Darlehen kündigen – möglich und sinnvoll?

Möglichkeiten, die Zinslast für das Fremdkapital zu senken

Wie lange das derzeitig historisch niedrige­ Zinsniveau für Darlehen noch anhält ist fraglich. Die große Trendwende ist, auch vor dem Hintergrund der aktuellen Leitzinspolitik, bislang nicht in Sicht, allerdings rechnen Experten mittel- bis langfristig wieder mit steigenden Darlehenszinsen. Wie der vorzeitige Ausstieg aus einem laufenden Darlehensvertrag möglich ist und was dabei zu berücksichtigen ist, wird im Folgenden erklärt.

Das Zinsniveau liegt derzeit niedrig, so ist es durchaus überlegenswert, einen Darlehensvertrag eventuell vorzeitig zu kündigen. Allerdings ist hierbei einiges zu beachten.

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Bevor die Darlehenszinsen wieder steigen, sollten sich vor allem Darlehensnehmer, im weiteren Text „Kunden“ genannt, mit älteren Darlehen Gedanken über eine mögliche Umschuldung machen. Allerdings ist dies nicht ohne weiteres möglich. Je nach Laufzeit ist unter Umständen dem Darlehensgeber, im weiteren Text „Bank“, eine Entschädigung, das sogenannte und später noch zu erklärende Vorfälligkeitsentgelt, zu bezahlen.

Aktuell bieten sich prinzipiell drei Möglichkeiten der Verfahrensweise an:

Alles bleibt wie es ist. Nachdem die bestehende Zinsbindung ausgelaufen ist, werden Zinssatz, Laufzeit und die Höhe der zu zahlenden Raten (ergibt sich neben der Höhe des Zinssatzes auch aus der Höhe der Tilgung) neu verhandelt. Der laufende Darlehensvertrag wird gekündigt und zu den noch günstigen aktuellen Konditionen möglichst langfristig neu abgeschlossen. Die bisherigen Darlehensverträge bleiben bestehen. Zeitgleich werden die aktuellen Konditionen durch ein ebenfalls noch zu erklärendes Forward-Darlehen festgeschrieben. Dieses greift dann, wenn die bisherigen Darlehen auslaufen.

Kostenloses Kündigungsrecht bei Zinsbindung über zehn Jahren

In „Variante 1“ gibt es wenig Handlungsbedarf für den Kunden, da alles so bleibt wie es im Darlehensvertrag festgeschrieben steht. Allerdings gibt es bei Darlehen, deren vertragliche Zinsbindung über zehn Jahre hinausgeht, ein einseitiges kostenloses Kündigungsrecht für den Kunden. Dieses Kündigungsrecht wird durch EU-Recht zugesichert. Hierbei ist allerdings eine Kündigungsfrist von sechs Monaten einzuhalten. Positiv in diesem Zusammenhang ist, dass die Bank in diesem Fall keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen darf. Die Zehn-Jahres-Frist beginnt an dem Tag des vollständigen Leistungsempfanges (der vollständigen Darlehensauszahlung). Dies muss somit nicht zwingend das Datum des Darlehensvertrages sein. Ist das Darlehen während einer Bauphase in verschiedenen Teilen ausgezahlt worden, so wird, wie rechtlich vorgesehen, oftmals der Tag der letzten Teilauszahlung als Startpunkt der Frist herangezogen. Dies gilt es dementsprechend indivi­duell mit der Bank abzuklären.

Wann ist eine vorzeitige Kündigung möglich?

Bei „Variante 2“ gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder die Bank stimmt der Vertrags­kündigung und Aufhebung zu oder nicht. Wie in Va­rian­te 1 schon beschrieben wurde, gibt es nur bei Zinsbindungsfristen von mehr als zehn Jahren ein einseitiges Kündigungsrecht durch den Darlehensnehmer. Bei Zinsbindungsfristen von bis zu zehn Jahren ist (mit zwei Ausnahmen, wie der Verkauf einer finanzierten Immobilie oder Versagung der Ausdehnung einer laufenden Finanzierung) keine vorzeitige Kündigung vorgesehen. Daher kann die Bank der Auflösung zustimmen, muss dies aber nicht. Sollte sie sich dennoch darauf einlassen, ist dies als eine freiwillige Leistung anzusehen und sie darf für die ihr entstehenden finanziellen Verluste durch den zukünftigen Zins­ausfall eine entsprechende Forderung, die Vorfälligkeitsentschädigung, in Rechnung stellen. Es ist denkbar, dass Banken einer Auflösung eher zustimmen, wenn eine Anschlussfinanzierung bei derselben Bank abgeschlossen wird. Allerdings ist es eher unwahrscheinlich, dass sie in diesem Zusammenhang auf eine Vorfälligkeitsentschädigung verzichten wird. Die Vorfälligkeitsentschädigung dient als Schadensersatz für den Zins­ausfall. Der Bank entsteht nämlich auf alle Fälle dann ein Schaden, wenn der im bisherigen Vertrag festgeschriebene Zinssatz den aktuellen Zinssatz übersteigt.

Die Bank muss das im Darlehen verliehene Geld ihrerseits refinanzieren, was üblicherweise fristengleich zum vergebenen Darlehen geschieht. Dies bedeutet, dass für die Refinanzierung eines Darlehens mit zehnjähriger Zinsbindungsfrist eine Gegenfinanzierung (über Einlagen oder Anleihen) mit ebenfalls zehn Jahren Laufzeit eingegangen wird. Da die Bank das durch die vorzeitige Kündigung zurückgezahlte Geld nun nur zu den aktuell gültigen Marktkonditionen und nicht zu den zu Beginn des Darlehens gültigen Konditionen anlegen kann, entsteht ihr ein sogenannter Refinanzierungsschaden. Üblicherweise verzinsen Banken Einlagen geringer als Darlehen. Liegt beispielsweise der Zins für ein über zehn Jahre vergebenes Darlehen bei 4,5 Prozent und zahlt die Bank auf die Kundeneinlage oder auf ein selbst aufgenommenes Darlehen über die gleiche Laufzeit drei Prozent, erwirtschaftet diese über zehn Jahre einen Gewinn (Marge) von 1,5 Prozent pro Jahr.

Daher kann sich der Refinanzierungsschaden unter Umständen noch um den Margenschaden vergrößern, weil durch die frühzeitige Rückzahlung die ursprüngliche Gewinnkalkulation (Differenz zwischen Einlagenzins und Darlehenszins) nicht mehr erreicht wird. Bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung ist die Bank gesetzlich dazu verpflichtet, das vorzeitig zurückgezahlte Geld mindestens mit den von der Bundesbank festgesetzten und regelmäßig veröffentlichten Anlagezinssätzen zu bewerten und diese Bewertung den Kunden offen zu legen. Möglicherweise verwendet die Bank auch ihre eigenen höheren Anlagezinssätze. Zusätzlich zu den Zinsbewertungen sind eventuell vereinbarte Sondertilgungsrechte und Tilgungssatzwechsel schadensmindernd zu berücksichtigen. Zur Orientierung kann mit Hilfe verschiedener Vorfälligkeitsrechner im Internet eine Vorkalkulation und Überprüfung vorgenommen werden. Bevor es allerdings zur tatsächlichen Kündigung des Darlehens kommt, sollte man sich von der Bank die eventuell geforderte Vorfälligkeitsentschädigung berechnen und bestätigen lassen. Gibt es große Diskrepanzen zwischen der von der Bank und der eigenen berechneten Vorfälligkeitsentschädigung, sollte noch einmal das Gespräch mit der Bank gesucht werden.

Frühzeitige Kündigung eines Darlehens und Auswirkung

Die Übersicht stellt vereinfacht dar, wie sich eine frühzeitige Kündigung eines Darlehenvertrages, abhängig vom Kündigungszeitpunkt finan­ziell auswirken kann.

Beispiel:

  • Tilgungsdarlehen mit vierteljährlicher Zahlung,
  • derzeitige Darlehenshöhe (Valuta): 240 000 Euro,
  • Restlaufzeit noch acht Jahre,
  • Zinssatz des laufenden Darlehens: 5,5 Prozent (verbleibende Zinsbindungsdauer ein Jahr),
  • neuer möglicher Zinssatz für die Dauer der Restlaufzeit: 2,5 Prozent.

In diesem Beispiel wird aus Vereinfachungsgründen nur auf den der Bank entstehenden Refinanzierungsschaden Bezug genommen, weshalb dieses Beispiel nur als „Richtschnur“ für vergleichbare, aber unter Umständen komplexere Kalkulationen verstanden werden kann. Um die Unterschiede der Vorfälligkeitsentgelte in Abhängigkeit des frühzeitigeren Ausstieges darzustellen, werden auch die Varianten „Ausstieg zwei, drei und vier Jahre vor Zinsbindung“ dargestellt. Im Rahmen dieser Kalkulation wurden den oben genannten Statistiken der Bundesbank die Anlagezinsen für den Stand September 2015 entnommen und zugrunde gelegt. Demnach beträgt der Zinsschaden für die Bank bei einer Restlaufzeit der bisherigen Zinsfestschreibung von einem Jahr 5,34 Prozent (5,5 Prozent laut Darlehensvertrag abzüglich des Anlagezinssatzes von 0,16 Prozent), was einem Geldbetrag von 11 445 Euro entspricht. Da der Schaden aber heute entsteht (sprich die Vorfälligkeits­entschädigung heute zu zahlen wäre), die Zinsen aber erst im Laufe oder am Ende des Jahres an die Bank fließen, muss dieser Betrag auf den Zeitpunkt „0“ (also heute) abgezinst oder diskontiert werden.

Wann rechnet sich der frühzeitige Ausstieg für den Kunden?

Zukünftige Zinsentwicklungen sind leider kaum vorherzusagen.

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Als Zinsfuß für die Diskontierung ist mindestens der Anlagezins aus der Bundesbankstatistik heranzuziehen, weil ja die Bank zu diesen Konditionen das Geld anlegen könnte. Basierend auf den bereits erwähnten Zinssätzen der Bundesbankstatistik errechnet sich für unser Beispiel ein Schaden von 11 427 Euro, welcher dem Kunden dann in Rechnung gestellt wird. Allerdings ergibt sich für den Kunden nun durch das neue Darlehen zu günstigeren Konditionen (2,5 Prozent) der Vorteil der geringeren Zinszahlungen. Durch die neuen Konditionen würde der Kunde gegenüber dem alten Zinssatz in Höhe von 5,5 Prozent im ersten Jahr 6 852 Euro sparen. Allerdings muss diese Zinsersparnis mit dem Zinsschaden der Bank verrechnet werden, weil dieser dem Kunden in Rechnung gestellt würde. Hieraus ergibt sich ein „Verlust“ von 4 575 Euro. Wie auch der Ãœbersicht entnommen werden kann, wird der Verlust umso größer, je frühzeitiger aus der Zinsbindung ausgestiegen wird. Die Frage, die sich an diesen Sachverhalt anschließt, lautet: Wann rechnet sich der frühzeitige Ausstieg für den Kunden? Die Antwort liegt in der Entwicklung des Zinssatzes zwischen dem Zeitpunkt des frühzeitigen Ausstieges und dem Ende der regulären Zinssbindung. Diese bedingt nämlich, ob die Zinszahlungen, die wegen des zukünftigen Zinses zu erbringen sind, den errechneten „Verlust“ ausgleichen können.

Die „notwendigen“ Zinssteigerungen, die einen frühzeitigen Ausstieg rechnerisch sinnvoll machen, können ebenso der Ãœbersicht entnommen werden. Während sich der Ausstieg ein Jahr vor Ende der Zinsbindung bereits bei einem Zinsanstieg um mindestens 0,6 Prozent amortisiert, wird bei einem frühzeitigeren Ausstieg von vier Jahren (vier Jahre vor Ende der Zinsbindung) die Amortisation erst bei einem Zinsanstieg von 6,51 Prozent erreicht. Das bedeutet, dass im ersten Fall, der Zinssatz von den im Beispiel angenommenen 2,5 auf 3,1 Prozent und im Fall des vier Jahre früheren Ausstieges auf 9,01 Prozent steigen müsste.

Forward-Darlehen kann eine Alternative sein

Die zukünftigen Zinsentwicklungen sind allerdings auch mit detaillierten Marktkenntnissen nur sehr schwer oder kaum vorherzusagen. Während, wie die Vergangenheit gezeigt hat, ein Anstieg binnen Jahresfrist um 0,6 Prozent durchaus noch im Bereich des Möglichen liegen kann, ist ein Anstieg der Zinsen um 6,51 Prozent innerhalb von vier Jahren doch eher unwahrscheinlich. Deshalb wird die Entscheidung frühzeitig aus einem Darlehensvertrag auszusteigen, in den beschriebenen Situationen wohl auch von der individuellen Risikofreudigkeit des jeweiligen Kunden abhängig sein. Die dritte Variante war durch den Abschluss eines „Forward-Darlehens“ das derzeitige Zinsniveau zu sichern. Es stellt somit eine Art Versicherung gegen steigende Zinsen dar. Sollten bestehende Kredite nicht abgelöst werden können, weil die Bank nicht mitspielt oder die Zahlung hoher Vor­fällig­keits­ent­schä­digung vermieden werden soll, empfiehlt sich der Abschluss eines solchen Darlehens.

Je weiter die Zinssicherung läuft, umso teurer wird der Kredit

Auch für diejenigen, deren Investi­tion (beispielsweise eine Baumaßnahme) erst in ein bis zwei Jahren ansteht, bietet das Forward-Darlehen die Möglichkeit, die aktuellen Zinsen zu sichern. Doch ist dies oftmals nicht zum Nulltarif zu haben. Diese Reservierung ist je nach Bank mit unterschiedlich hohen Zinszuschlägen verbunden. Während manche Banken gänzlich auf diese Zuschläge verzichten, können bei anderen Banken, bei beispielsweise zweijähriger Zinssicherung bis zu 1,5 Prozentpunkte Risikozuschlag zum derzeitigen Zinssatz hinzukommen. Kurz gesagt: Je länger die Phase der Zinssicherung, desto höher ist auch der Zinszuschlag. Sollten in dem abgesicherten Zeitraum die Zinsen allerdings weniger stark steigen oder sogar weiter sinken, hat der Kunde ein schlechtes Geschäft gemacht, da das Forward-Darlehen nun tatsächlich zu den vereinbarten Konditionen abgerufen werden muss. Änderungen wären dann höchstens durch ein entsprechend freiwilliges Entgegenkommen der Bank möglich und sehr wahrscheinlich wiederum mit einer mehr oder weniger hohen Vorfälligkeitsentschädigung verbunden.

Eine allgemeine Empfehlung ist nicht möglich, Einzelfall prüfen

Betrachtet man sich die Zinsentwicklung seit der Finanzkrise im Jahr 2008, so kann festgestellt werden, dass die Entwicklung der Zinsen für Baumaßnahmen bis zum Frühjahr 2015 trotz aller Warnungen nur eine Richtung kannte: nach unten. Deshalb war in diesem Zeitraum ein Forward-Darlehen die schlechtere Alternative zum einfachen Abwarten. Sollte sich die Entwicklung der Zinssätze mittel- bis langfristig wieder umkehren, würde sich ein Forward-Darlehen rentieren. Vergleicht man die Einspareffekte zwischen entfallender Vorfälligkeitsentschädigung und zu zahlendem Zinszuschlag, so wird die Vorzüglichkeit des Forward-Darlehens deutlich. Dieser Effekt vergrößert sich umso mehr, je länger die verbleibende Zinsbindungsdauer des bisherigen Darlehens läuft. Festzuhalten bleibt: In der Folge der Finanzkrise 2008 hat sich auf den Kapitalmärkten ein historisch niedriges Zinsniveau entwickelt. Jedoch scheint die Talsohle erreicht zu sein und erste gegenläufige Entwicklungen sind bereits wahrnehmbar. Wer also in laufenden Darlehensverträgen mit ungünstigen Zinsverpflichtungen gebunden ist, sich das gegenwärtig günstige Niveau sichern und sich gegen wahrscheinlich steigende Zinsen zukünftig absichern möchte, hat zwei Möglichkeiten auf die aktuellen Entwicklungen zu reagieren:

Der vorzeitige Ausstieg aus dem laufenden Darlehensvertrag ist innerhalb der Zinsbindungsfrist möglich, wenn der Darlehensgeber (Bank) damit einverstanden ist. Das ist aber in der Regel mit der Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung verbunden. Durch die Vorfälligkeitsentschädigung wird der Ertragsausfall des Darlehensgebers kom­pensiert. Die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung wird einerseits vom Unterschied des im laufenden Darlehensvertrag festgelegten Zinses und den Refinanzierungsmöglichkeiten des Darlehensgebers und andererseits von der Restlaufzeit des Darlehens und der restlichen Zinsbindungsfrist bestimmt.

Ob sich ein Ausstieg für den Darlehensnehmer rechnet?

Die Frage, ob sich der frühzeitige Ausstieg für den Darlehensnehmer rechnet, ist schwierig zu beantworten, da dies maßgeblich durch die Zinsentwicklung zwischen frühzeitigem Ausstieg („heute“) und regulärem Ende der Zinsbindung („Zukunft“) beeinflusst wird. Da es sich hierbei um zukünftige Entwicklungen handelt, die schwer vorherzusehen sind, beinhaltet der frühzeitige Ausstieg ein hohes Risiko. Als Alternative zur Kündigung mit Vorfälligkeitsentschädigung bietet sich das sogenannte „Forward-Darlehen“ an. Hierbei kann man bei Befürchtungen, dass die derzeitigen günstigen Zinsen ansteigen werden, bereits heute das aktuelle Zinsniveau für die Zukunft sichern. Die Darlehensgeber werden hier aber auch Zinsaufschläge berechnen. Die Höhe dieser (derzeit moderaten) Aufschläge ist ein Indiz für die vom Darlehensgeber eingeschätzte Wahrscheinlichkeit des künftigen Zinsanstieges. Sollten die Zinsen sich aber in die entgegengesetzte Richtung entwickeln, das Geld also „preiswerter“ werden, so besteht für den Darlehensnehmer eine Abnahmeverpflichtung zu den vereinbarten Konditionen.

Dr. Christian Hill DLR Rheinpfalz Neustadt – LW 43/2016