Welchen Wert hat eine Beweidung durch Schafe?

Fragen an Dr. Gerhard Quanz, Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Früher war es gang und gäbe: das Überweiden von landwirtschaftlichen Flächen mit Schafen. Für Wanderschafhalter war dies traditionell die Grundlage der Produktion. Mittlerweile stehen immer weniger Flächen zur Verfügung und es gibt Diskussionen, ob Schafhalter dafür zahlen sollten.

LW: Besitzer ungenutzter Grünlandflächen geben häufig Wanderschafhaltern den Auftrag, diese Flächen im Herbst und Frühjahr abzuweiden. Welchen Nutzen hat der Grünlandbesitzer davon?

Dr. Gerhard Quanz, zuständig für Schafhaltung und -zucht beim Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen.

Foto: LW

Dr. Gerhard Quanz: Wichtig bei der Nutzung von Grünlandflächen durch den Wanderschäfer sind verbindliche Absprachen und Wahrung der gegenseitigen Interessen. Ziel ist ein vernünftiges Miteinander. Ist die Nutzung von beiderseitigem Vorteil, wird sie auf Dauer bestehen. Doch nun zu der eigentlichen Frage, welchen Vorteil die Nach- und Vorbeweidung für den Grünlandbesitzer hat. Die Herbstweide auf Flächen mit üppigem Herbstaufwuchs (Bestände mit mehr 12 Zentimeter Wuchshöhe), kann das Risiko des Auswinterns verringern. Dabei werden durch den Befall mit Schneeschimmel die Gräser und Kräuter des Grünlands geschädigt. Kurze Grasnarben sind davon weniger betroffen. Deutsches Weidelgras als eine wertvolle und ertragreiche Art des Grünlandes ist dabei am empfindlichsten. An Geilstellen können sogar freie Stellen durch diesen Befall entstehen auf denen dann unerwünschte Pflanzen auflaufen. Weidelgrasbestände sollten deshalb kurz in den Winter gehen. Bestände, die nicht mit Schafen überweidet werden, sollten gemulcht werden – ein kostenintensiver Arbeitsgang der auf überweideten Flächen entfällt. Auf Heuwiesen sorgt der Tritt der Schafe im Frühjahr für eine oberflächliche Verdichtung des Bodens der durch den Winterfrost gelockert wurde. Auf überweideten Flächen kann das Walzen entfallen. Zur frühen Verholzung neigende Obergräser werden verbissen und es ist mehr Raum für Kräuter und Untergräser. Der Wert des gewonnen Heus kann durch Frühjahrsbeweidung gesteigert werden. Auf Siloflächen mit intensiver Nutzung trifft dies weniger zu. Hier tritt eine Frostlockerung weniger ein. Eine Frühjahrsnutzung durch Schafe bringt hier keine Vorteile. Intensiv genutztes Grünland sollte in der Regel allenfalls nachgenutzt werden.
LW: Vor allem bei kleinen Flächen findet sich gar kein Landwirt, der die Fläche abmähen und Gras oder Silage davon herstellen möchte. Wie hoch sind die Kosten, die für ein Abmähen und den Wegtransport des Grases angesetzt werden müssten?
Quanz: Die Kosten für Mähen und Abtransport sind nicht das Problem. Hier entstehen Kosten von 120 bis 150 Euro je Hektar – bei längeren Entfernungen zum Lagerort aber auch mehr. Wenn der Aufwuchs nicht genutzt werden kann, ist die Entsorgung des Schnittguts das eigentliche Problem. Selbst Biogasanlagen sind in der Regel nicht an solchem Material interessiert, da es nur wenig Gasertrag bringt und unproduktiv ist.
LW: Welcher positive Wert durch die Schafbeweidung steht dem entgegen?
Quanz: Pflege durch Nutzung ist eine sinnvolle Alternative zu kostenintensiver Maschinenpflege. Allerdings ist die Nutzung von kleineren Flächen mit großen Schafherden kaum möglich, es sei denn sie liegen günstig auf dem Triebweg einer Herde. Sonst sind kleinere Herden einzusetzen, die jedoch oft auf der Achse von einer Kleinfläche zur nächsten transportiert werden müssen. Da feste Zäune meist fehlen, sind aufwendig flexible Elektronetzzäune aufzustellen. Handelt es sich dann noch um ungepfleg­tes, ertragsschwaches Grünland steht dem Nutzen für den Schafhalter ein kaum zu rechtfertigender Aufwand gegenüber.
LW: Gibt es auch Nachteile durch die Nutzung von Schafen?
Quanz: In der Regel ist eine Beweidung ab Mitte November und bis Ende März für die spätere Ertragsfähigkeit ohne Bedeutung. Schafe fressen stark selektiv und verbeißen tief. Gräser die Reservestoffe oberirdisch im Stängel einlagern werden durch den tiefen Verbiss geschwächt. Bei Hauptfutterflächen mit Klee- oder Luzernebeständen muss Rücksicht auf die mehrjährige Nutzung genommen werden. Sie dürfen nicht zu stark verbissen werden. Selektives und tiefes Abfressen spielt bei einer zügigen Überweidung jedoch eine untergeordnete Rolle.
LW: Sollte der Grünlandbesitzer von dem Schafhalter für die Flächennutzung einen Obolus verlangen?
Quanz: Ein Obolus kann nur für eine Hauptnutzung verlangt werden. Nicht für die Überweidung im Herbst und Frühjahr, da für den Grünlandbesitzer keine wirtschaftlichen Nachteile entstehen. Der Nährstoffentzug durch die Schafe ist gering. Der überwiegende Teil der Nährstoffe wird durch die Tiere auf den Flächen über Kot und Harn wieder ausgeschieden. Da die Beweidung von Grünland im Rahmen des HIAP-Programms in Hessen mit höheren Beihilfen verbunden ist, kann eine vertragliche Regelung zwischen Grün­land­be­sitzer und Schäfer sogar finanzielle Vorteile für den Antragsteller bringen.

Die Fragen stellte Marion Adams