Betörende Nachtkerze

Duftend im Garten – schmackhaft als Salat oder Gemüse

Allein schon durch ihr nächtliches Blühen faszinieren Nachtkerzen, unwiderstehlich ist auch ihr Duft. Vergessen ist jedoch, dass ihre Wurzeln einst als wertvolles Gemüse galten.

Nachtkerzen blühen nur nachts. Mit ihrem intensiven Duft locken sie Nachtfalter an. Der viele Blütenstaub verlockt auch Kinder zum Spielen.

Foto: Buchter

Die Nachtkerze (Oenothera biennis) spielt in Medizin und Kosmetik eine größere Rolle als auf dem Speisezettel, nicht zuletzt weil Ernten und Zurüsten viel Zeit benötigen. Außer im Garten – und hier gibt es auch tagblühende Zuchtformen – stehen Nachtkerzen an Wegrändern, Schutthalden, Bahndämmen und mageren Böschungen, teilweise bis zwei Meter hoch. Die Pflanzen vermehren sich massenhaft über winzig kleine Samen. Naturheilkunde und Kosmetik nutzen das Öl aus den Samen als Hautpflegemittel, gerade auch bei Neurodermitis, da es einen sehr hohen Anteil an Gamma-Linolensäure enthält. Tagsüber wirkt die Pflanze unscheinbar, aber nach Sonnenuntergang verwandelt sie sich in eine überaus aparte Erscheinung. Das Überraschende ist: Man kann zusehen, wie sich Blüte um Blüte entfaltet, um sich bei Sonnenaufgang für immer zu schließen. Eine unglaubliche Pracht und ein betörender Duft – und das nur für eine Nacht!
Die Pflanze stammt ursprünglich aus Peru und kam im 17. Jahrhundert zunächst als Zierpflanze nach Europa. Hier ist sie aus den Gärten ausgewandert und verwildert. Als zweijähriges Gewächs entsteht im ersten Jahr eine fleischig verästelte, rübenförmige Wurzel, die Blätter sind rosettenartig angeordnet. Diese Wurzel lässt sich ab September essen. Weil sie sich beim Kochen schinkenrot verfärbt, hieß die Nachtkerze früher auch Schinkenwurz. Im nächs­ten Jahr verholzt die Wurzel zum Zeitpunkt der Blütenbildung und wird damit ungenießbar. Am Ende des Blühjahres sterben Nachtkerzen ab.
Die winterharten Wurzeln werden von Herbst bis Frühjahr (April/Mai) geerntet. Lässt man die Rosette der Nachtkerze im Frühjahr austreiben, bilden sich bis 2 m hohe Blütenstände, die bis zum Frost Abend für Abend ein unvergleichliches Schauspiel bieten: Pünktlich nach Sonnenuntergang öffnen sich die betörend duftenden, hellgelben, fast handtellergroßen Blüten – und das so plötzlich und rasch, dass man zusehen kann, wie die Hüllblätter aufspringen und sich die vier Blütenblätter aufdrehen. Die langen Staubfäden verlocken Kinder da­zu, sich gegenseitig damit zu bemalen, der üppige Blütenstaub bleibt gut auf der Haut haften. Die Nachtkerze ist ein Gartengast für alle Sinne, dazu anspruchslos, pflegeleicht, winterhart und sehr gesund.

Nachtkerzenwurzeln lassen sich als Gemüse kultivieren

Lässt man die Rosette der Nachtkerze im Frühjahr austreiben, bilden sich bis 2 m hohe Blütenstände.

Foto: Buchter

Die früher auch Papontika bezeichnete Pflanze liebt tiefgründi­gen, möglichst sandigen Boden, stellt aber als Schutthaldenpflanzen keine Ansprüche in Bezug auf die Versorgung mit Nährstoffen und Wasser. Sie eignen sich gut als ungedüngte Nachkultur von Stark­­­­zehrern wie Kohl. Ausgesät wird von April bis Ende Mai 1 bis 2 cm tief in 20 bis 25 cm voneinander entfernte Reihen. In der Reihe ver­zieht man die Keimlinge auf gut 15 cm Abstand. Etwas arbeitsintensiver ist die Vorkultur mit Verpflanzung im Juni bis Juli. Allerdings entwickeln sich dann besonders kräftige Wurzeln, sofern man beim Verpflanzen die Seitenwurzeln entfernt.
Die Wurzeln wachsen 15 bis 20 cm lang und lassen sich ähnlich zubereiten wie Schwarzwurzeln – schälen und dünsten.
Nachtkerzen-Wurzeln sind ab September essbar. Man bereitet sie wie Schwarzwurzeln zu. Beim Kochen verfärben sie sich von weiß zu rosa.

Foto: Buchter

Die zunächst weißlichen Wurzeln verfärben sich beim Kochen leicht rosa. Sie enthalten mit fast 70 mg/­100 g sogar mehr Vitamin C als Zitronen (rund 50 mg/100 g). Noch höhere Vitamin-C-Ge­halte haben die Blätter: über 200 mg/100 g Frischmasse. Die Samen liefern ein sehr wertvolles Öl für die Kosmetik- und Arzneimittelindustrie.
Weitere Zubereitungsmöglichkeiten der Nachtkerzen als Salat oder Gemüse: Die geschälten Wurzeln in Salzwasser bissfest kochen, abkühlen lassen und in dünne Scheibchen schneiden, dann mit einer Salatsoße auf Apfelessig-/Ölbasis anrichten. Die jungen Blätter lassen sich roh ebenfalls als Salat verwenden, meist aber nur als Beigabe zu anderen Blattsalaten. Gekocht dienen sie als Spinatersatz oder -beimischung. Die nicht zu weich gekochten Wurzeln kann man auch in Streifen schneiden oder raspeln und dann zubereiten wie Sellerie-Salate.
Die 3 cm großen Blüten schmecken süßlich bis buttrig mit einer leicht scharfen Beinote, ideal als Beigabe zu Blattsalaten. Auch süße Kaltschalen oder kräftige Suppen lassen sich mit Nachtkerzenblüten dekorieren und würzen. Dr. Helga Buchter-Weisbrodt