Gabriels Augenwischerei

Über die Ministererlaubnis für die Fusion von Edeka mit Kaiser´s Tengelmann kann man nur den Kopf schütteln. Das Kartellamt hat das Zusammengehen aus guten Gründen untersagt. Minister Gabriel gibt nun sein Plazet, um Arbeitsplätze zu retten, deren Inhaber er offensichtlich zu seiner Wählerklientel rechnet, um die er sich kümmern muss.

Doch es ist falsch, das Problem der Arbeitsplätze auf Tengelmann zu fokussieren. Der Lebensmitteleinzelhandel ist von Überkapazitäten gekennzeichnet. In Deutschland gibt es pro Kopf zu viel Verkaufsfläche. Das ist einer der Gründe für den scharfen Wettbewerb, und auch deshalb ist ja Kaiser´s Tengelmann in Schieflage geraten. Der Bestand von Kaiser´s-Tengelmann-Filialen im Edeka-Konzern wird letztlich bedeuten, dass Arbeitsplätze bei Edeka-Altfilialen und in anderen Handelsunternehmen durch den Verdrängungswettbewerb wegfallen. Insgesamt werden mit der Entscheidung keine Arbeitsplätze gerettet. Das ist Gabriels Augenwischerei.

Der Preiskampf wird unterdessen weiter gehen und sich noch verschärfen – zu Lasten von Lebensmittelerzeugern und -verarbeitern. Zur Erinnerung: derzeit machen die großen fünf Konzerne des Lebensmitteleinzelhandels über 80 Prozent des Umsatzes. Dem stehen hunderte Verarbeiter und tausende Erzeuger gegenüber, die über eine entsprechend geringe Marktmacht verfügen. Dass die Lebensmittelkonzerne in den letzten Jahren trotz des Preiskampfs noch die Spanne zwischen dem Erzeugerpreis und dem Abgabepreis insbesondere bei Fleisch ausweiten konnten, macht gerade deutlich, wie schwach die Anbieterseite ist.

Dennoch ist nicht absehbar, dass die Bundesregierung die Marktmacht des Handels substanziell verringern will. Wenn es dennoch Kritik von Politikern an der jetzigen Entscheidung gibt, so hat diese nicht unbedingt die gleiche Zielrichtung wie die der Landwirtschaft. Die einen haben vor allem die Verbraucherpreise im Sinn, die ein Konzern bei fehlendem Wettbewerb wieder anziehen lassen könnte. Die Erzeugerseite aber braucht endlich reelle Preise für ihre Produkte. Der Verbraucher ist bislang Nutznießer der Lage, der Erzeuger das Opfer.

Cornelius Mohr – LW 12/2016