Hofgastronomie für jeden Geschmack
Bauernhof- und Winzerhofgastronomie kommen gut an
Hofgastronomie wird zunehmend auch bei landwirtschaftlichen und weinbauliÂchen Betrieben in Rheinland-Pfalz zu einem ergänzenden unternehmerischen Standbein. Landwirtschaftskammer und Agrarsoziale Gesellschaft fördern diese Entwicklung mit intensiÂver Beratung potenzieller und bereits in diesem Bereich tätiger Landwirte und Winzer. Maria Goetzke und Andrea Schwahn von der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz informieren im Folgenden von einer Weiterbildungsveranstaltung für Anbieter von Bauern- und Winzerhofgastronomie, die die Landwirtschaftskammer und Agrarsoziale Gesellschaft auf dem Ferienhof Hardthöhe in Oberwesel anboten.
„Hofgastronomie präsentiert inzwischen ein vielfältiges Angebot für jeden Geschmack und jeden Geldbeutel“, so Heribert Metternich, Vizepräsident der Landwirtschaftskammer RheinÂland-Pfalz auf der Veranstaltung. Eine Einschätzung, der Michael Busch, Vertreter der AgrarsoÂzialen Gesellschaft, beipflichtete: „Die Gäste schätzen zunehmend den hohen Wohlfühlfaktor und das gute Preis-Leistungsverhältnis in der Bauern- und Winzerhofgastronomie. Wir wolÂlen dazu beitragen, dass die Betriebsinhaberinnen und -inhaber das besondere Erlebnis für den eigenen Betrieb finden und gestalten.“Erfolgsfaktoren und Besonderheiten
„Wichtig ist, dass sich die Hofgastronomie von der üblichen Gastronomie unterscheidet“, unterstrich Dr. Elisabeth Seemer für die Landwirtschaftskammer. „ Vorzüge, die sich durch die Anbindung an einen landwirtschaftlichen Betrieb ergeben, müssen für den Gast erkennÂbar und erlebbar werden.“ Dieses Erlebnis richtet sich nach den betrieblichen GegebenheiÂten – sei es ein besonderes Erzeugnis, ein malerisches Hofambiente, die besondere Lage oder spezielle Einblicke in den Betrieb. Im Rahmen der Prämierung „Hofgastronomie“, die die Landwirtschaftskammer seit 2007 durchführt, wird das Unternehmenskonzept des BeÂtriebes durch eine Kommission neutral durchleuchtet und beurteilt. „Die kritische AuseinanÂdersetzung mit dem eigenen Angebot ist es, was viele Betriebe weiterbringt“, ermutigÂte Dr. Seemer die Teilnehmer, die eigenen Leistungen unter die Lupe zu nehmen.
Alles, was Recht ist
„Das Vorhaben Hofgastronomie sollte nur angehen, wer auch die wichtigsten relevanten Rechtsbestimmungen kennt!“ Dr. Seemer warnte davor, blauäugig in diesen Betriebszweig einzusteigen. Eine Konzession wird benötigt, sobald alkoholhaltige Getränke ausgegeben werden. Ausnahmen gelten für Winzer im Rahmen einer Straußwirtschaft und für die Abgabe an Hausgäste im Rahmen der Gästebeherbergung. Wichtig ist die Beantragung einer NutÂzungsänderung. Bei Neubauten und erheblichen Umbauten müssen seit einiger Zeit die Vorgaben „barrierefrei“ beachtet werden, sofern dies für den Betrieb mit einem zumutbaren Aufwand verbunden ist. DaÂrüber entscheidet die Bauabteilung der Kreisverwaltungen. Eine spezielle Berufsausbildung wird nicht verlangt. Es muss lediglich eine halbtägige Schulung bei der IHK absolviert werden. Darüber hinaus ist die Teilnahme an einer Erstbelehrung beim GesundheitsÂamt notwendig. Das gilt auch für alle Mitarbeiter, die mit den Speisen in Kontakt kommen.
Kunden durch Servicequalität begeistern
Die Kundenerwartungen nehmen immer weiter zu; doch was erwarten unsere Gäste eigentÂlich und womit können wir unsere Gäste überraschen? Die BasisquaÂlität, beispielsweise dass Toiletten sauber, Papierhandtücher und Seife immer aufgefüllt sind, sollte jeder GastÂgeber erfüllen. Ebenso die nächste Stufe, die Erwartungsqualität. So erwarten Gäste bei einer Straußwirtschaft, die direkt an einem Radweg liegt, ausreichend Fahrradständer. „Dem Gast eine Wunsch- oder gar eine Ãœberraschungsqualität zu bieten, ist sicherlich eine HeÂrausforderung für jeden Gastgeber“, hob Hildegard Runkel von der Landwirtschaftskammer hervor. „ Liegen in der Ãœbergangszeit im Außensitzbereich des Bauernhofcafés FleecedeÂcken für die Kunden, werden die Gäste sich sehr freuen und diese Ãœberraschung Freunden und Bekannten weitererzählen. Der Betrieb bleibt in sehr angenehmer Erinnerung und wird gerne wieder besucht.“
Kalkulation und Preisgestaltung
Häufig werden Verkaufspreise in der Gastronomie durch Vergleich mit den Mitbewerbern ermittelt und festgelegt. Dabei wird nicht der wirtschaftlich sinnvolle Preis, sondern ein am Markt orientierter Wert eingesetzt. Zur Kalkulation der Preise hingegen ist es notwendig, die Kosten des eigenen Betriebes zu kennen und zu analysieren. Am besten lässt sich der GeÂwinn steigern durch erhöhte Gästezahlen, Erhöhung des Umsatzes pro Gast sowie durch Preiserhöhungen, sofern die übrigen Kosten gleich bleiben. Besonders Einsteiger in die Gastronomie machen häufig den Fehler, die Preise zu niedrig anzusetzen. Es ist außerorÂdentlich schwierig, später Preiserhöhungen durchzusetzen. „Sie müssen den Kunden verÂmitteln, dass es auf dem Bauern- oder Winzerhof ProdukÂte in ausgesucht hochwertiger QuaÂlität gibt und dass der Preis dafür angemessen ist“, betonte Hiltraud Holle-Busch (LandwirtÂschaftskammer). „Auch besondere Torten oder Kuchen nach „altem Geheimrezept“ können etwas mehr kosten. Die angebotenen Speisen dürfen nicht mit der Konkurrenz vergleichbar sein.“
Marketing in der Praxis
Rita Lanius-Heck , Inhaberin des Ferienhofs Hardthöhe, unterteilt die Marketingmaßnahmen ihres Betriebes in Hard- und Software. Zur Hardware zählt sie einheitliche Kleidung der MiÂtarbeiter mit Logo, Hausprospekte, Internetauftritt, diverse Zertifikate, Presseberichte, AnzeiÂgen und immer wieder gute Fotos. „Fotos sprechen das Gefühl an. Sie kosten viel Geld, aber es ist gut investiertes Geld“, so Rita Lanius-Heck. „Pressearbeit wird besonÂders effektiv, wenn Anzeigen mit einem redaktionellen Teil kombiniert sind. Der redaktionelle Teil – ein Bericht über Neuerungen, Auszeichnungen, ungewöhnliche VerÂÂanstaltungen, beÂkannte Persönlichkeiten auf dem Hof, Witziges vom Hofgeschehen, auch soziales EngageÂment der Betriebsleiterfamilie – also eine treffende Schlagzeile, ein guter Text, ergänzt mit einem guten Foto, das ist Erfolg versprechend!“
Neben „harten“ Marketinginstrumenten setzt Rita Lanius- Heck auf das Marketing mit Herz. In ihrem Familienbetrieb wird ein bewusster, ganz individueller Umgang mit dem Gast gepflegt. „Wir geben alles und die Gäste nehmen auch alles. Sie fordern viel Zeit und sehr viel Geduld. Aber, und das betont die Anbieterin immer wieder, „die Gäste geben viel zurück, nicht nur monetär, zu vielen besteht eine freundschaftliche Beziehung.“ Insbesondere bei der Stammkundschaft spielt das MarkeÂtinginstrument „Zeit“ eine zentrale Rolle. Der Gast erwartet, dass er von der Anreise, über den Aufenthalt bis zur Abreise Ansprechpartner hat. Zeit für den Gast haben und dies auch vermitteln, das ist auch die Kunst beim Führen von Telefonaten, beim Beantworten von E-Mails, die immer, selbst bei Absagen, mit ausdrücklicher Freundlichkeit beantwortet werden müssen.
Alte Höfe mit neuem Auftritt und pfiffige Ideen
Pfiffig ist ihre Idee, mit einzelnen Karten zu arbeiten anstelle von gebundenen Speisekarten oder Hausprospekten. Die Gäste finden alle Informationen auf einzelnen Karten, zum Beispiel zu einem Kuchen. „In der Praxis muss daher bei verändertem Angebot nicht die gesamte Speisekarte geändert werden“, erläuterte Julia Heinemann. „Der Vorteil bei dem HausprosÂpekt in Kartenform liegt darin, dass er als etwas Besonderes erscheint und vermutlich länger aufbewahrt wird.“
Rad- und Wanderwege als Chance für die Hofgastronomie
„Bewegung mit dem Rad, per pedes, mit und ohne Stöcke, in jedem Alter, bei fast jedem Wetter ist heute in“, so Birgit Hauter (Landwirtschaftskammer). Wandern und Radwandern sind zwei Schwerpunktthemen der Tourismusstrategie 2015 für das Land Rheinland-Pfalz. Derzeit gibt es vier Wandersteige im Land, bis 2015 sollen es insgesamt zehn werden. „Das DenÂken, dass ein Gast für eine Nacht kein lohnendes Geschäft ist, muss in diesem ZusammenÂhang der Vergangenheit angehören“, appellierte Birgit Hauter. „Die Tagesausgabe eines Ãœbernachtungsgastes liegt im Landesdurchschnitt bei insgesamt 80 Euro. Ein TagesausÂflügler in Rheinland-Pfalz gibt 28 Euro aus.“ Zwar sind Lage und Attraktivität mitentscheiÂdend, ob der einzelne Betrieb von den Rad- und Wanderwegen profitiert. Die anderen KriteÂrien für einen wanderfreundlichen Gastgeber kann der Betrieb hingegen weitgehend selbst beeinflussen. Das bundesweit geprüfte Qualitätssiegel für besonders wanderfreundliche BeÂherberÂgungs- und Gastronomiebetriebe wird auch in Rheinland-Pfalz umgesetzt.
Exkursion und Besichtigung
Den Abschluss des zweitägigen Seminars bildete die Besichtigung von zwei Winzerbetrieben, die in jüngster Zeit in ihre Gastronomie investiert haben. Das Weingut Margaretenhof in Schwabenheim hebt sich mit dem Angebot von Café und Gutsschänke sowie separatem Veranstaltungsraum von den Gastronomieangeboten der örtlichen Konkurrenz ab. Der BeÂtrieb liegt am Selztal-Radweg und orientiert seine Öffnungszeiten daher auch an den BeÂdürfnissen der Radfahrer. Böhm“s Weingewölbe ist die einzige Weinstube in Wörrstadt und füllt mit ihrem Angebot eine Marktlücke. Die Kombination von Gästezimmern und GastroÂnomie kommt allen Betriebszweigen zugute. Beeindruckend bei beiden Betrieben ist, dass sie in kurzer Zeit mehrere feste Arbeitsplätze geschaffen haben, zur eigenen Entlastung soÂwie zur Sicherstellung der kontinuierlichen Qualität ihrer Angebote.
Die Veranstaltung wird erneut angeboten: 17. und 18. Februar – Programm siehe www.lwk-rlp.de, Rubrik „Beratung; Landtourismus“, Tel: 0671/793-1146. |