis 60 kg zu Vegetationsbeginn ab dem zweiten Standjahr. Die Hauptnährstoffgabe erfolgt dann drei bis sechs Wochen später mit Wirtschaftsdüngern.

Unkrautbekämpfung ist nur eingeschränkt möglich

Im Anlagejahr sowie im Folgejahr kommt es bei einigen Flächen zu einer starken Verunkrautung. Aufgrund der vielen verschiedenen Arten in der Mischung ist der chemische Pflanzenschutz nur eingeschränkt möglich. Kommt es in den Beständen zu einem erhöhten Grasdurchwuchs kann mit selektiv wirkenden Gräserherbiziden, wie beispielsweise Fusilade Max mit einer Aufwandmenge bis zu 3 Liter pro Hektar, eingegriffen werden. Da bisher eine Pflanzenschutzmittelzulassung für die Wildpflanzenmischung fehlt, ist eine Ausnahmegenehmigung beim Pflanzenschutzdienst der Landwirtschaftskammer nach §22 Pflanzenschutzgesetz zu stellen.

Bei dikotylen Unkräutern sollte vorrangig durch die Bodenbearbeitung im Vorfeld eingewirkt werden. Sollten trotzdem in der Mischung viele unerwünschte Arten aufwachsen, ist im ersten Jahr ein Schröpfschnitt zu empfehlen. Dieser kann vor allem die einjährigen Unkräuter dezimieren, wenn der Schnitt vor der Blüte der Unkräuter erfolgt. So kann der Wildpflanzenmischung der entscheidende Konkurrenzvorsprung geliefert werden, sodass es in den Folgejahren zu keiner Unkrautproblematik mehr kommt.

Erntezeit an den Hauptarten ausrichten

Bei der Ernte besteht die Hauptschwierigkeit den richtigen Erntezeitpunkt zu treffen. Im ersten Ansaatjahr ist der richtige Zeitpunkt im August oder Anfang September, wenn die meisten Arten am Ende der Blüte stehen und einen Trockensubstanzgehalt zwischen 26 bis 30 Prozent TS aufweisen. In den darauf folgenden Erntejahren ist der Erntezeitpunkt ebenfalls zum Ende der Hauptblüte der massenmäßig meist vertretenden Arten zu wählen. Dies ist in der Regel ab Mitte Juli bis spätestens Anfang August der Fall. Dabei haben die Bestände einen TS-Gehalt zwischen 30 bis maximal 36 Prozent TS erreicht.

Wenn mit der Ernte auf eine höhere Abreife nach der Blüte gewartet wird, sinken die Methanerträge drastisch, weswegen dies auf keinen Fall zu empfehlen ist. Technisch kann die Ernte mittels Feldhäcksler mit Mais- oder Direktschneidwerk erfolgen. Der Einsatz eines Wildretters am Schneidwerk sollte obligatorisch sein.

Die Erträge liegen im ersten Anbaujahr bei rund 50 dt Trockenmasse pro Hektar und steigen ab dem zweiten Anbaujahr auf etwa 150 bis 180 dt TM an. In Versuchen der Landwirtschaftskammer an den Standorten Haus Riswick am Niederrhein, Haus Düsse in der Soester Börde und dem Höhenlagenstandort Remblinghausen konnten kaum Unterschiede im Ertragsniveau der Standorte ermittelt werden. Dies bedeutet, dass vor allem auf Grenzertragsstandorten die Wildpflanzenmischung konkurrenzfähig sein kann.

Der Methanertrag ist hauptsächlich vom Erntezeitpunkt abhängig und liegt meist unter 300 Liter Methan pro Tonne organischer Trockensubstanz. Weitere Untersuchungen der nächsten Jahre werden genauere Ertragsdaten liefern. Die hier genannten Ergebnisse beruhen auf zweijährigen Exaktparzellenversuchen der Landwirtschaftskammer NRW.

Ökologischer Mehrwert einer Wildpflanzenmischung

Über den klassischen Ertrag hinausgehend fällt noch ein ökologischer Mehrwert an. Neben den bekannten positiven Effekten einer Dauerkultur bietet die Wildpflanzenmischung vor allem durch den Blütenreichtum und dem fast ganzjährigem Habitus auf den Flächen besondere ökologische sowie landschaftsbereichernde Leistungen. Auch eine deutliche Steigerung der Biodiversität durch den Artenreichtum der Mischung ist nachgewiesen, weswegen ein positiver Effekt auf den Arten- und Biotopschutz zu erwarten ist. Erste positive Ergebnisse gibt es bereits aus den Untersuchungen der LWG aus Bayern.

Das Netzwerk Lebensraum Feldflur in Zusammenarbeit mit zahlreichen Partnern bearbeitet weiterhin diesen Themenbereich, vor allem aus jagdlichen und wildbiologischen Aspekten. Im Mai diesen Jahres wurde in Kooperation mit der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, der Landwirtschaftskammer NRW und der Stadt Dorsten das Projekt GrünSchatz gestartet, indem die ökonomischen und ökologischen Effekte der Wildpflanzenmischung im westlichen Münsterland erforscht werden sollen. GrünSchatz ist ein Projekt der Regionale 2016 und wird durch das Land NRW gefördert. Mit dem Projekt wird es in absehbarer Zeit wissenschaftlich fundierte Ergebnisse über den ökonomischen und ökologischen Wert der Wildpflanzenmischung geben, sodass eine Bewertung dieses Anbausystems in Gänze erfolgen kann.

 – LW 21/2015