Für Landwirte hat sich das Blatt binnen eines Jahres gewendet
Mitgliederversammlung des KBV Vogelsberg in Feldatal
Der erste Grasschnitt für dieses Jahr ist im Silo. Jetzt haben die Landwirte im grünlandstarken Vogelsberg Zeit für die JahresmitgliederÂversammlung ihres Kreisbauernverbandes (KBV), welche vorige Woche mit rund 70 Landwirten in Groß-Felda abgehalten wurde. Aktuell bereitet den Futterbaubetrieben in der Region die Trockenheit Sorgen. Es wird befürchtet, dass der normalerweise in Kürze anstehende zweite Schnitt des Aufwuchses ausfällt und es den MilchbetrieÂben im Winter an Futter fehlt. Das berichtete eingangs Kurt Wiegel.

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Rechtsanwalt Christian Klüter wurde als Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes verabschiedet und für seine Leistungen für die Landwirte in Hessen gewürdigt. Seine Nachfolgerin ist die 28-jährige Juristin Stefanie Eggers aus Schlitz.
Viele HerausfordeÂrunÂgen müssen gemeistert werden
Den Gastvortrag hielt Karsten Schmal (49), Agraringenieur aus Waldeck und Vizepräsident im Hessischen Bauernverband, der über die AufgaÂben, Ziele und Fortentwicklung der Verbandsarbeit sprach. Er erläutere dies anhand einiger Beispiele aus dem KBV Waldeck, wo er vor elf Jahren in den Vorstand und vor drei Jahren als Vorsitzender gewählt worden ist. So sei in Sachsenhausen, einem Dorf mit circa 2 000 Einwohnern, festzustellen, dass die Menschen trotz ländlicher Struktur sich von der Landwirtschaft entfremden würÂden. Obwohl im Waldecker Land rund 250 Boxenlaufställe in Betrieb seien und Familien das Einkommen sicherten, fehle vielen der Bezug zu Landwirten und ihren Familien.
Die Unkenntnis der Verbraucher ist nach Ansicht von Schmal häufig zugleich Nährboden unsachlicher Berichte zur Landwirtschaft im Internet sowie in Rundfunk, Fernsehen und Zeitschriften. „Aber wir sind so reich und satt, wir können uns diese Diskussionen leisten“, folgerte Schmal. Auch wenn ein Jahr lang keine Lebensmittel von den heimischen Betrieben kämen, blieben deswegen die Regale in den Discountern sicher nicht leer, denn es käme aus dem Ausland.
Mit seiner Ehefrau, zwei Kindern und den Altenteilern sowie 1,5 FremdarbeitskräfÂten bewirtschaftet Schmal einen 170 ha Grünlandbetrieb mit Ackerbau in 400 m Höhe mit 170 Kühen plus weibliÂcher Nachzucht. Die Bullenkälber werden verkauft. Als Kleinprivatwaldbesitzer engagiert er sich auch in der WaldÂinÂteressentenschaft und in früheÂrer Zeit als Vorsitzender der JungÂzüchterÂverÂeinigung. Ferner über 15 Jahre in der Kommunalpolitik. Seit Schmal im letzten Winter in den LanÂdesvorstand des Hessischen BauÂernverbandes gewählt wurde, hat er die poÂliÂtische Tätigkeit in Waldeck zuÂgunsten seines Ehrenamtes im HBV zurück gestellt.
„Was wollen wir im Bauernverband bewegen?“, fragte er seine Berufskollegen in der Feldatalhalle. Wichtig sei, dass viele Landwirte von der NotwenÂdigÂkeit der Interessenvertretung überzeugt und für die Mitgliedschaft im BauernverÂband gewonnen werden, um stärker in der Öffentlichkeit präsent zu sein. Der bäuerliche Familienbetrieb stehe im Mittelpunkt aller Ãœberlegungen. Verbandsarbeit werde nicht leichter und er nannte Beispiele, wie „Heute ist es so, setzt man sich für den Ausbau regenerativer Energien ein, hilft man den Biogasbetrieben. Zugleich tritt man Getreideanbauern auf die Füße, weil der Pachtpreis durch die höhere Landnachfrage der Biogasanlagen steigt.“
Landwirte dürfen nicht zu Einzelkämpfern werden
Ein Problem sieht er vor allem darin, dass Landwirte aufgrund ökonomischer Zwänge zu wirtschaftlichen „Einzelkämpfern“ werden könnten, um ihre Betriebe am Laufen zu halten. Auch wenn die Betriebe weniger werden, sei ihr Stellenwert auf dem Land nicht kleiner, ist der HBV-Vize überzeugt. Sowohl Landfrauen, als auch Landjugend und LandÂseniÂoÂrenÂÂverÂeinigungen will der BauÂernÂverband an seiner SeiÂte haben, um für attraktive Bedingungen der LandwirtschaftsfaÂmiÂliÂen eintreten zu können.
Schmal sprach auch über das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, TTIP und sagte „Wir hatten zum Tag der Landwirtschaft (LW Hessenbauer 9/2015, Seite 47) den Unternehmer Clemens Tönnies geladen und erfahren, dass unseÂre Marktpartner wie dieser Fleischverarbeiter aus Gütersloh auf neue Märkte in Ãœbersee, Asien und Afrika blicken. Wir kommen also nicht um die TTIP-Diskussion herum und müssen versuchen, soviel wie möglich für uns Landwirte heraus zu holen. Das heißt, dass wir nicht von den hohen Standards in der Nahrungsmittelerzeugung abrücken sollten“, sagte Schmal.
Es folgte eine lebhafte Diskussion bei der deutlich wurde, dass sich die Situation vieler Betriebe binnen eines Jahres merklich verschlechtert hat. Ursachen sind die Krisen auf den Agrarmärkten bei zuÂgleich neuen Vorgaben der EU für die Landwirte im Zuge der GAP-Reform. Der Milcherzeugerpreis sei von nahe 40 Cent je Liter im Vorjahr auf aktuell circa 30 Cent gefallen, obwohl es bislang kaum zu einer Veränderung der Milchanlieferungsmenge seit dem Quotenende im März gekommen sei. Die sich abzeichnende Futterknappheit in Folge der Frühjahrstrockenheit 2015 komme derzeit als weitere Belastung hinzu.
Karin Lölkes, neue Vorsitzende des KBV Marburg-Kirchhain-Biedenkopf, warb zuvor dafür, dass sich mehr Landwirte für die in Hessen 2016 anstehenden KomÂmunalwahlen aufstellen lassen. Kreislandwirt Andreas Kornmann unterrichtete die Versammlung über die gegenwärtige Lage der BeÂtriebe in der Region.
KBV-Geschäftsführerin SteÂfanie EgÂgers informierte über Arbeitsfelder des KBV und freute sich über das große Engagement der angehenden Landwirte beim soeben abgeschlossenen Berufswettbewerb 2015. Eggers will die digitale Kommunikation mit den MitÂglieÂÂdern intensivieren, um InÂÂforÂmaÂtionen schneller an die dem KBV anÂgeschlossenen Betriebsleiter zu transportieren.
Erhöhung der Mitgliedsbeiträge
Auch ging es um die BeiÂtragsÂordnung des KBV. Nach zehnjähriger BeitragsstabiÂlität wurde den Mitgliedern eine Erhöhung des Grundbeitrages und des Flächenbeitrags durch den Vorstand vorgeschlagen, damit der KBV weiter in staÂbilen fiÂnanÂziellen VerÂhältÂnisÂsen wirtschafte. Nach intensiver DisÂkusÂsion mit den Landwirten wurde diese von der Versammlung beschlossen.
Der Generalsekretär des Hessischen Bauernverbandes, Peter Voss-Fels, nutzte diese Diskussion zur Erläuterung der Finanzierung des HBV, welcher unÂter Beachtung besonders effizienter Haushaltsführung aus dem Mittelaufkommen, das zum großen Teil aus den MitgliedsbeiÂträgen der KBV stammt, eine starke Interessenpolitik für die hessischen Landwirte leiste. Der HBV wiederum unterstütze die Verbandsarbeit für den Berufsstand auf BunÂdesebene mit seinem Mitgliedsbeitrag für den Deutschen Bauernverband.
Dem KBV Vogelsberg sind rund 1 200 Landwirte angeschlossen, plus circa 600 passive Mitglieder. Auf die Fläche bezogen sind dies circa 46 000 ha im Landkreis, berichtete Wiegel.
Zügig verliefen die Wahlen zum Vorstand des KBV, die unter Leitung von Dipl.-Ing. agr. André Peter vom KBV-Vorstand durchgeführt wurden. Die neu gewählten Vorstandsmitglieder sind auf dem Foto der vorigen Seite zu sehen. Nicht auf dem Bild sind die neuen VorstandsmitÂglieder Christoph Hardt (Grebenhain) sowie Erhard Schmitt (Wartenberg).
Moe – LW 25/2015