Richtig konsequent sein
Zur richtigen Zeit erzieherische Konsequenz einsetzen
Es hat sich herumgesprochen, Konsequenz heißt das Zauberwort für erfolgreiche Erziehung. Nur: Dies auch umzusetzen, ist gar nicht immer leicht. Im Folgenden erfahren Sie Erziehungstipps vom Fachmann.
Gute Mischung für konsequentes Verhalten
Was das konkret bedeutet, erläutert Diplompsychologe Hermann Liebenow, der sich als Leiter der Erziehungsberatungsstelle in Münsingen und Autor des Buches „Konsequenz“ (siehe Buchtipp Seite III), intensiv mit dem Thema befasst: „Eltern müssen Ersatz-Erfahrungen schaffen, die dem Sprössling möglichst einprägsam zeigen: So nicht!“ Je nach Alter des Kindes und Situation greifen hier ganz unterschiedliche Strategien. Und manchmal dürfen Mama oder Papa auch ein ganz klein wenig tricksen. Denn mit der richtigen Mischung aus Gelassenheit, Humor und Hartnäckigkeit, klappt es auch mit der Konsequenz. Der Erziehungsexperte gibt am Beispiel typischer Alltagsprobleme ganz konkrete Tipps, wie Eltern richtig reagieren können.
Sozialtraining für Sandkastenrowdys
Kennen Sie das? Ihr Kind sitzt im Sandkasten auf dem Spielplatz. Zusammen mit anderen. Und schon geht es los. „Der hat mir meine Schaufel weggenommen“, brüllt jemand. Mit „der“ ist meist der Ihrige gemeint. Was Ihnen von den übrigen SpielplatzÂeltern nicht eben die wohlwollendsten Blicke beschert. Was nun? Zunächst natürlich das übliche Programm: Sie rufen: „Gib die Schaufel zurück!“ Was Ihr „Goldkind“ natürlich nicht tut. Sie gehen hin, nehmen ihm die Schaufel weg und geben sie selbst dem Besitzer zurück. Was auch nichts bringt: Ihr cleverer Kleiner nimmt sie sich sofort wieder. Sie holen ihn raus aus dem Sandkasten. Er brüllt. Was nun? Spießrutenlaufend mit Ihrem missratenen Kind den Spielplatz verlassen? Nein! „Beruhigen Sie es zuerst und helfen Sie ihm dann, sozialverträglicher mit den anderen umzugehen“, rät der Experte. Konkret können Sie zum Beispiel sagen: „Du möchtest also die Schaufel haben? Wie könnten wir das machen? Also am besten fragst du zuerst ganz lieb, ob du sie bekommst. Wenn nicht, kommst du wieder her, dann sehen wir weiter.“ Mit Vorschlägen wie „abwechselnd benutzen“ oder „Tausch anbieten“ können Sie dann weiter die Verhandlungen unterstützen. Der Clou dabei ist: Ihr Kind fühlt sich nicht einfach nur bestraft (und wird dann vielleicht das nächste Mal noch aggressiver), sondern es lernt: Mama oder Papa lassen zwar nicht zu, dass ich böse bin, aber sie helfen mir dabei, lieb zu sein.
Die noch schlechtere Alternative für Ordnungsmuffel
Szenenwechsel: Ihr Vierjähriges kommt aus dem Kindergarten nach Hause und schmeißt wie immer Anorak, Tasche und Sportbeutel einfach in den Flur. Sie ordnen Aufräumen an, Ihr Kind scheint mal wieder taub zu sein. Falls Sie jetzt Ihrem Verlangen nachgeben, die Sachen kommentarlos selbst wegzubringen, wäre das absolut unkonsequent. Da würden kleine Schlaumeier schnell kapieren: Ich muss nur lange genug warten, dann machen die Großen das schon für mich. Wiederholen Sie dagegen Ihre Bitte wieder und wieder ohne Erfolg, nervt Sie das auch und Sie werden früher oder später schimpfen oder ausrasten. Damit es nicht so weit kommt: Konsequenzschritt Nummer eins anwenden. „Lassen Sie sich prinzipiell von Ihrem Kind rückmelden, dass es Ihre Anordnung verstanden hat“, empfiehlt Hermann Liebenow dringend. Also Kurzdialog: „Hast du mich verstanden?“ „Ja.“ „Was hab ich gesagt?“ „Jacke aufräumen.“ „Genau, dann tu das auch!“ Hilft das nicht, folgt Konsequenz-Schritt zwei: Sie tragen dem kleinen Faulpelz etwas auf, das noch unangenehmer für ihn ist. Mit den Worten: „Gut, wenn du nicht magst, muss ich die Jacke eben selbst aufhängen. Aber dafür trägst du mir jetzt den Müll raus!“ Drücken Sie ihm resolut den Papierkorb in die Hand und schicken ihn los. Wetten, dass er beim nächsten Mal einsichtig ist und lieber die erste Anordnung befolgt?
Zeitplan für Bettgeh-Verweigerer
Hiergegen hilft ein fest vereinbarter Zeitpunkt, an dem das Kind im Bett liegen muss, rät der Diplom-Psychologe. „Starten Sie das Bettgehritual rechtzeitig. Und kündigen Sie dabei an, dass Sie spätestens um acht Uhr „Gute Nacht“ sagen werden. Sie können zum Demonstrieren auch einen Wecker stellen und immer wieder beharrlich darauf hinweisen, dass die Zeit läuft.“ Wie Ihr Nachwuchs diese Zeit nutzt, ist dann seine Sache. Er muss nur verstehen: Um Punkt acht Uhr ist Schluss mit lustig, da geht das Licht aus. Liegt man vorher im Bett, gibt es noch jede Menge Vorzüge wie zum Beispiel: Mama oder Papa am Bett, Kuscheln, Erzählen oder eine weitere Gutenachtgeschichte. Trödelt man zu lange, kommt man eben nicht in diesen Genuss. Dann sagen Mama oder Papa nur gute Nacht und gehen hinaus. Und da kann man noch so oft aufstehen und irgendwelche Ausreden vorbringen. Man wird einfach wieder zurück ins Bett gebracht. Was tut man also am nächsten Tag? Genau: sich rechtzeitig bettfertig machen.
Not-Trick gegen Supermarktgequengel
Schwieriger wird es für Eltern, wenn die kleinen Machtspielchen in der Öffentlichkeit stattfinden. Denn da erkennen kleine Schlaumeier schnell ihren Vorteil. Typischer Schauplatz: Der Supermarkt. Bevorzugt an der Kassenschlange. Dort kann Ihr Wonneproppen alle Register ziehen, um seine Wünsche – etwa nach einem Lolli– erfüllt zu bekommen. Er kann quengeln, weinen, brüllen, sich bühnenreif auf den Boden schmeißen und Ihnen damit peinlichste Momente bescheren.
Konsequent ist es hier natürlich, wenn sie sich weder davon, noch von den Kommentaren der Zuschauer beeindrucken lassen und einfach hart bleiben. Beneidenswert, wenn Sie so nervenstark sind. Sind Sie nicht? Dann können Sie vielleicht den Not-Trick unseres Experten anwenden. Vor dem Einkauf versuchen Sie natürlich erst einmal zu überzeugen: Dass noch genügend Süßigkeiten zu Hause sind, dass Ihr Kind keinen Lutscher bekommt und auch nicht danach zu betteln braucht, und dass es sich vor allem bitte nicht wieder so aufführen soll. Hält es sich an Ihre Bitte, ist es gut. Wenn nicht, dann dürfen auch Sie einmal „gemein“ sein. Kaufen Sie das Gewünschte. Aber erklären Sie, sobald Sie mit Ihrem Sprössling allein sind: „Du, das hat mich so geärgert, dass du schon wieder Theater gemacht hast. Ich habe den Lolli gekauft, weil mich dein Geschrei genervt hat. Aber ich habe dir ja vorher gesagt, dass du heute nichts Süßes bekommst.“ Damit werfen Sie den Lutscher demonstrativ in den Abfall. Jetzt können Sie das Protestgeschrei schließlich aushalten. Allerdings: „Bitte niemals zynisch dabei sein, und diese Maßnahme auch nur in Ausnahmefällen anwenden“, appelliert Hermann Liebenow eindringlich. Denn Sie wollen Ihr Kleines ja nicht „gegen-ärgern“, sondern ihm nur klarmachen, dass Sie sich nicht länger erpressen lassen.
Nachhilfe für Trödler
Was ebenfalls nervt: Wenn morgens alle pünktlich aus dem Haus müssen und Ihr Goldstück partout nicht „mitzieht“. Und es täglich zu Szenen kommt wie dieser: „Zieh dich an, wir müssen los“, ermahnen Sie durchaus rechtzeitig. Doch Ihr Sprössling trödelt nur herum. Sie räumen noch rasch den Tisch ab. Sprössling muss erst seine VorschulÂsachen suchen. Sie stehen im Mantel da und fragen: „Wo bleibst du, wir müssen gehen?“ Er hat noch nicht mal seine Schuhe an. Jetzt ist aber höchste Eisenbahn. Ungeduldig ziehen Sie ihn selbst an, schimpfen, sind gestresst, Ihr Kind protestiert und schreit. Ein unschöner Start in den Tag, doch was bleibt Ihnen übrig?
„Dass Sie unter Zeitdruck resolut das Kind selbst anziehen, ist klar“, meint der Experte dazu. Doch: „Lassen Sie es nicht dabei bewenden, greifen Sie das Thema nachmittags, wenn mehr Zeit ist, nochmals auf.“ Mit den Worten: „Das hat heute morgen gar nicht gut geklappt, das müssen wir jetzt mal üben“, trainieren Sie den morgendlichen Countdown: Sie lassen Sohnemann oder Töchterchen wieder und wieder Jacke anziehen, Schuhe binden, Reißverschluss zumachen. Ein Trick, der zur Not ein paar Mal wiederholt werden muss, aber dann Wunder wirkt, versichert Hermann Liebenow. Das Raffinierte dabei: Ihr Kind beherrscht das Anziehen ja längst. Dass es das jetzt wie ein Baby üben soll, nagt an seinem Stolz. Und schon bald wird es Ihnen beweisen wollen, wie fix es morgens ist. Was Sie dann natürlich entsprechend würdigen. Lob ist schließlich auch so etwas wie Konsequenz. Johanna Kallert
Bitte keine Konsequenz, wenn es ...
geht, denn: „In diesen Bereichen kann das sonst zu gravierenden Gesundheitsstörungen und psychischen Problemen führen“, warnt Hermann Liebenow. Hier ist vielmehr Einfühlungsvermögen, manchmal auch professionelle Hilfe gefragt. J.K. |