Die Karten werden jährlich neu gemischt

Trocknen oder trocken ernten?

Die vergangenen Jahre mit hohen Niederschlägen während der Druschkampagne sind vielen Betriebsleitern noch in lebhafter Erinnerung. Manche Landwirte hatten ihr Zögern, um auf geringere Kornfeuchten zu warten, am Ende der Ernte bereut. Ob es preiswerter ist, mit höheren Kornfeuchten zu dreschen und lieber zu trocknen, untersucht Dr. Andrea Feiffer, feiffer consult, Sonderhausen.

Um den Wetterunsicherheiten in der Ernte zu begegnen, überlegen manche Landwirte, ob sie nicht mit höherer Kornfeuchte dreschen und so die Tagesdruschmenge erhöhen.

Aus den Witterungsverläufen der vergangenen Jahre könnte man vorschnell einen Klimawandel festmachen. Verfolgt man die Prognosen der Klimaforscher, so ergeben sie ein sehr widersprüchliches Bild unseres zukünftigen Wetterverlaufes. Messbar ist in den letzten 50 Jahren allerdings ein Temperaturanstieg von knapp 1 °C und eine Verfrühung der Apfelblüte um rund 14 Tage. Das heißt, die Temperatursummen über einen bestimmten Entwicklungszeitraum werden schneller erreicht.

Mit höherer Kornfeuchte die Tagesdruschmenge erhöhen?

Ausgeprägte Trockenphasen mit Hitzestress haben sich im Frühjahr verstärkt. Die Regensummen sind laut Meteorologen übers Jahr gleich geblieben. Die fehlenden Niederschläge des Frühjahrs kamen dann oft unwetterartig in der Ernteperiode mit großer regionaler Unterschiedlichkeit.

Auch wenn prognostisch trockenere Sommer vorhergesagt werden, sind sie gefühlt feuchter geworden. Um der zukünftigen Wetterunsicherheit in der Ernte zu begegnen, überlegen manche Landwirte, ob sie nicht mit höherer Kornfeuchte dreschen und so die Tagesdruschmenge erhöhen. Diese Überlegung ist nicht falsch, aber etwas einseitig betrachtet.

Nicht nur das Wetter, auch der Markt entscheidet

In einem Jahr wie 2010, als Qualitätsweizen Mangelware war, wäre es tatsächlich oft besser gewesen, mit höherer Kornfeuchte zu dreschen, um die Qualitäten zu retten. Durch das Überangebot an Futterware waren die Qualitätsabzüge im Vergleich zur Trocknung sehr hoch. Das sah in den beiden darauffolgenden Jahren dann ganz anders aus. Futtergetreide war knapp und wurde gut bezahlt, die Abzüge waren gering. Die Trocknungskosten dagegen steigen jährlich. Wird mit 17 statt mit 15 Prozent Kornfeuchte abgeliefert, bezahlt man etwa 12 Euro/t an Trocknung.

Das heißt, jedes Jahr werden die Karten neu gemischt und die Frage nach der Kornfeuchte macht sich nicht nur am Wetter, sondern auch an den Bedingungen des Betriebes sowie des Marktes fest.

Dennoch kann man einen Wandel ableiten. In vielen Großbetrieben setzt sich der Trend zur Hochleistungstechnik fort. Qualifizierte Fahrer werden knapp. Statt zwei kleiner Mähdrescher läuft dann ein großer. Um die Fläche zu schaffen, muss das Erntefenster weiter aufgezogen werden. Oft wird zwei Stunden eher angefangen und in den Vormittagsstunden mit höherer Kornfeuchte geerntet. Die ersten Fuhren mischt man unter, konserviert sie für Futterzwecke oder trocknet sie. Inwieweit das betriebswirtschaftlich richtig ist, sei zunächst dahin gestellt.

Wer eine eigene Trocknung hat, fängt generell mit höherer Feuchte an, obwohl die eigene Trocknung ebenso Geld kostet. Jedes Prozent Rücktrocknung kostet allein an Energie etwa 2 l Heizöl. Der Trend zur Eigenlagerung und Trocknung ist gestiegen. Das RKL, welches auf diesem Gebiet sehr professionell berät, verzeichnet eine deutliche Nachfrage.

Trend zur Eigenlagerung und Trocknung

Jedoch ist diese nur teilweise dem unsicheren Erntewetter geschuldet und mehr noch auf die Konzentration des Handels und die zunehmenden Probleme in der Logistik zurückzuführen. Die eigene Trocknung kann eine gute Feuerwehr in schwierigen Jahren sein. Wer jedoch generell mit höheren Kornfeuchten drischt, um die Tageserntemenge zu erhöhen, muss das nachgelagerte Geschäft gut beherrschen. Oft entstehen die höheren Verluste nicht beim Drusch, sondern erst bei der Einlagerung, wenn größere Mengen an Feuchtgetreide nicht sicher konserviert werden können.

Im Süden beobachtet man dagegen einen zunehmenden Trend zur Eigenmechanisierung. Die viel zitierte Überkapazität ist gerade im Mähdrescherbereich sehr abgeschmolzen. Die Dienstleister haben eher in Häckselketten investiert. Die Gewinnspanne im Mähdrusch bewegte sich ohnehin auf schmalem Grat. So wurden manche Partien nicht zeit- und qualitätsgerecht beerntet, was die Landwirte zum Kauf einer eigenen Maschine bewog. Mancher Seelenfrieden ist hier allerdings teuer erkauft worden.

Natürlich kann man eine höhere Toleranzschwelle bei der Kornfeuchte als Versicherung gegen Schlechtwetter ansehen. Wir versichern uns ja gegen vieles, warum nicht in eine Schlechtwetterversicherung investieren?

Höhere Feuchte ist teurer als höhere Verluste

Erntet ein Mähdrescher zum Beispiel 600 ha beziehungsweise 4000 Tonnen und man würde ein Drittel der Erntemenge, um Zeitvorsprung zu gewinnen, mit 2 Prozent höherer Feuchte einbringen, kostet dies etwa 16 000 Euro. Dafür könnte man sich ebenso gut einen Lohnunternehmer für 150 ha leisten beziehungsweise besser in die nächst höhere Mähdrescherklasse investieren.

Man kann die Erntemenge erhöhen, indem das Zeitfenster durch das Zulassen einer höheren Kornfeuchte erweitert wird. Trotzdem die Getreide- und Rapspreise momentan sehr hoch sind, ist es dennoch preiswerter, die höhere Erntemenge hereinzufahren, indem der Toleranzbereich der Druschverluste vergrößert wird.

Ein Rechenbeispiel: Erntet ein Mähdrescher 4000 t und bringt ein Drittel des Erntegutes mit 2 Prozent höherer Feuchte ein, kostet das etwa 16 000 Euro allein an Trocknung. Dadurch erhöht er die Erntemenge pro Zeiteinheit um beispielsweise 20 Prozent. Erntet dieser Mähdrescher stattdessen mit 1 Prozent höheren Druschverlusten und erhöht ebenso die Durchsatzmenge pro Zeiteinheit um 20 Prozent, so kostet dies nur gut 10 000 Euro.

Auch bei der Feuchte gilt: betriebsindividuell rechnen

Eine Erhöhung der Kornfeuchte, um in kürzerer Zeit mehr Getreide zu ernten und so den Witterungsunsicherheiten entgegenzutreten, ist nicht generell empfehlenswert. Die Frage der Kornfeuchte ist insgesamt gesehen eher eine Sache der betrieblichen Bedingungen.

Wie hoch ist die Mähdrescherkapazität, wie sind die Sorten in der Reife gestaffelt, was ist über Biogasanlagen oder Feuchtekonservierung aufzufangen, kann selbst gelagert und getrocknet werden und so weiter. Das sind die besseren Anpassungsstrategien, auch im Zuge eines möglichen Klimawandels.

 – LW 20/2015