Boden ist Schlüsselressource, die viele Ökoleistungen erbringt

Ökotag zur Landwirtschaftlichen Woche in Baunatal

Im Jahr 2015 hatten die Vereinten Nationen das Internationale Jahr des Bodens ausgerufen. Landverlust durch Bebauung oder das sogenannte „land grabbing“, das heißt Kauf von Land als Spekulations­objekt stehen öffentlich zur Diskussion. Das Ökoberatungsteam im LLH stellte den Boden inklusive seiner Bedeutung für die Landwirtschaft selbst auch für die Gesellschaft ins Zentrum des diesjährigen Ökotages der Landwirtschaftlichen Woche in Nordhessen.

Das Thema fiel buchstäblich auf „fruchtbaren Boden.“ Hans-Jürgen Müller, Vorsitzender des Fachausschusses Ökologischer Landbau im Kura­torium für das landwirtschaftliche und gartenbauliche Beratungswesen, eröffnete die Ta­­gung im vollbesetzten Saal der Stadthalle Baunatal.

In Deutschland gehen täglich 73 Hektar verloren

Joachim Netz referierte zum Thema „Sind Grundstücksverkehrsgesetz und siedlungsrechtliches Vorkaufrecht noch zeitgemäß?“

Foto: Heinz Gengenbach

Dr. Andreas Gattinger, Biolandwirt im Nebenerwerb und Agrarwissenschaftler an der Universität Gießen, verwies auf einen Text der deutschen Bischofskonferenz mit dem Titel „Der bedrohte Boden“. Zentrale Aussage dieser 2016 erschienenen Schrift: „Die Böden geraten sowohl global als auch in Deutschland zunehmend unter Druck“. Das betrifft nicht nur den Rückgang des Humusgehalts, sondern auch den starken Landverlust von täglich 73 ha in Deutschland, die für Siedlungs- und Verkehrszwecke genutzt werden. Der Agrarwissenschaftler stellte eine Humusstudie vor, in der weltweit 148 Vergleichspaare von konventionell und biologisch bewirtschafteten Böden untersucht wurden. Die Öko-Variante hatte hier Vorteile. Der Boden ist eine Schlüsselressource, die vielfältige Ökosystemleistungen erbringt. Zum Beispiel könne eine hö­he­­re Kohlenstoffspeicherung durch Umstellung auf Ökolandbau erzielt werden, so Gattinger.

Klimaschutz immer häufiger zum Thema

Beim Klimaschutz sei es wichtig, Tierhaltung, weite Fruchtfol­gen und Mischkultursysteme zu kombinieren. Auf dem Versuchsbetrieb der Universität Gießen, Gladbacher Hof, wurde dazu ein Forschungsprojekt durchgeführt. Der Referent machte auch deutlich, dass Klimaschutz, was den Boden betrifft, zu Lasten des Ertrags gehe. Hier gelte es eine Balance zu finden.

Der Boden als Spekulationsobjekt

Im landwirtschaftlichen Grundstücksverkehr liegt nach Meinung des Diplomverwaltungswirtes Joachim Netz einiges im Argen. Demnach sind in der Bundesrepublik deutliche Preissteigerungen auf dem Bodenmarkt zu verzeichnen. Hessen liegt mit einem durchschnittlichen Kaufwert von 14 326 Euro je Hektar veräußerter landwirtschaftlicher Flächen im Jahre 2015 im unteren Drittel. Bayern hält hier die Spitze mit 47 358 Euro je ha. Der Referent führte aus, dass die Umschichtung von Vermögen durch Investoren aus anderen Sektoren in die Landwirtschaft, insbesondere durch die Übertragung von sämtlichen Anteilen wie einer Kapitalgesellschaft (share-deals) keiner Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz (GrdstVG) bedarf.

Investoren zerstören Bewirtschaftungsstruktur

So konnten auch Nicht-Landwirte, wie beispielsweise der Brillenhersteller Fielmann erhebliche Flächen in Nord- und Ost­deutschland erwerben. Sinn und Zweck des GrstVG sei eigentlich die „Abwehr von Gefahren“ für die Agrarstruktur, für den einzelnen Betrieb und für die Gesellschaft insgesamt, wie die Erhaltung einer „gesunden“ Struktur leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe. Auch die Abwehr überhöhter Kaufpreise für landwirtschaftliche Flächen soll mit dem GrdstVG erreicht werden. Das Vorkaufsrecht solle den Landwirten den Erwerb von Flächen ermöglichen. Er kritisierte aber, dass die Vorkaufsausübung das Gegenteil bewirken könne, weil 22 Prozent der Agrarflächen über dem Kaufpreis gehandelt werden.

Sonderregelungen der Bundesländer

Prof. Dr. Martina Klärle, Hessische Landgesellschaft (HLG), Kassel.

Foto: Heinz Gengenbach

Die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz im landwirtschaftlichen Grundstücksverkehr, dem landwirtschaftlichen Pachtwesen und dem Siedlungswesen liegt laut Art. 70 GG bei den einzelnen Bundesländern. Hessen hat die Grenze von kleiner 0,25 ha für die genehmigungsfreie Veräußerung eines Grundstücks, das nicht bebaut ist, beibehalten. Die Kreisausschüsse sind jeweils die zuständigen Behörden nach § 3 Abs. 1 GrdstVG. Joachim Netz beklagte, unzureichendes Personal bei den Behörden und eine unzureichende Umsetzung und Anwendung des GrdstVG durch die Genehmigungsbehörden.

Beispiele für „Bauernland in Bürgerhand“

Agrarwissenschaftler Dr. Titus Bahner ist im Vorstand von „Kulturland“ tätig, einer Genossenschaft mit derzeit 210 Mitgliedern und einem Gesamtvolumen von 1,4 Mio. Euro. Mit sieben landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland, darunter auch einer in Hessen, besteht eine Kooperation. Mittlerweile sind mithilfe von Genossenschaftsanteilen, Darlehen und stillen Beteiligungen insgesamt 51 ha „freigekauft“ worden.

Voraussetzungen zur Teilnahme erläutert

Erklärtes Ziel der Genossenschaft sei es, außerlandwirtschaftliches Geld zu nutzen. Der erworbene Boden wird an die weiterhin selbständigen Landwirte zu ortsüblichen Bedingungen verpachtet, ist jedoch vom Kaufpreis abgekoppelt. Um als Hof bei Kulturland mitmachen zu können, gelten unter anderem folgende Voraussetzungen: Landwirtschaftliche Betriebe sollten Ökolandbau betreiben und ihre Höfe für interessierte Menschen im direkten Umfeld öffnen.

Landerwerb in Form von Aktien

Vom „AllmendeLand Projekt Kassel“ berichtete Heinz-Ulrich Eisner. Bisher sind erste Ãœberlegungen über die Rechtsform angestellt worden. Angedacht ist, das Kapital für den Landerwerb in Form von Aktien einer Kommanditgesellschaft aufzubringen. Als Vorteile gegenüber einer Genossenschaft sieht Eisner, dass so der Gesellschaft das Kapital nicht entzogen werden könne.

Gengenbach, LLH Griesheim – LW 4/2017