Melde und ihre vergessenen Verwandten
Essbare Gänsefußgewächse: Melde, Guter Heinrich, Gartenmelde und Erdbeerspinat
„Melde haben wir früher gegessen. Das glaubt mir heute kaum noch jemand.“ Wem sollte man es verdenken? Dieses Kraut sieht aus, als wäre es mit Mehltau befallen. Aber, den Weißen Gänsefuß (Chenopodium album), volkstümlich „Melde“ genannt, kann man wirklich essen.
Die Melde zählt zu den Gänsefußgewächsen. Diese werden so genannt, weil einige der zu dieser Familie zählenden Arten gänsefußartige Blätter aufweisen und junge Gänse damit gefüttert wurden. Die Blätter der Melde sind sehr formenreich, im jungen Zustand grün, später bläulich bereift. Sie sehen aus wie mit Mehl bestäubt. An den bis zu 1,50 m hoch werdenden, oft rötlich überlaufenen Stängeln der Pflanze entwickeln sich kleine weißlichgrüne Blütenknöpfchen. Zu finden ist die einjährige Melde an sonnigen Standorten, die offenen Boden aufweisen, also auf Acker-, Brach- und Schuttflächen. Besonders im späten Frühjahr lassen sich aus den jungen Blättern und Triebspitzen der Melde Salate zubereiten. Im Sommer geerntete Blätter sind leicht bitter und werden daher zu schmackÂhaften Aufläufen, spinatartigem Gemüse oder zu Suppen verarbeitet. Bis in den Herbst hinein kann man die frischen Blütentriebe mit ihrem nussigen Geschmack über Salate oder Frischkäsebrote streuen. Die Samen wurden früher gemahlen und wie Getreidemehl genutzt.
Die wild wachsende, einheimische Melde hat früher vor allem in Notzeiten auf dem Speiseplan gestanden. Ganz anders drei verwandte Arten, die zum Teil über Jahrhunderte in den Gärten als Gemüsepflanzen angebaut wurden: der Gute Heinrich, die Gartenmelde und der Erdbeerspinat. Was hat dazu geführt, dass diese altbewährten Gartenpflanzen heute fast in Vergessenheit geraten sind?
Guter Heinrich
Wie die Melde, ist der Gute Heinrich eine heimische Wildpflanze. Er wächst auf nährstoffreichen Böden, vor allem an stickstoffreichen Standorten, wie zum Beispiel an Dungstellen und Misthaufen oder an Wegen, über die das Vieh getrieben wird.
Jahrhunderte lang wurde der Gute Heinrich (Chenopodium bonus-henricus) als Gemüse- und Heilpflanze in ganz Europa in den Gärten angebaut. Man setzte ihn gegen Hauterkrankungen ein, indem man Breiumschläge zur Behandlung von Wunden und Verbrennungen auflegte.
Als Gemüsepflanze ist der Gute Heinrich sehr pflegeleicht, winterhart und ausdauernd. Er kann also mehrere Jahre lang genutzt werden. Im Frühjahr ergeben die jungen Sprossspitzen und Blätter ein wertvolles Gemüse („Wilder Spinat“). Etwa zehn Pflanzen sollen genügend Blätter für einen Haushalt liefern.
Aus unseren Gärten wurde die alte Gemüsepflanze durch den Spinat (Spinacea oleracea) verdrängt. Auch diese Pflanze gehört zu den Gänsefußgewächsen. Der Spinat ist vermutlich von den arabisch besetzten Teilen Spaniens nach Deutschland gelangt oder aber direkt von den Kreuzfahrern aus dem Orient, dem Ursprungsland des Spinats mitgebracht worden.
Nach der Verbannung aus den Gärten war der Gute Heinrich dann noch lange Zeit als Wildkraut in den Dörfern zu finden. Durch die Verstädterung der Dörfer sind die stickstoffreichen Standorte jedoch immer seltener geworden. Der Gute Heinrich verlor damit seine letzte Wohnstätte. Heute ist er bundesweit als „gefährdet“ eingestuft, in Niedersachsen steht er sogar als „stark gefährdet“ auf der „Roten Liste der gefährdeten Tiere und Pflanzen“.
Bis in die Neuzeit hinein wurden nicht nur die dreieckigen Blätter der Rosette geerntet, sondern auch die länglich-lanzettförmigen Stängelblätter der bis zu einem Meter hoch werdenden Pflanze. Am besten schmecken sie, wenn sie vor der Blüte gepflückt werden. Wird die einjährige Gartenmelde ab März ins Freiland gesät, kann sie ab Mai schon geerntet werden.
Obwohl der Anbau der Gartenmelde bis in die Neuzeit reicht, wurde sie schon im Verlauf des Mittelalters vom Echten Spinat zusehends verdrängt. Albertus Magnus erwähnt im 13. Jahrhundert die Vorzüge des Neuankömmlings: „Er (der Spinat) übertrifft die Melde, besitzt borretschähnliche Blätter, wegerichähnliche Blüten und stachelige Früchte.“
Erdbeerspinat
Seinen Namen hat der Erdbeerspinat seinen roten, essbaren Früchten zu verdanken. Der zweite Teil des Namens drückt die eigentliche Nutzung dieser Pflanze aus. Bevor der Spross in die Blüten schießt, können die jungen Rosettenblätter geerntet und wie Spinat zubereitet werden. Der einjährige Erdbeerspinat wird zwischen März und Juni ausgesät, die Blätter von Mai bis Juli geerntet. Mit ihrer dreieckigen Form und der starken Zähnung sehen die Blätter denen der Melde ähnlich. Die Früchte des Erdbeerspinats sollte man mit den allseits beliebten Erdbeeren nicht vergleichen. Sie schmecken eher fad und beinhalten viele kleine Samen. Bestenfalls eignen sie sich als ausgefallene Dekoration.In Europa ist diese alte Kulturpflanze als Gebirgspflanze im alpinen Bereich noch zu finden, aber nur noch selten. Daneben gibt es den „Kopfblütigen Erdbeerspinat“ (Chenopodium capitatum), dessen Heimat vermutlich NordÂamerika ist. Bei dieser Pflanze sind die Früchte nicht über den ganzen Spross verteilt, sondern sitzen in kugeligen Knäueln zusammen.
Im Gegensatz zum Guten Heinrich und der Gartenmelde war der Erdbeerspinat nur relativ kurze Zeit in den Bauerngärten zu finden und wurde wie ihre beiden Verwandten vom Echten Spinat verdrängt.
Zweite Chance für Vergessene?
Nichts gegen den Spinat! Schon seit Popeye dem Seemann wissen wir um die kräftestärkenden Inhaltsstoffe des Spinates, konsumierte dieser ihn doch dosenweise, um sich für seine Heldentaten zu stärken. Aber sollten seine Verwandten, die er verdrängt hat, nicht eine zweite Chance bekommen? Neueste Bücher über alte Gemüsesorten für den Garten räumen ihnen wieder einen Platz ein; Samen sind im Handel erhältlich. Der Gute Heinrich lässt sich spielend in eine Ecke des Gartens ansiedeln, wo er Jahre überdauert, die Gartenmelde ist viel widerstandsfähiger und leichter zu kultivieren als der Spinat. Sie bringt auch an halbschattigen Standorten Ertrag. Selbst wenn man den Erdbeerspinat nicht verarbeiten möchte, kann er doch als interessante Zierpflanze den Garten schmücken. Gisela Tubes
Melde-Quiche Zutaten für vier Personen:
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