Betrieb mit viel Fachverstand auf die Zukunft ausgerichtet
Kallspreis geht an Rindte GbR in Battenberg-Berghofen
Der Familienbetrieb Rindte aus Battenberg-Berghofen ist der Gewinner des KallsÂpreises für hessische Milcherzeuger 2015, mit dem die Landesvereinigung Milch Hessen bereits zum sechsten Mal Betriebe auszeichnet. Den zweiten Platz belegt der Betrieb von Christof Wegfahrt aus Niederaula, gefolgt von der Bangert-Erlemann GbR aus Diemelsee-Rhenegge. Sibylle Möcklinghoff-Wicke, Innovationsteam Milch Hessen, schildert die Beweggründe, warum der Betrieb Rindte es ganz bis nach oben aufs Treppchen geschafft hat, und stellt diesen vor.
Der Kallspreis für hessische Milcherzeuger ist an einen Betrieb verliehen worden, der vieles von dem umgesetzt hat, was für eine erfolgreiche Milchviehhaltung mit Zukunftsperspektive notwendig ist: Grundvoraussetzung ist zunächst einmal eine Familie, die geschlossen hinter der Milchviehhaltung steht. Die Jury war beeindruckt, mit welchem Fach- und Sachverstand sich Familie Rindte auf die Zukunft eingestellt und den Betrieb in den vergangenen Jahren kontinuierlich weiterentwickelt hat. Der erste Boxenlaufstall wurde bereits 1990 als Teilaussiedlung gebaut, da am Betriebssitz im Dorf keine Entwicklungsmöglichkeit bestand. Auf das „Nachquotenzeitalter“ hat sich der Betrieb über mehrere Jahre intensiv vorbereitet. Am Ende dieses langen, aber wohlüberlegten und von allen Beteiligten getragenen Prozesses sind die Kühe vor einem Jahr in den neuen Laufstall mit separatem Melkhaus und angegliedertem Wohlfühlstall für die Zeit rund um die Abkalbung eingezogen.
Der Kallspreis ist ein Unternehmerpreis, der für erfolgreiches, nachhaltiges Wirtschaften von Milchviehbetrieben vergeben wird. Das Besondere ist das mehrstufige Bewertungsverfahren, dem sich die Bewerber unterziehen. Die Beurteilung richtet sich dabei nicht nur nach dem aktuellen Stand im Betrieb, sondern auch nach der systematischen Umsetzung von Maßnahmen und der Planung von zukünftigen Schritten. Wie mehrere andere Betriebe hat Familie Rindte im Frühjahr einen mehrseitigen Bewerbungsbogen beim Initiator des Preises, dem Innovationsteam der Landesvereinigung Milch Hessen, abgegeben. In einer internen Vorauswahl durch die Vorstandsmitglieder der LV Milch wurden die Betriebe ausgewählt, die von einer mehrköpfigen Jury besucht werden sollten. Mitglieder sind hier ebenfalls Vertreter der LV Milch, die als praktische Milcherzeuger ihren Sach- und Fachverstand bei der Bewertung einbringen. Um zu möglichst objektiven Bewertungen der zu rangierenden Betriebe zu kommen, arbeiten die Jurymitglieder mit einer Checkliste, bei der die Basis für die Beurteilung folgende vier Bereiche sind:
- Kuhkomfort/Haltung und Zustand der Tiere sowie Tiergesundheit,
- Management/Fütterung und tierische Leistungen,
- die Wettbewerbsfähigkeit/Effizienz /Produktionskosten sowie
- die Unternehmerpersönlichkeit und außerlandwirtschaftliches Engagement.
In mehreren Bereichen wurden von den Jurymitgliedern volle Punktzahlen für Familie Rindte vergeben. So zum Beispiel im Bereich Kuhkomfort/Haltung, aber auch in der Bewertung der Unternehmerpersönlichkeit und dem sozialen Engagement der Familienmitglieder.
Optimale Haltungsumwelt als Ziel
Da der alte Boxenlaufstall am Standort in Dorfrandlage an Kapazitätsgrenzen gestoßen ist und Sohn Mike signalisiert hat, dass er nach Abschluss des Agrarstudiums in Gießen in den Betrieb einsteigen wollte, wagte die Familie den Schritt zum Neubau „auf der grünen Wiese“. Es wurde ein neuer Betriebsstandort entwickelt mit einem Boxenlaufstall für insgesamt 350 Kühe. Parallel zum Stallkomplex wurden eine Fahrsiloanlage und ein Güllebehälter gebaut.
Großzügig gestaltete Liegeboxen
Der Stall ist als Doppel-Dreireiher ausgelegt und hat 276 großzügig gestaltete Liegeboxen (4 x 69 Liegeboxen) für die melkenden Kühe und im separaten Transitstall, in Verlängerung von Melkhaus und Wartebereich, einen großzügigen Strohbereich für Abkalber und Frischmelker (30 Tiere auf Stroh) sowie einen Dreireiher mit 57 Liegeboxen für die Trockensteher. Dieser Special-Needs-Bereich wurde mit 20 Prozent Überkapazität geplant und gebaut, um zu gewährleisten, dass es in diesem sensiblen Bereich nie zu einer Überbelegung kommt. In Zahlen ausgedrückt heißt das, es wurden statt 60 Plätzen im Transitbereich 80 Kuhplätze geschaffen, um den besonders bedürftigen Tieren zu jeder Zeit den bestmöglichen Komfort bieten zu können. Auch die Ausstattung des Transitstalls ist auf viel Kuhkomfort, aber auch auf gute Arbeitseffizienz ausgelegt. Die Trockensteher sind in großzügigen Liegeboxen untergebracht, das spart Stroh und Arbeitszeit im Vergleich zur Aufstallung komplett auf Stroh. Auf der anderen Seite des Futtertisches mit Fressgitter ist ein Zweiraumlaufstall mit 5 Gruppenbuchten für die Abkalber (je 50 m² ohne Fressplatz) mit breitem planbefestigtem Fressgang und einem Liegebereich auf Stroh. Jede Gruppenbucht ist von hinten separat zu entmisten und durch entsprechende Schwenkgatter sind Tierumtriebe leicht und sicher zu erledigen. Die Curtains an den Traufseiten und der offene First sorgen für viel frische Luft und durch die direkte Anbindung an den Wartebereich vor dem 40iger Außenmelker-Karussell können auch die frisch abgekalbten Tiere schnell in die Routinen eingeführt werden. Viel Luft und Licht ist inzwischen Standard bei neuen Boxenlaufställen. Hier wurde aber auch auf weitere Details geachtet: Futterbrücke, ebenerdiger Laufbereich für die Kühe, LED-Beleuchtung mit Lichtprogramm und ein Selektionsbereich im Rücktrieb. Darum wurde im Liegeboxenlaufstall auf ein Fressgitter am Futtertisch verzichtet. Aber auch dazu wurde im Vorfeld ausführlich diskutiert. Alle Behandlungen (inklusive Besamung) finden bewusst im Separationsbereich, der mit einer Behandlungsstraße ausgestattet ist, statt, sodass die Kühe im Liegeboxenlaufstall sehr entspannt sind, denn sie wissen, dass hier nur gefressen und geruht wird.
Bestandsergänzung unter 20 Prozent, 10 000 kg Milch je Kuh
Dass auch der Bereich Management/Fütterung sehr positiv beurteilt wurde, zeigt allein ein Blick auf die biologischen Kennzahlen, die anhand des Jahresabschlusses und der MLP Ergebnisse ermittelt wurden: eine Milchleistung über 10 000 kg/Kuh und Jahr, eine Bestandsergänzung unter 20 Prozent, eine Zwischenkalbezeit von 406 Tagen und ein Erstkalbealter von 26,6 Monaten. Dass vor allem in der Jungviehaufzucht noch Reserven schlummern, ist der Familie bewusst. Derzeit werden für die Jungrinder die verschiedenen Stallungen am Stammbetrieb im Dorf und im alten Boxenlaufstall genutzt, was einen häufigen Umtrieb bedeutet, der sich nicht immer förderlich auf die Entwicklung der Tiere auswirkt.
Mit der Herdengröße von derzeit 270 Milchkühen und 285 ha LF ist der Betrieb längst in die „Liga der erweiterten Familienbetriebe“ aufgestiegen, denn trotz moderner Technik ist es nicht möglich, den Betrieb ohne Mitarbeiter zu führen. So bietet Familie Rindte auch zwei Mitarbeitern und einem Auszubildenden einen krisensicheren Arbeitsplatz in der eher strukturschwachen Region im Ederbergland.
Fläche und Mitarbeiter sind die neuen Wachstumsbremsen
Familie Rindte ist mit dem neuen Stall für das „Nachquotenzeitalter“ gut aufgestellt. Es wurden mehrere Millionen Euro investiert, aber man ist zuversichtlich, auch bei schwankenden Milchpreisen rentabel zu produzieren. Bei der Planung der Investition wurde mit einem Milchpreis von 28 bis 30 ct gerechnet. Auch wenn der Betrieb eine gute Flächenausstattung hat, kann die Fläche schnell zum begrenzenden Faktor werden. Die Pachtpreise in der Region sind derzeit noch auf einem niedrigen Niveau, aber die Begehrlichkeiten nach Fläche steigen, sodass die Preise und vor allem auch die Flächenverfügbarkeit davon beeinflusst werden könnten. Der Betrieb hat langjährige Erfahrung mit der Lehrlingsausbildung und hat seit einigen Jahren auch feste Mitarbeiter, aber auch hier sieht die Familie eine Hürde für weiteres Wachstum. Mitarbeiter zu finden und zu halten ist eine besondere Herausforderung, der sich jeder größere Betrieb stellen muss. Trotz dieser Risiken ist Familie Rindte sicher, dass Betriebe in dieser Größenordnung ohne eine Milchmengenbeschränkung besser aufgestellt sind, da sie flexibler reagieren können und so die Chancen am Markt besser wahrnehmen können, damit man am Ende auch die Risiken des Marktes besser handhaben kann. Weil die Familie davon überzeugt ist, dass wachsende Betriebe wirtschaftlich gesehen von der Abschaffung der Milchquote profitieren können, sofern sie generationsübergreifend an einem Strang zieht und Entwicklungsmöglichkeiten vorhanden sind. Aber die nachfolgende Generation darf nicht durch Auflagen so stark eingeschränkt werden, dass dadurch die Leidenschaft für Landwirtschaft verloren geht.
Nach einstimmiger Meinung der Jury sind das alles Gründe gewesen, die Rindte GbR zum Sieger des Kallspreises zu küren. Am Erfolg beteiligt waren Hans-Helmut und Silke sowie Mike Rindte und Lebensgefährtin Manuela Seibel mit Tochter Mona, sowie die beiden Mitarbeiter Maximilian Gerhard und Joscha Maurer. Zum besten Milcherzeuger wird man gewählt, weil man in vielen Belangen bei der Kuh „top“ ist und weil man ein „Unternehmer“ ist und auch nach außen zeigt, dass Landwirtschaft und die Milcherzeugung ein Wirtschaftsbereich ist, in dem nachhaltig und generationenübergreifend gewirtschaftet wird. All dies hat die Familie Rindte der Jury eindrucksvoll bewiesen. Besonderheiten des Betriebes, die die Jury bei der Betriebsbesichtigung im Mai 2015 überzeugt haben, waren vor allem eine langjährige hohe Milchleistung bei den Kühen, gepaart mit guten Gesundheitsdaten, ein neuer „Wohlfühlstall“, nach aktuellem Stand der Technik, der kaum Wünsche offen lässt und eine Leidenschaft für Kühe, die auf gesunden, wirtschaftlichen Füßen steht.
Auch im Hinblick auf die Arbeitswirtschaft gut durchdacht
Ein Unternehmer muss tagtäglich Entscheidungen treffen; die Entscheidung, einen neuen Investitionsschritt, der immer auch ein finanzielles Risiko darstellt, zu wagen, braucht aber reifliche Überlegung und Abwägen der Vor und Nachteile, sowie der Risiken, aber auch der daraus resultierenden Chancen. Und genau dieser Prozess hat in der Familie stattgefunden und hat zu diesem beeindruckenden Ergebnis geführt, das von den Gästen begutachtet wurde: ein moderner, sehr tiergerechter Stall, der auch hinsichtlich der Arbeitswirtschaft hervorragend gestaltet ist.
Milchproduktion ist längst zu einem Cent-Geschäft geworden und es kommt sehr wohl darauf an, effizient und nachhaltig zu wirtschaften und sich Optionen für die Zukunft offen zu halten. Wie auch die anderen Preisträger hat sich vor allem auch er Siegerbetrieb sehr gut auf das Ende der Milchquotenregelung vorbereitet, um mit größeren Stückzahlen Kostenvorteile zu erzielen, um stärker schwankende Milchpreise managen zu können, um Liquidität als oberstes Ziel zu gewährleisten. Und das Ganze nicht zum Nachteil von Tier und Umwelt, sondern ganz im Gegenteil: es gibt kaum bessere Haltungsbedingungen für die Kühe! Familie Rindte ist es besonders gut gelungen ihr persönliches Leitbild und Selbstverständnis einer zukunftsfähigen Milchviehhaltung mit besonders tiergerechten Stallungen zu verwirklichen, die auch eine hohe Arbeitseffizienz ermöglichen. Gerade auch der soziale Aspekt der Betriebsleiterfamilie ist für die Zukunft entscheidend. Hervorragendes Unternehmertum, verbunden mit hohen ökoÂnomischen und biologischen Leistungen, ist der Schlüssel für das zukunftsorientierte Gesamtkonzept, das herausragend unter den teilnehmenden Betrieben ist. Aus diesem Grund hat die Jury einstimmig Familie Rindte als Siegerbetrieb für den Kallspreis für hessische Milcherzeugerbetriebe 2015 ausgewählt.
– LW 30/2015