Effiziente Belichtungstechnik zum Kartoffelvorkeimen

360°-Kartoffel-Vorkeimleuchte und neue transparente Vorkeimkisten

Zur Etablierung eines gesunden und ertragreichen Kartoffelbestandes spielt die ordnungsgemäße Handhabung und Behandlung des Pflanzkartoffelgutes während der Vorkeimung in den Betrieben eine übergeordnete Rolle. Ausschlaggebend sind vor allem die phytosanitären Bedingungen innerhalb der eingesetzten Vorkeimräume, die Klimasteuerung zur Regulierung der Luftfeuchtigkeit und Temperatur sowie die eingesetzte Belichtungstechnik, welche den größten Einfluss auf kurze und stabile Keimansätze hat.

Einsatz der neuen 360°-Kartoffel-Vorkeimleuchten.

Foto: M. Pippert

Durch die künstliche Belichtung sollen die für das menschliche Auge noch unscheinbaren Kartoffelkeime sofort zu gezielten Stoffwechselprozessen angeregt werden, die dafür sorgen, dass die Keime kurz und stabil bleiben und darüber hinaus einen hohen Knospenansatz aufweisen. Auch die damit verbundene Bildung von Polyphenolen – sogenannte Antioxidantien – an den Kartoffelkeimen fördert die Widerstandsfähigkeit gegen spätere Krankheitsinfektionspotenziale im Pflanzdamm. Um die beschriebenen pflanzenphysiologischen Wirkungen des Lichtes zu , ist es wichtig, dass die während der Vorkeimung installierten künstlichen Lichtquellen eine ausreichende spektrale Lichtverteilung innerhalb des sichtbaren Lichtes (380 bis 760 nm) besitzen. Vor allem der blauviolette Bereich (380 bis 440 nm) und der UVA-Bereich (380 bis 315 nm) hemmen die Gibberellin-Synthese und somit das Längenwachstum der Keime. Darüber hinaus kann durch einen minimalen UV-Anteil die Auxin-Synthese reduziert werden, was zur Verminderung der Apikaldominanz führt. Hierdurch wird ebenfalls eine Minderung des Längenwachstums und der damit verbundenen Keimabbrüche während des Legens erreicht.

Im Hinblick auf die oben beschriebenen pflanzenphysiologischen Zusammenhänge versuchen Kartoffelerzeuger frühe und mittelfrühe Sorten schon seit mehreren Jahrzehnten mit herkömmlichen Standardleuchten zu belichten. Dieses in der Praxis noch weit verbreitete Belichtungsverfahren ist hinsichtlich einer gleichmäßigen und ausreichenden Belichtungswirkung ineffizient und nur bedingt ausreichend. Hierfür gibt es mehrere Gründe:

Eine herkömmlich eingesetzte Standardleuchte ist mit ihrem Leuchtstoffmittel für Raumtemperaturen von 22 bis 25° C ausgelegt. Die anzustrebende Vorkeimtemperatur von 4 bis 6° C verringert bei den herkömmlichen Leuchtstofflampen die Lichtstrahlung um bis zu 40 Prozent.

Die Lichtverteilung einer herkömmlichen Standardleuchte erlaubt bei einer vertikalen Installation nur einen Belichtungswinkel von 180°, weshalb für eine gleichmäßige Lichtverteilung mindestens zwei Standardleuchten pro Installationspunkt notwendig sind. Die bei einer Standardleuchte vorhandenen Montagemöglichkeiten erlauben keine optimale Positionierung des Leuchtkörpers.

Die neue 360°-Kartoffel-Vorkeimleuchte

Aufgrund der oben beschriebenen Belichtungsproblematik wurde ein ganz neues Belichtungskonzept entwickelt, das alle erwähnten Schwachpunkte eliminiert. Herausgekommen ist eine „360°-Kartoffel-Vorkeimleuchte“, die im Niedertemperaturbereich eine 55 Prozent höhere Belichtungsstärke im Vergleich zu einer Standardleuchte aufweist. Damit bietet das neue Belichtungskonzept gleichzeitig ökologische und ökonomische Vorteile:

  • Durch den 360°-Rundumleuchtkörper wird die Anzahl der notwendigen Leuchten auf die Hälfte reduziert.
  • Darüber hinaus sorgt ein im Leuchtkörper verbautes elektronisches Vorschaltgerät für eine sehr effiziente Lichtumwandlung ohne große Wärmeentwicklung.
  • Im Vergleich zu einer Standardbelichtung kann aufgrund der geringeren Lampenanzahl und der besseren Lichtausbeute bis zu 70 Prozent Strom eingespart werden.
  • Eine optimale Positionierung des Leuchtkörpers durch eine integrierte Halterungsklemme, ermöglicht die Aufhängmontage bei doppelstöckigen Palettensystemen ohne Leiter.

Homogene Belichtung durch die 360°-Kartoffel-Vorkeimleuchte.

Foto: M. Pipper

Neben den schon beschriebenen praktischen und pflanzenphysiologischen Vorteilen des neuen Belichtungssystems bietet die neue „360° Kartoffel-Vorkeimleuchte“ vor allem auch einen betriebswirtschaftlichen Nutzen. Dieser resultiert einerseits aus der Halbierung der notwendigen Lampenanzahl (360° Wirkungsspektrum) und dem dabei gleichzeitig sehr niedrigen Strombedarf von nur 38,5 Watt pro Leuchte gegenüber 58 bis 70 Watt der herkömmlichen Leuchten.

Vergleicht man das neue Belichtungssystem mit den herkömmlichen Belichtungssystemen und berücksichtigt mit Hilfe der Kapitalwertmethode einen kalkulatorischen Zinssatz in Höhe von sogar 6 Prozent, ergibt sich bei einem Hektar Vorkeimleistung mit 2 500 kg Pflanzgut (entspricht sechs Paletten) und einer zweimonatigen Belichtungszeit (60 Tage) sowie einem durchschnittlichen Strompreis von 0,26 Euro/kWh eine Kosteneinsparung von 150 Euro pro Hektar und Jahr. Die dabei resultierende Amortisationszeit beträgt ohne Berücksichtigung einer Strompreissteigerung vier Jahre.

Höhere Belichtungswirkung durch transparente Vorkeimkisten

Um die Lichteinwirkung auf die zu keimenden Kartoffeln zu verbessern und die beschriebenen Vorteile des neuen Belichtungssystems noch besser nutzen zu können, ist der Einsatz transparenter Vorkeimkisten sehr empfehlenswert. Vor allem da hierdurch auch geringe Lichtmengen zwischen den einzelnen Kartoffelschichten innerhalb jeder Vorkeimkiste auftreffen können und darüber hinaus die Schatten- wirkung der Kistenstege verringert wird.

Eine UVA und UVB Transparenz ist durch das neue Kistensystem nicht möglich aufgrund der konstruktionsbedingten Stärke der Kistenwandungen (2 bis 2,2 mm) und des verwendeten Kunststoffes. Dennoch kann mit einer deutlich sichtbar höheren Lichteinwirkung gegenüber den herkömmlichen weißen Kisten gerechnet werden.

Das neue Belichtungssystem hat seinen Ursprung in Rheinland Pfalz. Hier arbeiten schon insgesamt 62 Betriebe seit Winter 2011 mit der neuen 360°- Kartoffel-Vorkeimleuchte. Innerhalb der letzten drei Vorkeimsaisons (2011/2012, 2012/2013 und 2013/2014) konnten alleine in Rheinland Pfalz bei Berücksichtigung einer Vorkeimzeit von 50 Tagen insgesamt 132 540 kWh Strom gegenüber einem herkömmlichen Belichtungssystem eingespart werden. Diese Stromeinsparung entspricht einer CO2-Verringerung von 84,7 Tonnen bei Berücksichtigung einer reinen Erdgasstromerzeugung.

Im gesamten Bundesgebiet wird momentan durch das neue Belichtungssystem schon eine Stromeinsparung von zirka 382 000 kWh erreicht. Diese Strommenge entspricht einer CO2-Einsparung von 244,3 t und dem Bedarf von 89 Drei-Personenhaushalten. Im Hinblick auf das bundesweite Vorkeimvolumen sind durch das neue Belichtungssystem noch große Einsparungsmöglichkeiten gegeben. Weitere Infos zum Thema effiziente Kartoffelvorkeimbelichtung bei der BOLAP GmbH in Speyer unter der Tel. 06232/605760 oder vom DLR Rheinpfalz unter 06321/671-218.

Michael Pippert Energie- und Technikberatung, DLR Rheinpfalz, Neustadt – LW 2/2015