Grünkohl: ein echter Fitmacher
Beim Gemüse des Monats ist die Ernte auch bei Frost möglich
In diesem Jahr erwartet Sie an dieser Stelle einmal monatlich unser „Gemüse des Monats“ mit Tipps und Tricks zu Anbau und Verwertung. Beginnen wollen wir mit einem echten Fitmacher, dem Grünkohl. Das Hauptgericht des Nordens war früher auch in süddeutschen Gärten verbreitet – die anspruchslose Kultur zählt zu den gesündesten Gemüsearten.
Anspruchslos, winterhart und so gesund wie kein anderes Gemüse – trotzdem führt Grünkohl in vielen Regionen ein Schattendasein. Er hat zwar viele Namen, eine Hauptgemüseart ist er aber nur in den nördlichen Landesteilen, in Süddeutschland fand er sich früher allerdings in rauen Klimaten in jedem Garten. Mit zunehmender Versorgung aus der Tiefkühltruhe des Supermarktes verlor er dann aber an Bedeutung und diente nur noch als Hasenfutter.Ernte selbst bei Frost noch möglich
Er gehört zu den wenigen Gemüsearten, die im Freien überwintern und selbst bei tiefen Temperaturen geerntet werden können. Das war früher unschätzbar wichtig für die Bevorratung, da Keller und Erdmieten schon Möhren, Rotkohl, Kartoffeln und Sellerie beherbergen mussten. Seit einigen Jahren erlebt die kältefeste Kohlart ein Comeback in Süddeutschland.
In der Schweiz steht er als Federkohl neben Zuckerhut und Rosenkohl im winterlichen Garten. Belgien, Niederlande, Dänemark und Schweden sind gleichfalls Grünkohl-Verehrer. In Südskandinavien wird er zusammen mit dem traditionellen Weihnachtsschinken gegessen. In weiten Teilen Norddeutschlands wird geradezu ein Kult um dieses Gemüse betrieben.
Es gibt Kohlfahrten, Kohlfeste, Kohlkönige und das traditionelle Gericht „Kohl und Pinkel“ (Grünkohl mit geräucherter Grützwurst) – geläufiger ist hier aber der Name Braunkohl. Je nach norddeutscher Region heißt er auch Friesenpalme, Oldenburger Palme, Krauskohl oder Hochkohl.
Fantasievolle Deutungen
Gerade die Bezeichnung Braunkohl bietet abenteuerliche Deutungen der Namensherkunft, etwa den Bezug zur Braunkohle oder zu Braunschweig. Fragwürdig ist auch, dass der Name Braunkohl vom Verfärben des Gerichtes nach mehrmaligem Aufwärmen stammt. Richtig ist vermutlich, dass der Name daÂrauf beruht, dass es verschiedene Sorten gibt, die sich in der Blattfarbe unterscheiden und Braunkohl von früher verbreiteten braunblättrigen Sorten herrührt.
Bis ins 19. Jahrhundert gab es im Norden Langkohl, der auffallend bräunlich-violette Blätter hatte und deshalb als Braunkohl bezeichnet wurde. Die unteren Blätter dieses mannshohen Langkohls dienten als Viehfutter, die oberen kamen in die Küche. Mit Abnahme der Tierhaltung verschwand dann diese Kohlvariante aus den Gärten, nur der Name Braunkohl ging auf den ähnlich aussehenden Grünkohl über. Inzwischen wird versucht, den echten Braun- oder Langkohl nachzuzüchten.
Jede Menge gesunde Inhaltsstoffe
Das erneute Interesse an Grünkohl hängt nicht nur mit der grundsätzlichen Besinnung auf alte Gemüsearten und den geringen Ansprüchen dieser Gartenkultur zusammen. Gerade auch das steigende Gesundheitsbewusstsein rückt Grünkohl wieder ins Blickfeld, da sein Gesundheitswert unvergleichlich groß ist. Kein Gemüse enthält so viele Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und bioaktive Substanzen wie Grünkohl.
Einige Einzelwerte können durchaus in anderen Gemüsearten etwas höher liegen, der Gesamtgehalt in Bezug auf alle Stoffe ist aber unübertroffen. Selbst Brokkoli ist ein „Waisenknabe“ im Vergleich zum Fitmacher Grünkohl. Eine Portion deckt den Tagesbedarf an Vitamin C und enthält so viel Kalzium wie zwei Gläser Milch, ist also gerade für Milchallergiker ideal zum Vorbeugen von OsteoÂporose.
Für die Darmgesundheit leisÂtet die schlichte Gartenpflanze ebenfalls Unschätzbares. Der hohe Ballaststoffgehalt sorgt dafür, dass Grünkohl lange an den Darmwänden haftet und sie dabei „aufpäppelt“. Darmprobleme werden ausgeräumt, eine gesunde stabile Darmflora kann sich aufbauen.
Grünkohl lässt sich einfach kultivieren
Obwohl er hohe Kältegrade bis minus 15 °C erträgt, stammt Grünkohl aus dem Mittelmeerraum. Als eine der ältesten Kohlarten ist er dem Wildkohl am ähnlichsten. Er hat vermutlich in Griechenland seinen Ursprung und wurde als Sabellinischer Kohl von den Römern über die Alpen gebracht.
Grünkohl (Brassica oleacera var. sabellica) gehört zur Familie der Kreuzblütler und bildet als zweijährige krautige Pflanze im ersten Jahr einen dicht beblätterten Stängel, im zweiten Jahr entstehen Blütenstände mit leuchtend gelben Blüten. Wie beim Rosenkohl bietet es sich an, ein oder zwei Pflanzen im Frühjahr „durchschießen“ zu lassen, also nicht abzuräumen. Auf diese Weise hat man sehr früh Nahrung für Nützlinge wie Schwebfliegen, die dadurch in den Garten gelockt werden und dann in der Lage sind, den ersten Blattlausbefall in Schach zu halten.
Probleme können Weiße Fliege, Kohlweißling, Kohlfliege und Kohlhernie (Pilz) bereiten. Gegen die Schädlinge hilft tief pflanzen und Gemüseschutznetz auflegen. Kohlhernie beugt man durch weite Fruchtfolgen vor, also frühestens alle vier Jahre Kreuzblütler wie Kohlarten, Rukola, Raps, Senf oder Rettich auf dasselbe Beet setzen.
Leckeres Wintergemüse frisch aus dem Garten
Die Erntezeit kann sich von November bis März erstrecken, begonnen wird im Erwerbsanbau im September, im Garten möglichst erst Ende Oktober. Ist Grünkohl richtig reif, enthält er kaum noch Stärke, bildet aber an milden Tagen weiterhin Zucker. Diese Traubenzucker-Anreicherung findet nur in der lebenden Pflanze statt. Da nach Frosteinwirkung zwar Stärke in Zucker umgewandelt wird, in reifem Kohl aber nahezu keine Stärke mehr vorhanden ist, kann kurzes FrosÂten in der Kühltruhe den Aromaeffekt des späten Erntens nicht ersetzen. Der erwerbsmäßige Gemüsebau pflanzt von vornherein Sorten mit hohem Zuckeranteil, das ermöglicht früheres Ernten.
Im Garten pflückt man die Blätter in mehrmaligen Erntegängen von unten nach oben einzeln vom Stängel, im Profianbau wird der gesamte Strunk gerodet und dann entblättert. In der Küche trennt man die Stängel mit einem scharfen Messer in gesamter Länge von der krausen Blattspreite, hackt die Blätter klein, schmort sie in Olivenöl an und kocht sie weich, am besten zusammen mit etwas Schinken oder Speck. Es ist auch möglich, kleine Mengen roh dem Wintersalat unterzumischen.
Rahmgrünkohl
Zutaten für 4 Portionen: 500 g Grünkohl, 100 ml saure Sahne, 1 EL Olivenöl oder 1 Scheibe Speck, 500 ml Gemüsebrühe, Pfeffer, Salz, Muskat. Zubereitung: Den gewaschenen und von der Hauptblattader befreiten Grünkohl klein hacken, in Öl oder mit den Speckwürfeln andünsten, mit Brühe ablöschen und 15 bis 20 Minuten garen. Mit Gewürzen abschmecken, saure Sahne unterziehen. |
Grünkohlkönig Die Stadt Oldenburg, die mit Bremen um die ältesten und wichtigsten Grünkohltraditionen streitet, wirbt einmal jährlich in der Bundeshauptstadt für sich durch die Wahl des Grünkohlkönigs. Diese Hoheit muss dann wenigsÂtens einmal während ihrer Amtszeit in Oldenburg erscheinen. Die berühmtesten Vertreter der letzten Jahre waren Gerhard Schröder (1997), Otto Schily (1999), Angela Merkel (2001), Guido Westerwelle (2003), Manfred Stolpe (2004), Christian Wulff (2005), Günter Verheugen (2006), Ole van Beust (2007), Frank-Walter Steinmeier (2008), Annette Schavan (2009), Karl-Theodor zu Guttenberg (2010) und Philipp Rösler (2011). Amtierender 55. Grünkohlkönig ist seit Mitte Januar Günther OetÂtinger. 1991 wurde anlässlich des Golfkrieges kein Grünkohlkönig gekürt. |