Tierhandling im Krankenabteil

Nicht jede kranke und/oder verletze Kuh im Krankenabteil kann gleich behandelt werden. Die verantwortlichen Personen müssen entsprechend unterwiesen werden, damit unterschiedliche Behandlungsroutinen bei unterschiedlichen Krankheiten auch durchgeführt werden. Wichtig dabei ist auch zu bedenken, dass die Umweltgestaltung zwar wichtig, aber auch nicht alles ist – die Fütterung kranker Kühe ist ein extrem wichtiger Baustein für gute Behandlungserfolge.

Lahmheiten
Kühe mit einer tiefgreifenden Entzündung bis ins Klauengelenk erfordern eine OP und eine verlängerte Aufenthaltsdauer im Strohstall oder sie müssen den Bestand verlassen. Es ist unakzeptabel ein Stallabteil mit vielen schwer lahmen Kühen zu haben, die kaum noch laufen können bzw mit Antibiotika behandelt sind

Ketose/Frischabkalberprobleme
Das Fressverhalten dieser Tiere muss genau kontrolliert werden, wie auch die Schwere der Ketose über Schnellteste wie Urin- oder Milchteststreifen bestimmt werden sollte. Häufig liegt das Hauptaugenmerk der Behandlungen hier auf der Glucoseinfusion und der Verabreichung von Steroiden wie Cortison. Die wiederholte tägliche Glucoseinfusion erhöht aber das Risiko von Labmagenverlagerungen (warum?) und macht vieles schlimmer als besser und die wiederholte Behandlung mit Steroiden steigert das Milchfieberrisiko (Hypocalcämie)der Tiere. Der ungehinderte Zugang zu frischem, sauberen Heu hilft diesen Tieren oft viel mehr.
Gerade in diesem Bereich ist die Vorsorge der beste Weg. Wieviele Ketosefälle sind überhaupt akzeptabel und wie viele werden monatlich behandelt? Die individuelle Nachbehandlung der Einzelkuh ist extrem wichtig, eben weil bekannt ist, dass diese Tiere ein hohes Risiko haben, auch an einer Labmagenverlagerung zu erkranken.

Schwere Mastitisprobleme
Ebenso wie bei Ketose oder anderen metabolischen Stoffwechselstörungen ist es auch bei Mastitis wichtig zu wissen, wie hoch die Krankenziffer ist und welche Mastitiserreger die Ursachen sind. Eine pauschale Antibiotikatherapie wird immer mehr ersetzt durch eine fallspezifische Behandlung, die nach dem Erregertyp ausgerichtet ist. Der Behandlungserfolg stellt sich dann schneller ein, mit der Folge, dass weniger Mastitiskühe im Krankenabteil stehen. Jeder verantwortliche Mitarbeiter muss die Grundlagen der Erregerbiologie kennen und die unterschiedlichen Ursachen (euterassoziiert oder Umweltkeime) im Sachverhalt verstehen und anwenden können. Kühe brauchen 2 Liter Kochsalzlösung (wo? Als Infusion, Euterinfusion  ), warum wird häufig nur die Hälfte verabreicht? Schmerzen sollten immer parallel mitbehandelt werden, Schmerzmittel und Entzündungshemmer wirken hier of wahre Wunder (sogenannte NSAIDs) (use of NSAIDs.")

Verletzungen/Paralyse

Für Kühe mit Verletzungen ist ein sehr gut eingestreuter Liegebereich ein absolutes “muss". Auch ein Wassertank, mit dessen Hilfe die Kühe wieder aufstehen können, ist hier hilfreich.(Aqua Cow Rise System)
Eine gute Pflege und Versorgung der „downer cows“ und der Tiere mit Verletzungen ist notwendig für die Genesung der Tiere. Die Tiere müssen regelmäßig aufgehoben, hochgespült (Wassertank) und gedreht werden, um bestmögliche Behandlungserfolge zu erzielen. Das ist zeitintensiv, erfordert Geduld und Liebe zur Einzelkuh sowie auch bei der Kontrolle der Kühe. Die Zeit ist hierbei der Schlüsselfaktor, denn Herdenverantwortliche erwarten, dass auch die Arbeit im Krankenbereich innerhalb einer definierten Zeit erledigt ist. Dieses Zeitfenster wird besonders bei der Behandlung von „downer cows“ schnell überschritten.

Durchfall, Atemwegserkrankungen
Wenn Kühe (gilt natürlich noch mehr für Kälber) mit Durchfall nicht isoliert von anderen Tieren gehalten werden, findet zwangsläufig eine Kontamination der Stallumwelt statt. Die kontagiöse Natur dieser Erreger wird häufig unterschätzt. Die Kühe sollten so behandelt werden, dass das Verbreitungsrisiko der Erreger minimiert wird. Das Nutzen separater Nadeln, von sauberen Gummihandschuhen und das Ausspülen der Spritze („balling gun“) in einer Desinfektionslösung bevor die nächste Kuh behandelt wird sind wichtige Bestandteile bei der Vermeidung der Erregerausbreitung im Krankenabteil.


Anmerkung:
Auch wenn dieser Hinweis auf größere Betriebe mit Fremdarbeitskräften abzielt, ist es durchaus auch für Familienbetriebe von Bedeutung, bei der Kuhbehandlung zu entscheiden, welche Behandlung und Pflege bei welcher Krankheit am sinnvollsten ist. Grundsätzlich kann ein Betrieb unabhängig von der Kuhzahl, nicht auf ein separates Krankenabteil verzichten. Die herkömmliche Praxis, die kranken Kühe mit den Abkalbern gemeinsam zu halten, ist für Behandlungserfolge und Krankheitsprophylaxe völlig unproduktiv!

S. Möcklinghoff-Wicke, aus Bovine Practitioner, Dez. 06