Europa ohne Begeisterung

In diesem Jahr werden in Europa wichtige Weichen gestellt. Im Juni wählen die Europäer ein neues Europäisches Parlament, und in der zweiten Jahreshälfte wird eine neue EU-Kommission bestimmt. Auch wird die Entscheidung über den Lissabon-Vertrag fallen, mit dem die Beschlussfassungsstrukturen in der Europäischen Union modernisiert werden sollen. Die Beteiligung an der Europawahl wird immer wichtiger, weil die Parlamentarier mehr Macht gewinnen werden.

Für die Landwirte, deren tägliches Handeln vielfach von europäischen Gesetzen oder Vorschriften bestimmt wird – seien es Umwelt-, Tier- oder Verbraucherschutzvorschriften, aber auch von der EU-Agrarförderung – ist der Ausgang der Europawahlen besonders wichtig. Auf der anderen Seite nimmt die Begeisterung für Europa ab. 1979 beteiligten sich 66 Prozent der Bürger in Deutschland an der Europawahl, im Jahr 2004 waren es nur noch 43 Prozent. Vielfach wird Europa wahrgenommen als eine Gesetzesmaschine, die jede Kleinigkeit regeln will, bis hin zum Salzgehalt im Brot. Und für viele Landwirte war es erschreckend, wie die EU-Parlamentarier jenseits von jedem Praxisbezug über Pflanzenschutzmittel diskutierten.

Schwierig ist es auch, wenn in Europa unterschiedliche Mentalitäten der Nationalstaaten aufeinandertreffen. So ist beispielsweise die Transparenzrichtlinie, mit der Empfänger von Agrarzahlungen im Internet veröffentlicht werden, für Skandinavier offensichtlich kein Problem. Für deutsche Landwirte mit einer anderen Kultur ist sie dagegen zu Recht nicht akzeptabel. Schwer sind auch Abstimmungsniederlagen zu ertragen, wie beispielsweise bei der Erhöhung der Milchquote im vergangenen Herbst, bei der sich Deutschland einer Mehrheit beugen musste. Klagen und Passivität helfen allerdings nicht weiter. Es bleibt, das Beste aus der Situation zu machen, Einflussmöglichkeiten zu nutzen und den Kandidaten für die Europawahl auf den Zahn zu fühlen.

Cornelius Mohr