„Antibiotika alleine reichen nicht“

Bayer Vital stellt Ergebnisse zu Entzündungshemmern vor

Bakterielle Infektionen in der Schweinehaltung können schwere Krankheiten mit wirtschaftlich hohen Schäden auslösen. Gegen Bakterieninfektionen werden üblicherweise Antibiotika eingesetzt. Versuchsergebnisse weisen jetzt darauf hin, dass die Behandlung eine deutlich bessere Wirkung zeigen kann, wenn das Antibiotikum in Kombination mit einem entzündungshemmenden Medikament gegeben wird. Auch lassen sich bakterielle Erreger unter Umständen bekämpfen, indem begleitende Infektionen, die den Bakterien als Wegbereiter dienen, früh unterdrückt werden, sodass ein späterer Antibiotika-Einsatz nicht mehr notwendig ist. Über neue Erkenntnisse zu solchen Kombinationstherapien informierte kürzlich die Bayer Vital GmbH auf einer Presseveranstaltung in Münster.

Die Kombination eines Entzündungshemmers mit einem Antibiotikum führt zur schnelleren Heilung von Krankheiten, wie Versuche von mit Streptokokken infizierten und an Ferkelruß erkrankten Tieren zeigten.

Foto: Michael Schlag

Dr. Pirkko Bergmann, Produktmanagerin Nutztier bei Bayer Vital, stellte die Anwendung des Wirkstoffs Ketoprofen (Handelsname Dinalgen) vor, ein „nichtsteroidales Antiphlogistikum“ (NSAID) mit den Wirkungen entzündungshemmend, schmerzstillend und fiebersenkend. Bergmann nennt als Vorteile: „Kurze Behandlungsdauer und geringe Dosierung“, so reiche eine 500-ml- Flasche für die Behandlung von 1 700 Mastschweinen mit 60 kg Gewicht aus. Eingeführt im Oktober 2009, wird Ketoprofen in der Schweinehaltung bei Atemwegserkrankungen, Dysgalaktie und MMA gemeinsam mit einem Antibiotikum eingesetzt. „Es macht Sinn zu kombinieren“, sagt Bergmann, denn NSAID senken die Entzündung, die mit der Bakterieninfektion einhergeht, und „wenn hier nicht rechtzeitig eingegriffen wird, kann eine chronische Entzündung entstehen“.

Die Entzündung sei die Reaktion auf eine Krankheit, „sie kann aber auch selbst zur Krankheit werden“ – mit weiter reichenden Folgen wie Energiemangel und Kümmern bei den Saugferkeln. Bergmann zitierte einen Feldversuch zur kombinierten Wirkung des Antibiotikums Baytril plus Ketoprofen bei MMA: Gegenüber dem alleinigen Einsatz senkte die Kombinationstherapie die Fieberrate auf fast die Hälfte, und am Ende standen zwei Prozent weniger Saugferkelverluste. Dinalgen ist nach Firmenangabe das einzige flüssige NSAID auf dem Markt; es kann mit der Spritze oder über das Trinkwasser verabreicht werden. Der Vorteil, so Bergmann: Nach einmal begonnener Gabe über das Trinkwasser kann die Therapie bei schweren Krankheitsfällen zusätzlich als Injektion fortgeführt werden, während unterschiedliche NSAIDs – die jeweils nur einen Applikationsweg erlauben – nicht miteinander kombiniert werden dürften. Bei der Injektion (einmal täglich über ein bis drei Tage) beträgt die Wartezeit für essbares Gewebe drei Tage, bei der Gabe über das Trinkwasser sind es 24 Stunden.

Strategie bei Streptokokken

Dr. Pirkko Bergmann, Produktmanagerin Nutztier bei Bayer Vital.

Foto: Michael Schlag

Dr. Friedrich Delbeck vom Schweinegesundheitsdienst der Landwirtschaftskammer Niedersachsen untersuchte die kombinierte Therapie mit Antibiotikum plus Entzündungshemmer, über die es „in der Landwirtschaft immer mehr Diskussionen“ gebe, anhand von Streptokokken-Infektionen bei Ferkeln. „Im Aufzuchtbereich sind Streptokokken gang und gäbe“, sagt Delbeck, sieben bis zehn Tage nach der Einstallung von Absatzferkeln zeigten sich die Symptome: geschwollene Gelenke und Störungen des Zentralen Nervensystems. Im Versuch zu Beginn dieses Jahres wurden die beiden Therapien an jeweils 280 Ferkeln der Kreuzung Topigs mal Piétrain verglichen: Die Versuchsgruppe erhielt sieben Tage lang das Antibiotikum Amoxicillin über das Futter plus – in den ersten drei Tagen – zusätzlich den Entzündungshemmer Ketoprofen über das Wasser. Die Kontrollgruppe erhielt nur das Antibiotikum.

Streptokokken-Infektion war einen Tag schneller abgeheilt

Das Ergebnis: Nach der kombinierten Behandlung Antibiotikum plus Entzündungshemmer (Versuchsgruppe) waren die Ferkel nach zweieinhalb Tagen kuriert und „symptomfrei“. Bei den Tieren der Kontrollgruppe dauerte es durchschnittlich dreieinhalb Tage, bis sie ohne Krankheitsanzeichen waren. Diese einen Tag schnellere Heilung bei hochgradiger Streptokokken-Infektion „fand ich ein erstaunliches Ergebnis“, sagt Friedrich Delbeck. Noch deutlicher wurde das Ergebnis bei der Behandlung von Ferkelruß, einer schweren Hautentzündung, hervorgerufen durch Staphylokokken, einer anderen Bakterienart. Im Versuch wurde wiederum eine Gruppe nur mit einem Antibiotikum (Hostamox) behandelt, eine andere Gruppe erhielt zusätzlich den Entzündungshemmer Dinalgen.

Ferkelruß drei Tage schneller geheilt

Mit der herkömmlichen Antibiotikum-Behandlung stellte sich nach viereinhalb Tagen eine „deutliche Besserung der Symptome“ ein. Ãœberraschend aber das Ergebnis der Versuchsgruppe: kombiniert mit dem Entzündungshemmer stellte sich dieselbe Wirkung schon nach anderthalb Tagen ein. Für Delbeck ist das „ein zentrales Ergebnis“, denn eine um drei Tage schnellere Heilung der Symptome von Ferkelruß habe er „in der Form noch nicht gesehen.“ Friedrich Delbeck verweist aus Sicht des Tiergesundheitsdienstes noch auf einen anderen Aspekt: Mit der schnelleren Heilung tue der Mäster auch etwas für das Wohlbefinden seiner Tiere und könne damit „zeigen, dass wir nachhaltig denken.“ In den Versuchen mit Medikamentengabe über das Trinkwasser konnte jedes Stallabteil einzeln über T-Stücke in der Leitung mit Medikamenten versorgt und individuell dosiert werden. Delbeck empfahl bei Neubauten von Ställen dringend, solche T-Stücke zur Einzelversorgung von Abteilen mit wasserlöslichen Medikamenten gleich mit einzubauen und „nicht erst später nachrüsten.“ (siehe auch Bericht zur Medikation über das Trinkwasser)

Kokzidiose-Vorbeugung könnte Clostridiendurchfall verringern

De Ponte von Bayer Vital.

Foto: Michael Schlag

Dr. Martina de Ponte vom Bayer Vital Technical Service Nutztier schilderte ein anderes Beispiel für den wechselseitigen Zusammenhang von Krankheitserregern, der auch hier zu einer neuartigen Therapie führte. In diesem Fall ging es um Clostridien (Bakterien) und Kokzidien (parasitische Einzeller); beides sind Durchfallerreger bei Saugferkeln, die häufig als Mischinfektionen auftreten, mit wellenförmigem Verlauf: „Zwischen dem 10. und 14. Lebenstag werden Sie vermehrt Durchfälle im Bestand feststellen,“ sagt de Ponte, es ist der typische „Zwei-Wochen-Durchfall“ durch Kokzidiose. Schon früher, innerhalb der ersten drei Lebenstage, war aber ein Saugferkeldurchfall aufgetreten, hervorgerufen durch das Bakterium Clostridium perfringens (Typ A). Clostridien besiedeln den Darm des Schweins und produzieren Giftstoffe, im schlimmsten Fall (bei Clostridium Typ C) mit einer tödlich endenden Entzündung des Dünndarms. Durchfallkrankheiten beim Saugferkel können gravierende und anhaltende Folgen haben, sagt de Ponte: „Darmzotten sterben ab und es wachsen nicht alle wieder nach.“ Laufen diese beiden Infektionen nun getrennt und nacheinander ab, oder stehen sie in einem Zusammenhang? De Ponte ging nun einer Vermutung nach: Kokzidien wirken im Ferkel nicht erst am zehnten Tag – wenn sie den Durchfall verursachen – sondern bereits am ersten Tag, zwar ohne eigenes Krankheitsbild, aber als Wegbereiter und Förderer für die Clostridien. Dann aber könnte eine frühe Vorbeugung gegen Kokzidiose auch das Auftreten von bakteriellem Clostridiendurchfall in den ersten Tagen verringern, und man könnte Clostridien ganz anders als nur mit Antibiotika behandeln.

In einem Ferkelaufzuchtbetrieb mit 180 Sauen wurde die These unter Praxisbedingungen untersucht. Hier traten bei 20 bis 30 Prozent der Würfe im Alter von zwei bis vier Tagen Durchfälle auf. Die Untersuchung zeigte eine hochgradige Infektion mit Clostridien, der Test auf Kokzidien verlief zu diesem Zeitpunkt aber noch negativ. Betroffen waren stets alle Ferkel eines Wurfes und „trotz Antibiotikabehandlung“ erreichte die Sterblichkeit bis zu 50 Prozent. Deutlich wurde damit: „Die antibiotische Behandlung ist nicht ausreichend“, sagt de Ponte, dennoch „hören die meisten Tierärzte an dieser Stelle auf.“ Doch nach dem Abklingen der Clostridien-Infektion können weitere Durchfälle folgen, jetzt hervorgerufen durch die Kokzidien. Auch in dieser Feldstudie wurden wieder zwei Gruppen zum Vergleich gebildet: Die eine Gruppe Ferkel erhielt schon frühmorgens am ersten Lebenstag eine Gabe des Kokzidienmittels Toltrazuril (Handelsname Baycox). Diese frühe Behandlung senkte wie erwartet das Auftreten von „Zwei-Wochen-Durchfall“ durch Kokzidien und senkte die Durchfallhäufigkeit insgesamt innerhalb der ersten vier Wochen auf die Hälfte. Ungewöhnlich indes: Die frühe Gabe des Antikokzidiums verringerte auch den Clostridien-Durchfall der neugeborenen Ferkel am zweiten Tag um fast zwei Drittel; die Sterblichkeit in den ersten Tagen ging deutlich zurück und insgesamt verringerten sich die Ferkelverluste in den ersten vier Wochen um zwei Drittel. Eine Erklärung: Die sehr frühe und vorbeugende Bekämpfung der Kokzidien – zu einem Zeitpunkt, an dem diese selbst noch nicht in Erscheinung treten – entzieht der Bakterieninfektion die Grundlage. De Ponte betonte allerdings, Baycox sei keineswegs ein Mittel gegen die Clostridien-Bakterien, sondern wirke nur gegen die Kokzidien.

Kein Durchfall bei früher Kokzidienbehandlung

Die Ergebnisse dieser Wechselwirkung wurden experimentell an der veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig durch kontrolliert herbeigeführte Infektionen bestätigt: Eine gleichzeitige Infektion mit Clostridien Typ A und Kokzidien führte unbehandelt zu starkem Durchfall mit annähernd 40 Prozent Verlusten. Bei frühzeitiger Behandlung nur mit dem Kokzidienmittel trat dagegen kein Durchfall auf, weder in der frühen noch in der späteren Phase. Gänzlich überraschend das Ergebnis, wenn die Ferkel vier Stunden nach der Geburt nur mit Clostridien Typ A (aber nicht mit Kokzidien) infiziert wurden und keine Medikamente erhielten: Trotz Infektion blieb der Durchfall aus. Martina de Ponte schließt daraus: „Clostridien alleine können gerne da sein“, erst die Misch­infektion mit Kokzidien verhelfe ihnen zum Durchbruch und sie vermutet: „In der Praxis treten wahrscheinlich häufiger als bisher vermutet Ko-Infektionen mit beiden Erregern auf.“ Ein wirksamer Kampf gegen den Saugferkeldurchfall der ersten Tage müsste also gar nicht antibiotisch gegen die Clostridien, sondern indirekt und vorbeugend gegen deren Wegbereiter, die Kokzidien, geführt werden. Michael Schlag