Heute ist elektro-frei

Wenn Jugendliche zu viel surfen, kann eine längere Auszeit sinnvoll sein

Haben Sie es schon mal mit Elektro-Diät probiert? Wenn Jugendliche stundenlang im Internet unterwegs sind oder dauernd ihr Smartphone bearbeiten, ist es für Eltern sehr schwer, sinnvolle Grenzen zu setzen. Zeitliche Begrenzungen vorzugeben, hat selten Aussicht auf Erfolg. Denn ob sie eingehalten werden, lässt sich schwer kontrollieren. Probieren Sie es doch mal mit einem elektronikfreien Tag pro Woche!

In jeder freien Minute wird im Internet gesurft, mit Freunden gechattet oder werden Nachrichten gepostet. Das kann schnell überhandnehmen.

Foto: imago images/Jochen Tack

Eigenes Smartphone?

Der praktische Nutzen eines Handys für die Jüngsten zeigt sich vor allem dort, wo die Wege weit und gefährlich sind und wo der Tagesablauf immer wieder nicht planbare Überraschungen bereithält.
Handys kosten. Und Eltern haften für die Kosten, wenn sie den Vertrag ihres Kindes genehmigt haben (Kinder unter 18 Jahren brauchen diese Einwilligung für einen Vertrag). Prepaid-Karten sind für Kinder besser als Verträge. So lernen sie mit dem Geld besser zu haushalten und können die Guthabenkarten im Rahmen ihres Taschengeldes erwerben.
Einträge ins Telefonbuch sind öffentlich – aber Handynummern können Privatsache sein und auch bleiben.
Die Handynummer des Kindes sollte aus Sicherheitsgründen nur an wenige Menschen weitergegeben werden.shf

Marc (14) hat den Bus verpasst. Der nächste fährt erst wieder am Abend – in ländlichen Regionen ist das Verkehrsnetz nicht so dicht wie in der Stadt. „Wie gut, dass er sein Handy hat“, denkt seine Mutter, als der Junge zwanzig Minuten später neben ihr im Auto sitzt und mit ihr zurück zum elterlichen Hof fährt. Eine Stunde später wird sie das Ding verfluchen, denn für Marc gibt es nichts Schöneres, als sich nachmittags auf sein Bett zu legen und zu chillen. Das heißt für ihn: Handy raus und erst mal in den diversen WhatsApp-Gruppen nachschauen, wer alles „on“ ist. Dann das Neueste austauschen. Zwischendurch spielen und Musik hören – alles auf dem Smartphone. Bei jedem „Pling“ erst mal nachschauen, wer wieder etwas gepostet hat. Das kann alles in allem dann schon mal Stunden dauern.

Wenn seine Mutter ins Zimmer kommt und den 14-Jährigen daran erinnert, dass er ja noch Hausaufgaben machen muss, heißt es: „Ja, gleich.“ So kann ein Nachmittag schnell vergehen. Abends dann noch schnell vor den Fernseher und zwischendurch auf Papas Tablet surfen. „Manchmal ist es zum Verzweifeln“, sagt Silvia Wegner. „Fällt den Jugendlichen denn gar nichts anderes mehr ein?“

Geräte nur einkassieren, ist der falsche Weg

Elektronikfreier Tag für Eltern und Kinder!

Täglich sind wir im Internet, checken mehrmals täglich unsere Smartphones: Online-Sucht ist die am schnellsten wachsende Sucht weltweit. Ein elektronikfreies Leben ist heute nur schwer vorstellbar, denn man grenzt sich damit selbst aus: Im Berufsleben ist ein Verzicht auf E-Mail, Telefon und Internet ausgeschlossen. Wir müssen aber lernen, elektronikfreie Zonen in unseren Alltag einzubauen. Die Nutzung dieser Medien entspricht einem Dauerstress, der den ohnehin bestehenden Alltagsstress noch erhöht. Ab und zu sollten wir uns das Unmögliche gönnen: Einen Tag, an dem Handy und Computer (zumindest für den privaten Bereich) komplett ausgeschaltet bleiben. Versuchen Sie es einmal: Sie werden danach gegebenenfalls sogar besser schlafen.

Im Grunde ist es mit Smartphones nicht anders als mit Fernsehen oder Computerspielen: Einerseits möchte man die Kinder und Jugendlichen an den Errungenschaften der modernen Technik möglichst früh teilhaben lassen, andererseits muss man enge Grenzen setzen und richtig gewichten. Ab und zu platzt Silvia Wegner der Kragen, dann kassiert sie sämtliche Geräte ein – für Stunden oder den Rest des Tages.

Einfach nur Handy, Computer und Spielkonsolen zu verbieten, sei aber der falsche Ansatz: Jugendliche müssten selbst entscheiden, wie lange sie Smartphone und Computer benutzen. Versuche von Eltern, in diesem Punkt strenge Grenzen zu ziehen, seien in der Regel unrealistisch, sagt Heinz Thiery von der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung. „Man soll keine Vorgaben machen, die man nicht ernsthaft kontrollieren kann“, so der Leiter der Online-Erziehungsberatung. Und das sei schwer möglich, weil Jugendliche ihr Smartphone überall hin mitnehmen und ständig nutzen können. „Das lässt sich von den Eltern eigentlich nicht kontrollieren.“ Lückenlos lasse sich kaum überschauen, wie lange Jugendliche Smartphone, Tablet, Laptop und PC nutzen.

Kletterpark statt Online-Spiel

„Besser ist es, attraktive Alternativen anzubieten“, findet der Erziehungsexperte und rät zu einem „elektronikfreien Tag“ pro Woche. An diesem Tag könnten Eltern und Kinder beispielsweise einen Ausflug in den Kletterpark machen oder ins Schwimmbad gehen. Es müssten auch nicht unbedingt Aktivitäten für die ganze Familie sein. Genauso gut sei, den Nachwuchs zum Sport oder zu anderen Aktivitäten zu motivieren. Dann fällt es vor allem etwas älteren Kindern und Jugendlichen leichter, auf die elektronischen Spiele zu verzichten. Von der Idee, so etwas zen­tral und bundesweit zu organisieren, hält Thiery allerdings wenig: „Das wäre als Signal zwar ehrenhaft und hilfreich, aber das wird sich kaum durchsetzen lassen.“

Eltern, die den Eindruck haben, dass ihr Kind Smartphone und Rechner in riskanter Weise nutzt, sollten mit ihm darüber sprechen. So können sie versuchen herauszufinden, wie die Jugendlichen ihren Tagesablauf wahrnehmen und ob sie einen Zwang empfinden, möglichst lange am Monitor oder Display zu sein. Wenn sich Eltern Sorgen machen, dass ihr Kind in dieser Hinsicht gefährdet ist, sollten sie mit einem Psychologen oder Sozialpädagogen darüber sprechen.

Langeweile? Smartphone an ...

Tipps zur sinnvollen Mediennutzung – für Eltern und Kinder

  • Das Spielen auf dem Handy oder Computer sollte geplant werden – nicht automatisch das Handy anschalten, wenn es langweilig wird. Wie wäre es mal mit einem Medientagebuch? Die täglichen Handy-Stunden können in einen Stundenplan eingetragen werden. So wird deutlich, wie viel Zeit am Tag und in der Woche die Kinder vor dem Display verbringen.
  • Oder Sie legen gemeinsam mit dem Kind eine maximale Anzahl von Stunden fest, die es dann selbstständig auf die Woche verteilen kann. Wenn am Schluss zwei elektronikfreie Tage übrig bleiben: perfekt!
  • Vor dem Schlafengehen gehört das Handy ausgeschaltet – vor allem bei jüngeren Kindern. Das Flimmern, die Geräusche und Eindrücke müssen erst einmal verarbeitet werden.
  • Zur Entspannung sind Pausen besonders wichtig. Die Konzentrations- und Aufnahmefähigkeit von Kindern ist begrenzt – egal ob sie simsen oder ein Computerspiel machen. Für die Jüngsten ist nach 15 bis 20 Minuten das Limit erreicht, für Grundschulkinder spätestens nach 45 bis 60 Minuten, nur die Teenager sind belastbarer.
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Sabine Hense-Ferch redaktion-lippstadt.de

 – LW 1/2014