Gespräch im Kanzleramt

Das Gespräch der landwirtschaftlichen Verbände im Kanzleramt hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Zunächst markiert die dreistündige Zusammenkunft bei Frau Merkel am Montag dieser Woche einen vorläufigen Höhepunkt für die ganze landwirtschaftliche Protestbewegung. Gehör von höherer politischer Stelle gibt es nicht. Ab jetzt müssen sich die Vertreter des Berufsstandes in Gesprächsrunden abarbeiten, hier „Zukunftskommission Landwirtschaft“ genannt. Dabei sollen der Deutsche Bauernverband und die Organisation „Land schafft Verbindung“ zunächst um ein Verhandlungsmandat der gesamten landwirtschaftlichen Branche werben. Das kann bei den vielen Verbänden mit – gelinde gesagt – sehr unterschiedlicher Bedeutung mühsam werden. Die Ladung von 40 Organisationen ist ohnehin fragwürdig, man kann auch taktisches Kalkül unterstellen. Positionen, die der DBV und die LsV fast deckungsgleich formulieren, und dabei den weitaus größten Teil der Bauern hinter sich wissen, gewinnen dabei nicht unbedingt an Deutlichkeit. Dabei geht es dem Berufsstand, den die Akteure der LsV in den Großdemonstrationen der vergangenen Wochen in so beeindruckender Weise mobilisiert haben, im Kern um eine Rücknahme des Aktionsprogramms Insektenschutz, das zum großen Teil nur auf Vermutungen basiert, und um eine reelle Abgrenzung von belasteten Gebieten im Rahmen der Düngeverordnung. Hier spricht Merkel aber bereits über finanziellen Ausgleich für Bewirtschaftungsauflagen, ist also schon auf einer anderen Ebene. Es ist deshalb fraglich, ob der Runde Tisch Landwirtschaft und Insektenschutz, den das Umwelt- und das Landwirtschaftsministerium einrichten und in dem auch die Bauern sitzen sollen, das ausräumen kann, was mit dem denkwürdigen Kabinettsbeschluss „Aktionsprogramm Insektenschutz“, ohne die Anhörung des Berufsstandes, droht.

Sehr lobenswert ist die Absicht der Bundesregierung, in der Bevölkerung für die Bauern und ihre Familien mit Hilfe von nationalen Dialogforen und einer Informationskampagne zur besseren Wertschätzung zu werben. Auch dies ist ein wichtiges Anliegen der Proteste.

Cornelius Mohr – LW 49/2019