Feucht dreschen, koste es, was es wolle?

Strategien zur Ernteabsicherung

Die vergangenen Jahre mit hohen Niederschlägen während der Druschkampagne sind noch in lebhafter Erinnerung. Nach der langen Trockenheit im Frühjahr und dem schlechten Wetter im Juli 2012 sah man bereits Parallelen zu den Vorjahren. Manche Landwirte hatten ihr Zögern, um auf geringere Kornfeuchten zu warten, am Ende der Ernte bereut. Der Frage, ob man jetzt generell mit höheren Kornfeuchten dreschen sollte, geht Dr. Andrea Feiffer nach.

Die Frage nach der Kornfeuchte stellt sich jedes Jahr neu und macht sich nicht nur am Wetter, sondern auch an den Bedingungen des Betriebes sowie des Marktes fest.

Foto: Feiffer

Aus den Witterungsverläufen der letzten drei Jahre könnte man vorschnell einen ensetzenden Klimawandel festmachen. Verfolgt man die Prognosen der Klimaforscher, so ergibt sie ein sehr widersprüchliches Bild unseres zukünftigen Wetters. Messbar sind in den letzten 50 Jahren allerdings ein Temperaturanstieg von knapp 1 °C und eine Verfrühung der Apfelblüte um 14 Tage, das heißt die Temperatursummen über einen bestimmten Entwicklungszeitraum werden schneller erreicht.

Ausgeprägte Trockenphasen mit Hitzestress haben sich im Frühjahr verstärkt. Die Regensummen sind laut Meteorologen übers Jahr betrachtet gleich geblieben. Die fehlenden Niederschläge des Frühjahrs kamen dann oft unwetterartig in der Ernteperiode mit großer regionaler Unterschiedlichkeit.

Auch wenn trockenere Sommer vorhergesagt werden, sind sie gefühlt feuchter geworden. Um der zukünftigen Wetterunsicherheit in der Ernte zu begegnen, überlegen manche Landwirte, ob sie nicht mit höherer Kornfeuchte dreschen und so die Tagesdruschmenge erhöhen. Diese Überlegung ist nicht falsch, aber etwas einseitig betrachtet.

Die Trocknungskosten steigen jährlich

In einem Jahr wie 2010, wo Qualitätsweizen Mangelware war, wäre es tatsächlich oft besser gewesen, mit höherer Kornfeuchte zu dreschen, um die Qualitäten zu retten. Durch das Überangebot an Futterware waren die Qualitätsabzüge im Vergleich zur Trocknung sehr hoch. Das sah in den letzten zwei Jahren ganz anders aus. Futtergetreide ist knapp und wird gut bezahlt, die Abzüge sind gering. Die Trocknungskosten dagegen steigen jährlich. Wird mit 17 statt mit 15 Prozent Kornfeuchte abgeliefert, bezahlt man etwa 12 Euro/t an Trocknung.

Wer generell mit höheren Kornfeuchten drischt, um die Tageserntemenge zu erhöhen, muss das nachgelagerte Geschäft gut beherrschen.

Foto: Feiffer

Das heißt, jedes Jahr werden die Karten neu gemischt und die Frage nach der Kornfeuchte macht sich nicht nur am Wetter, sondern auch an den Bedingungen des Betriebes sowie des Marktes fest.

Dennoch kann man einen Wandel ableiten. In vielen Großbetrieben setzt sich der Trend zur Hochleistungstechnik fort. Qualifizierte Fahrer werden knapp. Statt zwei kleiner Mähdrescher läuft dann ein großer. Um die Fläche zu schaffen, muss das Erntefenster weiter aufgezogen werden. Oft wird zwei Stunden eher angefangen und in den Vormittagsstunden mit höherer Kornfeuchte geerntet. Die ersten Fuhren mischt man unter, konserviert sie für Futterzwecke oder trocknet sie. Inwieweit das betriebswirtschaftlich richtig ist, sei zunächst dahin gestellt.

Trend zur Eigenlagerung und Trocknung

Wer eine eigene Trocknung hat, fängt generell mit höherer Feuchte an, obwohl die eigene Trocknung ebenso Geld kostet. Jedes Prozent Rücktrocknung kostet allein an Energie etwa 2 l Heizöl. Der Trend zur Eigenlagerung und Trocknung ist gestiegen. Die deutliche Nachfrage in diesem Bereich ist jedoch nur teilweise dem unsicheren Erntewetter geschuldet und mehr noch auf die Konzentration des Handels und die zunehmenden Probleme in der Logistik zurückzuführen.

Die eigene Trocknung kann eine gute Feuerwehr in schwierigen Jahren sein. Wer jedoch generell mit höheren Kornfeuchten drischt, um die Tageserntemenge zu erhöhen, muss das nachgelagerte Geschäft gut beherrschen. Oft entstehen die höheren Verluste nicht beim Drusch, sondern erst bei der Einlagerung, wenn größere Mengen an Feuchtgetreide nicht sicher konserviert werden können.

Seelenfrieden mit hoher Schlagkraft teuer erkauft

Im Süden beobachtet man dagegen einen zunehmenden Trend zur Eigenmechanisierung. Die viel zitierte Überkapazität ist gerade im Mähdrescherbereich sehr abgeschmolzen. Die Dienstleister haben eher in Häckselketten investiert. Die Gewinnspanne im Mähdrusch bewegte sich ohnehin auf schmalem Grat. So wurden manche Partien nicht zeit- und qualitätsgerecht beerntet, was die Landwirte zum Kauf einer eigenen Maschine bewog. Mancher Seelenfrieden ist hier teuer erkauft worden.

Die hohen Kornfeuchten im Jahr 2011 sind insbesondere im Norden auch dadurch zustande gekommen, dass die Flächen auch bei einsetzendem guten Druschwetter nicht mehr befahrbar waren. Dieser Umstand hat sich beim Absatz von Allrad- und Raupenlaufwerken mit rund 20 Prozent Zuwachs bemerkbar gemacht, wobei ein Teil des Anstiegs auch auf die großen Schneidwerke von 10 bis 12 m zurückzuführen ist.

Natürlich kann man eine höhere Toleranzschwelle bei der Kornfeuchte als eine Art Versicherung gegen Schlechtwetter ansehen. Wir Westeuropäer versichern uns ja gegen alles Mögliche, warum da nicht in eine Schlechtwetterversicherung investieren.

Feucht dreschen ist teuer

Man hat die Reaktion auf die zuletzt feuchten Ernte-Jahre an den Verkaufszahlen für Mähdrescher ablesen können. Eine ganze Reihe von Landwirten aus den kleinstrukturierten Regionen haben sich wieder selbst mit Erntetechnik ausgestattet, weil die Nerven beim Warten auf den Lohnunternehmer blank lagen.

Eine teure Beruhigungspille. Natürlich ist feuchter dreschen auch eine Alternative. Der bessere Weg ist es aber, schneller zu fahren ‑ mit höheren Druschverlusten. Den Anblick der Verlustkörner muss man dann aushalten. Mancher verschiebt aber lieber die deutlich höheren Kosten beim Feuchtdrusch nach hinten. So kann man sich einreden, dass die Trocknungskosten dem feuchten Jahr geschuldet waren und nicht der falschen Strategie.

Dr. Feiffer

Höhere Druschverluste sind oft wirtschaftlicher

Erntet ein Mähdrescher zum Beispiel 600 ha beziehungsweise 4000 Tonnen und man würde ein Drittel der Erntemenge, um Zeitvorsprung zu gewinnen, mit 2 Prozent höherer Feuchte einbringen, kostet dies etwa 16 000 Euro. Dafür könnte man sich ebenso gut einen Lohnunternehmer für 150 ha leisten beziehungsweise besser in die nächst höhere Mähdrescherklasse investieren.

Man kann die Erntemenge erhöhen, indem das Zeitfenster durch das Zulassen einer höheren Kornfeuchte erweitert wird. Trotzdem die Getreide- und Rapspreise momentan sehr hoch sind, ist es dennoch preiswerter die höhere Erntemenge hereinzufahren, indem der Toleranzbereich der Druschverluste vergrößert wird.

Rechenbeispiel: Erntet ein Mähdrescher 4000 t und bringt ein Drittel des Erntegutes mit 2 Prozent höherer Feuchte ein, kostet das etwa 16 000 Euro allein an Trocknung. Dadurch erhöht er die Erntemenge pro Zeiteinheit um beispielsweise 20 Prozent. Erntet dieser Mähdrescher stattdessen mit 1 Prozent höheren Druschverlusten und erhöht ebenso die Durchsatzmenge pro Zeiteinheit um 20 Prozent, so kostet dies nur gut 10 000 Euro.

Eine Erhöhung der Kornfeuchte, um in kürzerer Zeit mehr Getreide einzuernten und so den Witterungsunsicherheiten entgegenzutreten, ist generell nicht sinnvoll. Die Frage der Kornfeuchte ist insgesamt gesehen eher eine Sache der betrieblichen Bedingungen.

Wie hoch ist die Mähdrescherkapazität, wie sind die Sorten hinsichtlich der Reife gestaffelt, was ist über Biogasanlagen oder Feuchtekonservierung aufzufangen, kann selbst gelagert und getrocknet werden? Das sind die besseren Anpassungsstrategien auch im Zuge eines möglichen Klimawandels.

 – LW 16/2013