Gipsen oder kalken?
Ph-Wert und Kalkausgleich machen den Unterschied
Immer öfter werden Berater und Landhandel nach der Wirkung von Gips als Bodendünger gefragt. Alternative Bodenuntersuchungen und „neue Wege“ in der Düngung, in denen oft Gips empfohlen wird, stoßen bei vielen Landwirte zunehmend auf Interesse. Was beim Thema Gips dabei zu beachten ist, hat der Landesarbeitskreis Düngung (LAD) in einem Faktencheck zusammengefasst.
Die Nachfrage nach Gips als Bodendünger wird auch durch alternative Düngeberatung und dort angewandte Bodenuntersuchungsmethoden geweckt. Dem Gips werden dabei Eigenschaften zugesprochen, die als Lösung für manche Probleme im Boden geeignet erscheinen. Besonders auf Böden mit eher hohen pH-Werten soll Gips statt einer Kalkung Vorteile bringen. Gips kommt in unterschiedlichen Formen in der Natur vor. Normalerweise handelt es sich um ein wasserhaltiges Kalziumsulfat mit der Formel CaSO4 x 2 H2O mit der chemischen Bezeichnung Kalziumsulfat-Dihydrat. Ebenfalls als natürliches Vorkommen findet man den im Tunnelbau berüchtigten Anhydrit, also wasserfreies Kalziumsulfat CaSO4, das durch Aufnahme von Wasser in Gips umgewandelt wird und dabei sein Volumen um mehr als 50 Prozent vergrößert.Was unterscheidet Gips und Kalk?
Neben den genannten Naturgipsen gibt es Gips als industrielles Nebenprodukt wie zum Beispiel den aus der Rauchgas-Entschwefelung in Kohlekraftwerken anfallenden „REA-Gips“. Kalziumsulfat ist ein Neutralsalz, das in wässriger Lösung weder sauer noch basisch reagiert und somit keinerlei Einfluss auf den pH-Wert des Bodens hat. Gips enthält je nach Herkunft zwischen 20 und 27 Prozent Kalzium und zwischen 16 und 20 Prozent Schwefel (in Sulfatform). Nach Lösung im Bodenwasser kann der Gips also aufgrund seiner
Alle Kalkdünger in der Landwirtschaft haben ihren Ursprung in natürlichen Kalkvorkommen, die je nach geologischer Entstehung etwas unterschiedlich, aber immer als Hauptbestandteil Kalziumkarbonat mit der Formel CaCO3 enthalten. Durch Brechen und Vermahlen (kohlensaure Kalke) oder durch Brennen im Ofen (Branntkalk) oder im Stahlwerksprozess (Konverterkalk) entstehen die verschiedenen Kalkdüngemittel, die in der Düngemittelverordnung aufgeführt sind.
Kalziumkarbonat selbst ist in reinem Wasser kaum löslich (14 mg/l). Bei Anwesenheit von gelöstem Kohlenstoffdioxid (Kohlensäure H2CO3) steigt die Löslichkeit jedoch um mehr als das Hundertfache. Auf diesem Effekt beruht die Verwitterung von Kalkgestein, wobei sich das leicht lösliche Kalziumhydrogenkarbonat Ca(HCO3)2 bildet. Im weiteren Verlauf zerfällt das Kalziumhydrogenkarbonat in der Bodenlösung zu Kalziumhydroxid Ca(OH)2, Kohlendioxid und Wasser. Aus dem Kalziumhydroxid spalten sich zweiwertig positiv geladene Kalzium-Ionen Ca++ sowie Hydroxyl-Ionen OH-.
Diese Hydroxyl-Ionen vermögen sauer wirkende Wasserstoffionen zu neutralisieren und sind für die Wirkung des Kalkes auf den pH-Wert zuständig. Die Ca++-Ionen sind für die Tonflockung verantwortlich. Bei Branntkalk CaO wird das im Kalkstein enthaltene CO2 durch Brennen ausgetrieben. Der Branntkalk reagiert sofort mit Wasser zu Kalziumhydroxid (Löschkalk) und wirkt daher schneller als das Kalziumkarbonat welches erst von einer Säure – in der Regel Kohlensäure H2CO3- gelöst werden muss.
Wie wirkt Gips im Boden?
Wie bereits beschrieben hat Gips als Neutralsalz keinen Einfluss auf den pH-Wert des Bodens. Der beim Kalken häufige Einsatzweck, den Boden auf einen für das Pflanzenwachstum idealen pH-Wert einzustellen ist daher mit Gips nicht möglich. Die im Gips enthaltenen Kalziumionen werden nach Lösung von den Pflanzen als Nährstoff aufgenommen und ebenso wie nach einer Kalkdüngung an den Bodenteilchen (Austauscheroberflächen) angelagert. Diese Anlagerung der Kalziumionen ist wie beim Einsatz von Kalk verantwortlich für die Tonflockung. Die durchaus gewünschte Tonflockung und damit einhergehende Verbesserung der Bodenstruktur ist nach einer Gipsdüngung leider nicht andauernd, da im Gegensatz zur Kalkung kein freier Kalk gebildet werden kann.
Größere Bedeutung hat das Sulfat SO42- im Gips. Nach Lösung im Bodenwasser steht den Pflanzen der wichtige Nährstoff Schwefel sofort zur Verfügung und kann direkt als SO4--Anion in die Wurzeln aufgenommen werden. Das Sulfat unterliegt im Boden einer ähnlichen Dynamik wie der Stickstoff. Das bedeutet, dass das Sulfat wie auch das Nitrat der Auswaschung unterliegt. Gips ist deshalb an erster Stelle ein Schwefeldünger. Das Kalzium kann als zusätzlicher Pflanzennährstoff gewertet werden.
Wie wirkt Kalk im Boden?
Vordringliches Ziel bei der Ausbringung von Kalkdüngern ist durch deren basische Wirkung der natürlichen Versauerung des Bodens und der damit einhergehenden Absenkung des pH-Wertes entgegenzuwirken. Die Oxide, Carbonate und Hydroxide der Kalkdünger liefern die dazu notwendige Pufferung der Säuren. Die Kohlensäure H2CO3 kann durch das Vorhandensein von Kalziumkarbonat im Boden ausgeglichen werden. Dabei wird die Kohlensäure neutralisiert und das Kalzium ausgewaschen, was eine Entkalkung des Bodens zur Folge hat. Bei diesem Vorgang verdrängen die Wasserstoffprotonen H+ das an den Tonmineralen haftende Kalzium. Erst wenn das Kalziumkarbonat vollständig aufgebraucht ist kommt es zum Absinken des pH-Wertes und somit zur Bodenversauerung. Die Kohlensäure ist in der Lage den pH-Wert des Bodens bis auf pH 5,5 abzusenken.
In Hinsicht auf die Nährstoffverfügbarkeit der Pflanzen spielt der pH-Wert eine entscheidende Rolle. Untersuchungen zeigten, dass die Pflanzenverfügbarkeit von Makro- sowie Mikronährstoffen maßgeblich durch den pH-Wert der Bodenlösung beeinflusst wird. Eine gute Nährstoffverfügbarkeit aller Makronährstoffe ist im neutralen bis leicht sauren pH-Wertbereich zwischen 7 und 6,5 anzutreffen. Bei Werten ober- beziehungsweise unterhalb dieses Bereiches muss mit einem verringerten Pflanzenwachstum gerechnet werden. Sinkt beispielsweiseder pH-Wert unter pH 5,5, so reduziert sich die N-Ausnutzung etwa um die Hälfte.
Im Bodenwasser gelöstes Kalzium (Ca2+) wird nicht nur von den Pflanzen als Nährstoff aufgenommen, sondern wird auch an festen Bodenteilchen mit negativen Oberflächenladungen wie zum Beispiel Tonmineralen angelagert und bildet mit weiteren austauschbaren Kationen (Magnesium, Kalium, Natrium) den Kationenbelag. Die besonders in tonhaltigen Böden gewünschte Flockung der Tonmineralien durch das Kalzium aber auch durch Magnesium und die dadurch hervorgerufene Verbesserung der Bodenstruktur kann nur bei einer Kalkung nachhaltig stabilisiert werden. Solange noch Kalziumhydroxid in der Bodenlösung vorhanden und nicht durch Neutralisation der Säure komplett verbraucht ist, bildet sich mit Kohlendioxid letztendlich wieder Kalziumkarbonat. Dieses kann beim Abtrocknen der Böden in den Porenwinkeln eingelagert werden und vermörtelt die Poren zu der sogenannten Kartenhausstruktur. Man spricht dann vom freien Kalk. Ob freier Kalk im Boden vorliegt, kann über den Salzsäuretest mit 10-prozentiger HCl nachgewiesen werden.
Die nachhaltige Verbesserung der Bodenstruktur sorgt für einen guten Austausch von Luft, Wasser und Nährstoffen, was gerade bei ungünstigen Klimabedingungen zu deutlichen Vorteilen bei der Bodenfruchtbarkeit führt. Durch die positive Veränderung des pH-Wertes kommt es neben einer Verbesserung der Bodenstruktur und der Verringerung der Auswaschung der Nähr- und Humusstoffe zusätzlich zu einer Steigerung der mikrobiellen Aktivität und damit zu einer günstigen Veränderung der stofflichen Umsetzung im Boden.
Fazit: Kalk-Verluste müssen ausgeglichen werden
Da dem Boden durch natürliche Prozesse der Versauerung ständig Kalk entzogen wird, müssen diese Verluste durch regelmäßige Kalkungsmaßnahmen ausgeglichen werden. Durch eine Gipsdüngung können keine Kalkverluste ersetzt werden. Gips kann lediglich einen Beitrag zur Erhöhung des Kalzium-Anteils am Kationenbelag der Bodenkolloide leisten und zur Strukturbildung (Tonflockung) beitragen. Eine nachhaltige Stabilisierung der Bodenstruktur ist durch eine Gipsdüngung nicht möglich (Tabelle). Ansätze alternativer Düngeempfehlungen mittels Gipsdüngung unerwünschte Kationenverhältnisse am Austauscher zu korrigieren, führen zu unrealistisch hohen Empfehlungen. Die Verlagerung des auswaschbaren Schwefels in tiefere Schichten in Mengen, die deutlich über dem Pflanzenbedarf liegen, dürften so nicht der guten fachlichen Praxis entsprechen.
Alexander Voit, LAD, DüKa Düngekalkgesellschaft mbH – LW 10/2021