Gemeinsam mit Weidetierhaltern Lösungen entwickeln

Wolfsmanagement soll angepasst werden

„Die Rückkehr des Wolfes nach Hessen bewegt die Menschen. Die hessischen Weidetierhalter seien besonders betroffen und brauchten Unterstützung“, sagte Landwirtschaftsministerin Priska Hinz vergangene Woche bei einer Veranstaltung dazu in Wetzlar. Ziel sei es, gemeinsam Rahmenbedingungen zu entwickeln, die für alle Beteiligten nachvollziehbar und tragbar seien, so eine Pressemitteilung des Ministeriums.

Das hessische Landwirtschaftsministerium unterstützt die Wiederansiedlung des Wolfes in Hessen. Dafür soll der vorhandene Wolfsmanagementplan weiterentwickelt werden.

Foto: imago images/Martin Wagner

„Die hessischen Weidetierhalter kümmern sich um die Landschaftspflege und leisten damit einen wichtigen Beitrag für den Natur- und Artenschutz. Wir können unsere vielseitige Kulturlandschaft in Hessen nur bewahren, wenn wir auch die Weidetierhaltung erhalten, die sich ohnehin in einem wirtschaftlich sehr schwierigen Umfeld behaupten muss. Daher muss die finanzielle Unterstützung verbessert werden und weitere Anstrengungen für das Nebeneinander von Wolf und Weide­tierhaltern unternommen werden“, so Hinz.

Im Januar dieses Jahres seien erste Maßnahmen zusammen mit den Weidetierhaltern besprochen und daraufhin eine Weidetierprämie für Schafe und Ziegen eingeführt worden. Die Herdenschutz-Grundförderung sei zudem flächendeckend in ganz Hessen erhöht und die Ãœberarbeitung des Wolfsmanagementplans vereinbart worden. Auch künftig müsse der Wolfsmanagementplan an die Entwicklung der Wolfspopulation in Hessen angepasst werden. Die Gespräche mit den Verbänden würden daher im Rahmen einer AG „Wolf in Hessen“ zu einer festen Institution werden. Die Diskussionspunkte im Einzelnen:

Der neue Wolfsmanagementplan verfolge das Ziel, ein konfliktarmes Nebeneinander von Wölfen und Weidetierhaltungen zu ermöglichen. Er werde regelmäßig aktualisiert und an die Entwicklung der Wolfspopulation in Hessen angepasst. Ein Wolfsmonitoring, Empfehlungen zu Herdenschutzmaßnahmen sowie ein Überblick über aktuelle Fördermaßnahmen gehörten ebenso dazu wie die Erläuterung zum Umgang mit verhaltensauffälligen Wölfen.

Mehr Ansprechpartner vor Ort

In den Gesprächen mit den Weidetierhaltern sei deutlich geworden, dass die Zahl der Ansprechpartner vor Ort ausgebaut werden müsse. Das gelte für ganz Hessen, da jederzeit und überall mit einem Wolf gerechnet werden müsse. Der Landesbetrieb Hessen Forst werde für diese Aufgabe amtliche Wolfsberater in den Forstämtern bereitstellen, die beim Wolfsmonitoring unterstützen, Wolfsmeldungen nachgehen und als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Sie würden zusätzlich zu den bereits tätigen, ehrenamtlichen Wolfsberatern auf Landkreisebene eingesetzt.

Wolfszentrum Hessen wird eingerichtet

Als zentrale Einrichtung für Wolfsmanagement und -monitoring in Hessen werde beim Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) ein „Wolfszentrum Hessen“ (WZH) eingerichtet. Das HLNUG werde damit alle Aufgaben im Rahmen des wissenschaftlichen Monitorings übernehmen. Hier würden auch alle Meldungen, Ereignisse, Nachweise und sonstige Daten zum Wolf in Hessen erfasst, bewertet und dokumentiert. Darüber hinaus werde das WZH künftig auch Aufgaben im Rahmen des Managements zum Wolf übernehmen: Dazu gehöre die Koordination und Betreuung der Wolfshotline (per Mail oder telefonisch) sowie die Beratung. Als jährliche Bilanz werde das WZH einen „Hessischen Wolfsbericht“ erstellen, der die Ergebnisse des wissenschaftlichen Wolfsmonitorings und Zahlen zum Schadensmanagement und zur Förderung des Herdenschutzes enthalte.

1 Mio. Euro für erweiterte Fördermaßnahmen

Maßgeblich bei der Entwicklung von Fördermaßnahmen seien die Verbesserung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage von Schaf- und Ziegenhaltern und ein durchgehend effektiver Herdenschutz. Für eine bessere Existenzsicherung habe Hessen in diesem Jahr eine Weidetierprämie für Schafe und Ziegen eingeführt. Eine vergleichbare Förderung gebe es derzeit nur in Bayern, Thüringen und Sachsen. Hessen setze sich außerdem für eine flächendeckende Weidetierprämie auf Bundesebene eine. Leider habe die Bundesregierung gerade einem Bundesratsbeschluss zur Einführung der Weidetierprämie bereits ab 2021 widersprochen. Deshalb werde jetzt mit Nachdruck auf eine bundesweite Weidetierprämie ab 2023 hingearbeitet.

In diesem Jahr sei außerdem die Herdenschutz-Grundprämie von 31 auf 40 Euro/Hektar für Hessen angehoben worden. Damit soll besser ermöglicht werden, dass die Weidetierherden überall mit einem Mindestschutz versehen seien. Das Land wird die Weidetierhalter darüber hinaus mit zusätzlichen Mitteln für weitergehenden Schutz unterstützen. Wie genau die Fördermaßnahme ausgestaltet werden soll, ist Thema bei einem nächsten Fachgespräch des Umweltministeriums mit den Weidetierhalterinnen und -haltern im September.

Entschädigungen schneller abwickeln

Entschädigungen bei Wolfsrissen sollen künftig schneller abgewickelt und Genproben schneller untersucht werden.

Kritikpunkte der Weidetierhalter sowie der Naturschutzverbände und der Jagd seien aufgenommen worden, würden geprüft und teilweise in Fachtreffen weiter diskutiert. Hinz zeigte sich zuversichtlich, dass der neue Wolfsmanagementplan in den kommenden Wochen vorgestellt werden könne.

HBV fordert, Problemwölfe zu entnehmen

Kritik kam vom Hessischen Bauernverband in einer Stellungnahme zu der Veranstaltung: HBV-Vizepräsident Volker Lein, der die Anliegen des Berufsstands bei der Veranstaltung vertrat, bekräftigte die Forderung nach der Ausbildung von Landwirten zu Rissgutachtern. Die Weidetierprämie sei unbedingt auf Rinder und Pferde auszuweiten. Neben der adäquaten, unbürokratischen Entschädigung von Nutztierrissen seien auch dringend effektive Abwehrmöglichkeiten gegen Wolfsangriffe erforderlich. Die Behörden müssten von ihrer Möglichkeit Gebrauch machen, die Entnahme von Problemwölfen zu gestatten. Schließlich dürften auch die Kosten für die entsprechenden Maßnahmen nicht zulasten der Tierhalter gehen. Der Bauernverband wird sich auch bei der weiteren Diskussion um die Überarbeitung des Wolfsmanagementplanes einbringen.

Kritik auch vom Verband für Schafzucht und -haltung

Für den Hessischen Verband für Schafzucht und -haltung ist eine Trendwende in der hessischen Wolfspolitik nicht erkennbar, so eine Pressemitteilung. Die Vorstellung des Ministeriums in der Wetzlarer Naturschutzakademie habe nicht überzeugt. Die Meinungen von Tierhalter-, Naturschutz- und Jagdverbänden seien weit auseinandergegangen. Begrüßt hat der Hessische Verband für Schafzucht- und Schafhaltung die angekündigte Erhöhung der Herdenschutzzahlungen um 1 Mio. Euro und zusätzliche Aufstockung der Weidetierprämie. Dies sei jedoch nicht ausreichend. Wie das Ministerium in der Veranstaltung selbst dargelegt habe, lägen die Kosten für den vollumfänglichen Grundschutz nämlich viel höher und zwar im hohen zweistelligen Millionenbereich pro Jahr. Diese Kosten könne die Gesellschaft den Weidetierhaltern nicht erstatten. Die rechtliche Einordnung des Wolfes als strenggeschützte Art, welche von den hessischen Naturschutzverbänden im Laufe des Gespräches immer wieder betont wurde, sorge aktuell dafür, dass ein gemeinsam tragbares Wolfsmanagement nicht möglich sein werde.

LW – LW 35/2020