Demonstration und Kundgebung der Weidetierhalter

„Der Wolf ist ein Vollprofi und töten ist sein Geschäft“

Mit einer großen Kundgebung auf dem Luisenplatz in der Wiesbadener Innenstadt am Mittwoch vergangener Woche machten Hessens Schaf- und Weidetierhalter auf die für sie unannehmbare Situation vermehrter Angriffe des Wolfes auf Weidetiere mit gerissenen Schafen, Lämmern und versprengten Mutterkühen und Kälbern aufmerksam. Neun Redner der Tierhalterseite beschrieben die Auswirkungen auf die Weidetierhaltung insgesamt mit Stichworten wie Tierverluste, Verlammungen, Beeinträchtigung der Hütefähigkeit, Zeit- und Geldaufwand für Schutzmaßnahmen, Umkehr der Beweislast bis hin zu starken emotionalen Traumata der Schafhalter, die ihre Tiere nicht schützen konnten und sich hilflos und von der Politik allein gelassen einem intelligenten Raubtier gegenübersehen.

Ihre Unterstützung für die Schafzüchter brachten Vertreter landwirtschaftlicher oder der Landwirtschaft nahestehenden Verbände durch Teilnahme an Demonstrationszug und Kundgebung zum Ausdruck. Im Bild von links: HBV-Vizepräsident Thomas Kunz, Klaus Biedenkopf, Geschäftsführer des Verbandes der Pony- und Pferdezüchter Hessen, Dr. Wolfgang Kubens, stellvertretender Vorsitzender des Pferdesportverbandes Hessen, Armin Müller vom Verband der Jagdgenossenschaften, Hans Trumpfheller vom Regionalbauernverband Starkenburg, Olaf Pulch, Katja Berbalk und ganz rechts Tim Treis, Verein Ökologischer Landbau.

Foto: Dietz

„Es ist fünf nach zwölf“ skandierten die Demonstrationsteilnehmer auf ihrem Zug ihre Einschätzung der Lage. Reinhard Heintz, Vorsitzender der Hessischen Schafzüchter, legte den Finger in die Wunde: „Das Gerede von einer friedlichen Koexistenz von Weidetierhaltung und wildlebenden Wölfen ist eine Mär“, stellte er unter Beifall der Demonstranten fest und weiter „Die Existenz unserer Familienbetriebe soll auf dem Altar des angeblich größten Erfolgs des Naturschutzes, der Rückkehr des Wolfes in unsere Weidegebiete geopfert werden.“ In Osteuropa, wo die Wölfe nie ausgerottet worden seien, laufe ein knallharter Überlebenskampf, in dem die Weidetierhalter und Jäger nicht lange fackelten, wenn Übergriffe durch Wölfe zu befürchten seien. „Wir aber werden geknebelt, dürfen unsere Tiere nicht wirksam schützen und werden dann auch noch zur Ordnung gerufen, wenn Schutzzäune bestimmte Vorgaben nicht erfüllen“, machte Heintz seinem Ärger Luft.

Wolfskuschelkurs der Wolfsfreunde praxisfremd

Der Wolfskuschelkurs, den die Politik im Angesicht von finanzkräftiger und geschickter Lobbyarbeit der sogenannten „Wolfsfreunde“ betrieben, sei völlig praxisfremd im Alltag der Weidewirtschaft. Die Rückkehr des Wolfes nach Hessen in die Weidegebiete der Tierhalter sei der Politik wichtiger als die offenen Landschaften der hessischen Mittelgebirge. Aussagen von Naturschutzbehörden, wie wichtig die Beweidung der offenen Landschaften für die Erhaltung der Biodiversität sei, seien für die Weidetierhalter nichts neues. „Wir und unsere Vorfahren haben mit unseren Tieren diese Vielfalt geschaffen. Wenn wir aus Rücksichtslosigkeit zur Aufgabe unserer Betriebe gezwungen werden, ist das alles verloren“, so Heintz. Hier wisse die eine Hand der Naturschutzpolitik nicht, was die andere anrichte. „Die Sorgen und der ständig steigende Stress um die Sicherheit unserer Weidetiere machen uns und unsere gesamten Familien neben den vielen anderen Problemen krank“, bekräftigte er seinen Hilferuf an die Politik und überreichte Staatsministerin Priska Hinz einen Forderungskatalog seines Verbandes.

Rita Meilinger-Balser, Vorsitzende des Hessischen Ziegenzuchtverbandes, nahm Bezug auf das Märchen vom bösen Wolf und den sieben Geißlein. Die Wolfsfreunde hätten dem Räuber eine weiche Stimme und eine weiße Pfote gegeben, damit er sich ungefährdet über die Weidetiere her machen könne. Gekleidet im Kostüm eines Zickleins sagte sie: „Ich bin das siebte Zicklein aus dem Uhrkasten. In der Realität gibt es kein Happy End. Meine Geschwister sind alle tot und der Räuber tötet weiter. Halten Sie uns den Wolf vom Leibe!“, appellierte sie an die anwesenden Politiker.

Bernd Keller, Vorsitzender des Odenwälder Schäfervereins, sieht die Schafhaltung in seinem Bereich auf der Kippe. „90 Prozent unserer Mitglieder sind Tierhalter im Nebenerwerb. „Glauben sie nicht, dass die nach Wolfsrissen einfach weiter machen. Der Anblick von aus dem Mutterleib herausgerissenen Lämmern, das ist emotional gar nicht auszuhalten“, beschrieb er Erfahrungen der von Wolfsrissen getroffenen Berufskollegen. „Schafe, Lämmer, Kälber und Fohlen sind Lebewesen, keine Sachen. Erlauben Sie den Hirten, ihre Tiere wirksam zu schützen“, forderte er von der Politik.

„Die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber keineswegs ausreichend. Der Wolf gehört nicht in die Grünlandregionen. Der Hessische Bauernverband steht voll hinter Euch.“ Mit diesen Worten sagte HBV-Vizepräsident Volker Lein den Weidetierhaltern die Unterstützung des Berufsstandes zu. An die Politik gerichtet forderte er: „Haben Sie Courage, beenden Sie den Kuschelkurs und laden Sie nicht die ganze Last auf die Weidetierhalter ab!“

Mutterkuhhalter Thomas Wicke unterstrich die enge Bindung der Weidetierhalter zu ihren Tieren. „Ich kenne alle meine Tiere mit Namen. Ein Kalb ist nicht einfach nur Kalb. Es hat Vater und Mutter. Ich begleite die Tiere lebenslang bis zur letzten Minute und kann meinen Kunden im Direktabsatz Auskunft darüber geben.“ Nach Wicke müsse der Wolf lernen, mit den Menschen zu leben und nicht umgekehrt. „Jeder Wolf, der ein Weidetier reißt, muss entnommen werden, ich hoffe auf klare Worte und keine Sonntagsrede von der Politik“, so seine klare Ansage.

Hinz: „Der Wolf hat das gleiche Recht auf Leben“

Ministerin Priska Hinz beschrieb die rechtliche Situation mit den Worten: „Der Wolf hat das gleiche Recht auf Leben wie alle anderen ansässigen Tiere. Parolen wie der Wolf muss weg, nutzen nichts. Wir müssen lernen, mit ihm zu leben und gemeinsam Prävention betreiben. Meine und die Unterstützung der Landesregierung haben Sie“, versprach sie den Tierhaltern. Diese Aussagen quittierten die angesprochenen mit lautstarkem Protest und Rufen wie „Almosen“, „Zumutung“, „31 oder 40 Euro pro Hektar sind der blanke Hohn“ oder „Augenwischerei“.

Hessen habe, so die Ministerin weiter, im Bundesrat eine Initiative für eine echte Weidetierprämie eingebracht, leider ohne Erfolg. Derzeit arbeite das Ministerium an einer Richtlinie zur Entschädigung bei Wolfsrissen, deren Entwurf sie gerne gemeinsam mit dem Schafzuchtverband in einem Gespräch Ende Januar erörtern wolle. Kurzfristig sei geplant, die bisherige Summe von 31 Euro pro Hektar auf 40 Euro zu erhöhen.

Wolfsbewirtschaftung im Jagdrecht regeln

Die Stellungnahmen aus den Fraktionen im Landtag fielen differenziert aus. Lena Arnoldt von der CDU erkannte die Leistungen der Weidetierhalter für den Naturschutz an und sagte klipp und klar, dass 31 Euro pro Hektar nicht ausreichen und Entschädigungsleistungen unbürokratisch abgewickelt werden müssten. „Auffällige Wölfe müssen aus der Landschaft entnommen werden um Schäden abzuwehren. Die Bewirtschaftung des Wolfes ist erforderlich und muss über das Jagdrecht geregelt werden“, so ihre klare Aussage.

Wiebke Knell von der FDP sprach von einer „urbanen Arroganz“ der Landesregierung und dass es Zeit sei, dass das aufhört“. Der Wolf müsse sich dem Menschen anpassen, nicht umgekehrt. Ihre Fraktion fordere, die Angelegenheit im Jagdrecht zu verankern. Heinz Lotz von der SPD führte zwei Kleine Anfragen ins Feld, die er 2015 und 2019 an die Landesregierung gestellt hatte. Vor fünf Jahren sei das Thema Wolf von Staatssekretärin Dr. Tappeser nicht ernst genommen worden. „Auch in den folgenden Jahren hat die Landesregierung zum Thema Wolfsmanagement nichts zustande gebracht. Es wird Zeit, dass sie liefert“.

Nach Mark Männle, hauptberuflicher Schäfer in Brandenburg, ist der Wolf ein „Vollprofi, und töten ist sein Geschäft“. Um große Schäden abzuwenden, sei eine sofortige Entnahme erforderlich. „Der Wolf lernt spätestens nach zwei Jahren, wie er jeden Zaun überwindet. Bei ausreichender Futtergrundlage wächst die Population jährlich um 30 Prozent. Ihr Hessen wisst noch gar nicht, was auf euch zukommt“. Es müssten klare Regelungen her wie im Baltikum, Schweden oder Finnland, wo konsequent Wölfe zum Schutz der Weidetiere entnommen werden.

Dz – LW 4/2020