Glyphosat: Dem Rufmord entgegenwirken
Wirkstoff wird neu bewertet – was kann die Praxis tun?
Der Nutzen von Glyphosat im Rahmen der pflanzlichen Produktion ist unbestritten. Das belegt letztlich der vielfältige Einsatz in Ackerbau und Sonderkulturen. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit, zur Schonung von Bodenorganismen und für das Management von resistenten Ungräsern ist der Wirkstoff unverzichtbar.

Foto: Fotos: Dr. Augustin
Geringe Anwendertoxizität, hohe Umweltverträglichkeit
Berichterstattendes Mitgliedsland ist Deutschland. Das BVL (Bundesinstitut für Landwirtschaft und Verbraucherschutz) ist zuständig und koordiniert den Bewertungsbericht unter Mitwirkung weiterer Behörden (BfR Bundesinstitut für Risikobewertung, JKI Julius Kühn Institut, UBA Umweltbundesamt). Nach Prüfung von mehr als 1000 neuen wissenschaftlichen Studien über den Wirkstoff Glyphosat bestätigt das BfR im aktuellen Teilberichtsentwurf (Januar 2014) die bisherige Einschätzung der geringen Anwendertoxizität und der hohen Umweltverträglichkeit.
Problematisch werden nur die Tallowamin-haltigen Präparate gesehen, weil die enthaltenen Netzmittel (Tallowamine) toxikologisch kritischer zu bewerten sind. Bei exzessiver Nutzung gibt es Bedenken, dass möglicherweise die biologische Vielfalt beeinträchtigt werden könnte, da vielen Organismen die Nahrungsgrundlage entzogen wird.
Mit steigender Anwendung von Glyphosat ist eine nachlassende Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu verzeichnen. In den vergangenen zwei Jahren war der Wirkstoff Glyphosat permanent Gesprächsstoff. Angefangen von der Amphibientoxizität über die Tallowamin-Diskussion bis hin zu den jüngsten Funden im menschlichen Urin.
Glyphosat ist ein mengenmäßiges Problem
Der Wirkstoff ist nach dem aktuellen Stand des Wissens von geringer Toxizität und belastet den Naturhaushalt nicht. Was bleibt, ist ein Mengenproblem: ein Sechstel aller in Deutschland jährlich verbrauchten Pflanzenschutzmittel sind Glyphosatprodukte! Die verschärften rechtlichen Rahmenbedingungen (z.B. Nationaler Aktionsplan) fordern eine Begrenzung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes auf den unbedingt erforderlichen Umfang.
Das erzeugt zusätzlichen politischen Handlungsdruck. In dieser Hinsicht bietet Glyphosat sicherlich das größte Einsparpotenzial unter den Pflanzenschutzmitteln. Im Rahmen der Beantwortung einer kleinen Anfrage hat der Bundestag 2013 bereits gefordert den Einsatz auf das vertretbare und erforderliche Maß zu begrenzen.
Neue Auflagen zielen in diese Richtung. Sie betreffen alle Glyphosatmittel und sind einzuhalten, auch wenn das aus der Gebrauchsanweisung noch nicht hervorgeht. Die Aufwandmenge ist nun begrenzt auf 3600 g Wirkstoff je Hektar und Jahr, was problemlos möglich ist. Kritischer ist die Begrenzung der Anwendungshäufigkeit: erlaubt sind maximal zwei Anwendungen auf derselben Fläche im Abstand von mindestens 90 Tagen. Eine Spritzfolge von Sikkation plus Stoppelbehandlung ist damit nicht mehr möglich.
Die Praxis ist daher aufgefordert, ihren Beitrag zu leisten und Art und Umfang des Glyphosateinsatzes zu überdenken. Die Diskussion um den Wirkstoff darf nicht noch weiter angeheizt werden, weil sonst weitere Einschränkungen zu erwarten sind.
Rückstände in Gewässern durch falsche Handhabung
Die häufige Anwendung in den unterschiedlichsten Bereichen bleibt nicht ohne Nebenwirkungen: Glyphosat wird häufig in Oberflächengewässern gefunden, in die es über Kläranlagen eingetragen wird. Das ist das eigentliche Problem des Wirkstoffes. Diese Umweltbelastungen entstehen nicht durch ordnungsgemäße Anwendungen, sondern durch falsche Handhabung und Fehlanwendungen im nicht landwirtschaftlichen Bereich.
Derzeit laufen in den Bundesländern verstärkte Untersuchungen. Diese Zeit sollte genutzt werden, um zu zeigen, dass durch verantwortungsvollen Umgang mit dem Wirkstoff die Wasserbelastungen sinken. Sollte das nicht gelingen, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Grenzwerte erlassen werden, die auf der Grundlage der Wasserrahmenrichtlinie einen konkreten Handlungszwang erzeugen. Dann sind der Wegfall zahlreicher Indikationen und zusätzliche Auflagen absehbar.
Die Gewässerbelastungen sind auch der Grund für die Forderung des Bundesrates nach einem Verbot von Glyphosat in Haus- und Kleingarten (November 2013). Einerseits dürfte ein Verbot in diesen Bereichen die Gewässerbelastung erheblich reduzieren. Andererseits erhält damit ein vergleichsweise ungefährlicher Wirkstoff in den Augen von 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung (Kleingärtner) den Anschein einer besonderen Gefährlichkeit. Dies ist für die öffentliche Akzeptanz des Einsatzes im landwirtschaftlichen Bereich nicht förderlich.
Vorerntebehandlungen nur in begründeten Ausnahmefällen
Besonders kritisch werden Vorerntebehandlungen gesehen, die zu unvermeidlichen Rückständen in Nahrungsmitteln führen. Daher haben reine betriebswirtschaftliche Argumente (z.B. Mähdrescher-Auslastung) in diesem Zusammenhang keine Berechtigung. Vorernteanwendungen müssen auf das absolut notwendige Ausmaß beschränkt werden. Nur Durchwuchs, Zwiewuchs oder Problemunkräuter, die Qualität oder Beerntbarkeit insgesamt in Frage stellen, rechtfertigen diesen Einsatz. Unter unseren vergleichsweise trockenen Bedingungen ist das eher selten der Fall. Ausnahmen waren in dieser Hinsicht die Jahre 2011 und 2012.Im November 2013 forderte der Bundesrat die Bundesregierung dazu auf, sich für ein generelles Verbot von Glyphosat zur Sikkation von Getreide einzusetzen und allenfalls klar abgegrenzte Ausnahmen zuzulassen. Daraus sind die folgenden neuen Auflagen hervorgegangen, die ebenfalls ab sofort für alle Glyphosatmittel in Bezug auf Vorerntebehandlungen gelten:
- nur noch bei Gefährdung der Beerntung durch Unkrautdurchwuchs in Lagergetreide
- zur Sikkation bei Zwiewuchs in stehendem oder lagerndem Getreide.
Stoppelbewirtschaftung ist zu überdenken
Aus Umfragen ist bekannt, dass die Stoppelbehandlung mengenmäßig den größten Anteil der Glyphosatanwendungen darstellt. Ursache ist die Zunahme der Minimalbodenbewirtschaftung. Mit ihr gewinnen Ungräser (Ackerfuchsschwanz, Windhalm, Trespen) und Wurzelunkräuter (Disteln, Ackerwinde) an Bedeutung. Sofern diese Probleme vorhanden sind, können sie auf der Stoppel mit Glyphosaten sicher kontrolliert werden.
Verglichen mit einer mechaniÂ-
schen Stoppelbearbeitung wird die Glyphosatbehandlung spät durchgeführt, wenn die Wurzelunkräuter ausreichend Blattmasse gebildet haben. Die veränderte Stoppelbewirtschaftung muss kritisch und Fruchtfolge-übergreifend überdacht werden, weil damit andere Schaderreger, zum Beispiel Mäuse und Schnecken, geför-
dert werden können.
Im Jahr 2007 führte der zweite milde Winter in Folge zu einer intensiven Vermehrung von Blattläusen und Zikaden am Ausfallgetreide. Sie verbreiteten Getreidevirosen in ungeahnt hohem Ausmaß mit drastischen Auswirkungen auf die Erträge. In solchen Virusjahren kommt einer zügigen Ausfallgetreideregulierung besondere Bedeutung zu. Eine flache Bodenbearbeitung beseitigt den Bewuchs schneller und sollte unter solchen Voraussetzungen vorgezogen werden.
Flache Bearbeitung ist unter Umständen effektiver
Überständiger Ausfallraps wirkt als Überhälter von Schädlingen (z.B. Rapserdfloh) und Krankheiten (z.B. Phoma) für benachbarte Neuansaaten. Die Kohlhernie kann innerhalb von 30 Tagen auch an Ausfallraps die gefürchteten Dauersporen bilden.
Neben den Ausfallkulturen entwickeln sich auf der Stoppel auch einjährige Unkräuter. In diesem vergleichsweise feuchten Sommer waren häufig Gänsefuß, Windenknöterich und Bingelkraut zu beobachten. Mit dem späten Glyphosateinsatz lässt sich die Samenbildung noch verhindern.
In Rübenfruchtfolgen kann die verzögerte Stoppelbewirtschaftung dabei ungewollt zu einer Vermehrung des Rübenzystennematoden führen. Dieser kann sich auch an verschiedenen Unkrautarten vermehren bevor diese vom Herbizid beseitigt werden. Häufig wird dieser Beitrag zur Populationsentwicklung unterschätzt. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Vermehrung auf der Getreidestoppel vergleichbar sein kann mit der an seiner eigentlichen Wirtspflanze der Zuckerrübe.
Neben den Auswirkungen auf die Schaderreger gibt es auch ackerbauliche Gesichtspunkte (Wassereinsparung durch Kapillarunterbrechung usw.) die praktizierte Stoppelbewirtschaftung kritisch zu hinterfragen.
Fehler im Umgang unbedingt vermeiden
Schon in eigenem Interesse sollten Gyphosatpräparate mit möglichst niedriger Gefahrstoffeinstufung zum Einsatz kommen. Mittlerweile haben fast alle Hersteller das kritisch bewertete Tallowamin durch ein geeigneteres Netzmittel ersetzt, sodass sich die öffentliche Diskussion entschärft.
Die Anwendung von Glyphosat muss, wie bei allen anderen Pflanzenschutzmitteln auch, nach guter landwirtschaftlicher Praxis erfolgen. Es versteht sich von selbst, dass sie nicht außerhalb der landwirtschaftlichen Nutzfläche zum Einsatz kommen dürfen (nicht auf Feld- und Wegränder, Hofflächen).
Deshalb ist bei der Anwendung am Feldrand besondere Sorgfalt angesagt. Bei randscharfer Applikation kann die Verwendung von Randdüsen Abdrift verhindern. Unabhängig von der Vegetation am Feldrand: Wirkstoffaustrag führt zu deutlich sichtbaren Symptomen, die auch der Laie erkennen kann und die von der Öffentlichkeit nicht mehr akzeptiert werden.
Eine ordnungsgemäße Spritzenreinigung auf dem Feld ist praktizierter Gewässerschutz! Aus diesem Grunde sollten auch keine Glyphosatmittel an Kleinanwender abgegeben werden, sondern diese über die Probleme informiert werden. Die illegale Behandlung von befestigten Flächen durch Kleinstanwender wird allgemein als Hauptursache für die Gewässerbelastungen angesehen. Der Handel darf diesen Nutzern daher nur Präparate in kleinen Mengen abgeben, wenn sie für den Haus- und Kleingarten vorgesehen sind und eine entsprechende Aufklärung voraus gegangen ist.
Dr. Bernd Augustin, DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück – LW 31/2014