Gärtnern für die Nachwelt

Aktiv gegen Sortenverarmung vorgehen

Die Gemüsevielfalt nimmt drastisch ab – ebenso traditionelles Wissen über Anlage und Pflege des privaten Gemüsegartens. Für unsere Autorin Walburga Schillinger bestehen da Zusammenhänge. Ebenso wie das Buch „Reichtum ernten“ ermuntert sie zu mehr Vielfalt.

Diese bunte Vielfalt aus dem eigenen Garten ist nicht nur gesund und lecker, sie hilft auch dabei, dass alte Sorten nicht in Vergessenheit geraten.

Foto: Sester

Durch aktuelle Begriffe wie Artensterben und Klimawandel erfährt der Begriff Vielfalt erstaunliche Konjunktur. Ob damit tatsächlich ein gesellschaftlicher Umdenkprozess eingeläutet wird, sei dahingestellt. Sicher ist nur, dass die Abneigung gegen Einheitsgemüse zunimmt, da die Tomaten aus jedem Supermarkt gleich schmecken. Dabei gibt es weltweit immerhin etwa 2 000 bis 2 500 verschiedene Tomaten. Viele dieser alten Sorten bestechen durch einen ganz eigenen wunderbaren Geschmack. Das hört sich unglaublich viel an. Wenn man aber bedenkt, das in den letzten 200 Jahren ungefähr 75 Prozent der Gemüse- und Ge­treidevielfalt verloren gegangen ist, macht das schon nachdenklich. Was für verschiedene und in diesem Sinne reichhaltige Gaumenfreuden müssen unsere Vorfahren auf ihren Tischen gehabt haben?

Selbstversorgung in den Hintergrund getreten

Die Modernisierung des Alltags hängt auch mit dem Aussterben der Nutzgärten zusammen. Je mehr die Landmenschen die Städter kopierten, desto mehr rückten Selbstversorgung und regionale Sorten aus dem Bewusstsein. Noch in den 60-er Jahren des vorigen Jahrhunderts war es auf den meisten Höfen selbstverständlich, Kartoffeln, Bohnen, Gurken, Radieschen und Salat zum eigenen Gebrauch im Garten und Feld anzubauen. Es gehörte zur ländlichen Lebenswirklichkeit dazu und niemand diskutierte darüber. Alle Landkinder liebten es, im eigenen oder in Nachbars Garten die süßen Erbsen zu naschen oder hin und wieder eine gelbe Rübe aus dem Beet zu ziehen. Im Herbst wurde alles im Keller, in Miete und Gläser eingelagert, sodass man auch im Winter aus dem Vollen schöpfen konnte. Der Nutzgarten war früher ein nicht wegzudenkender Teil bäuerlicher, dörflicher und teilweise auch städtischer Welt. Heute hat sich das radikal gewandelt. In vielen Orten bringen fahrende Händler Tiefkühlspinat und gefrorenen Rosenkohl in die Häuser. Die Gemüsebeete wurden größtenteils aufgegeben und mussten Grünflächen und Ziersträuchern weichen. Die Gründe für den Rückgang der Gemüsebeete sind allerdings vielschichtiger.

Oft fehlt es an Zeit und Muße für einen arbeitsintensiven Nutzgarten, dazu kommt eine veränderte Wertschätzung von selbstgezogenem Gemüse. Die Ware aus dem Supermarkt ist ja viel billiger und genauso gut, hört man immer wieder. Hinzu kommt, das sich die klassische Arbeitsteilung von Mann und Frau vor allem auf den Bauernhöfen radikal verändert hat.

Die Vielfalt zurück in den Garten holen

Wie kommt diese Vielfalt nun wieder in den eigenen Garten? Auf jeden Fall nicht durch die Samentüten aus den Supermärkten, Gartencentern oder bunten Gartenkatalogen, denn hierbei handelt es sich größtenteils um F1-Hybridsaatgut. Dabei werden zwei Inzucht-Elternlinien gekreuzt. Das daraus gewonnene Saatgut sind die F1-Hybriden. Sie sind durch den Heterosiseffekt ungleich größer und leistungsfähiger als die Elternlinien, aber nur in der ersten Generation. Die eigene Nachzucht aus diesem Saatgut ist heterogen und meist kleiner.

Die Hälfte der weltweiten Saatgutproduktion teilen sich zehn Saatgutkonzerne mit riesigen Gewinnergebnissen und den dazugehörenden Abhängigkeiten. Pflanzenexperten sagen, es gebe weltweit noch rund 7 000 Kulturpflanzen, die in eingefrorenem Zustand in Samenbanken konserviert werden. Davon haben nur ein paar Dutzend ökonomische Bedeutung für die Lebensmittelindustrie.

Große Vielfalt: Tomaten.

Foto: Rupp

Mittlerweile steigt die Zahl derer, die etwas gegen die Verarmung der Landschaft tun wollen. Das sind in der Regel keine Spinner und Aussteiger, sondern oft Landwirte, Biologen oder einfach Menschen, denen die Vielfalt für sich und die nachfolgenden Generationen am Herzen liegt. Wie schwer die Rückkehr zur Vielfalt ist, zeigt der Erwerbsgartenbau. Der Kostendruck ist enorm, der Handel diktiert äußerst streng Größe, Beschaffenheit und Form aller gehandelter Gemüsearten, die normgerecht produziert werden müssen. Da bleibt kein Spielraum für erhaltenswerte Raritäten, die in den standardisierten Verarbeitungs- und Handelsstrukturen schlichtweg nicht praktikabel sind.

Engagierte Vereine gegen das Vergessen

Ein paar kleine Saatgutfirmen, Erhaltungsvereine und immer mehr Hobbygärtner haben es sich zur Aufgabe gemacht, Haferwurzel, rote Melde oder Baum­spinat anzubauen und weiter zu vermehren. Vor allem den Erhaltungsgärtnern und Hobbyzüchtern kommt hierbei eine wichtige Aufgabe zu: Nur Pflanzen, die auch ausgesät und genutzt werden, können auf Dauer überleben. Sie müssen sich mit wechselnden Gegebenheiten, Klima und Boden auseinandersetzen und passen sich so auch regional an.

Da es immer weniger Hausgemüsegärtner gibt, geht auch das Wissen um den Saatbau und die Erhaltung alter Sorten verloren. Diese Entwicklung läuft parallel zur Intensivierung des Gartenbaus und der Landwirtschaft. Viele Bauerngärten werden zu pflegeleichten Spielwiesen umfunktioniert und Kartoffeläcker eingesät. Gemüsegärten und Felder bereichern unsere Landschaft und zum Bauernhof gehört ein Garten.

In privaten Samenarchiven und bei Vereinen zur Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt werden alte Kulturpflanzensamen angeboten. Zum Beispiel “Teufelsohren' (roter Romanasalat), Braunkohl “Rote Palme' ( violetter Grünkohl) oder die Rispenhirse “Bernburger'. Der Anbau ist meist einfach, viele säen sich selbst aus, etwa Melde oder Feld-Buch. Manche sind mehrjährig, etwa der Salat “Zackenschote' oder Blattmangold “Hunsrücker Schnitt'. Alle, die gerne kochen und experimentieren, werden sich über neue Zubereitungen freuen. Nudeln mit Tomatensoße war gestern, gebratene Schwarzwurzeln mit Kürbiskernpesto ist heute. Walburga Schillinger

Minis für die Tischdeko



Jetzt werden bei Gärtnern und Floristen wieder Weihnachtssterne in verschiedenen Größen und vor allem auch Mini-Table-Poinsettien angeboten (vorne).

Foto: Gugenhan

Seit Jahrzehnten ist der Weihnachtsstern in der Advents- und Weihnachtszeit als attraktive Zimmerpflanze nicht mehr wegzudenken. Ihn gibt es heute in vielen Formen und Farben. Neu ist der von den Gärtnern eingeführte Begriff Table-Poinsettien, also Weihnachtssterne, die speziell für die Tischdekoration geeignet sind. Sie haben einen kompakten Wuchs, werden in relativ kleinen Töpfen kultiviert und sollen in erster Linie zur Dekoration von Tischen verwendet werden.

Neu sind nun zusätzlich die sogenannten Mini-Table-Poinsettien. Es handelt sich dabei um relativ kleine Pflanzen, die oft nur in einem Acht-Zentimeter-Topf kultiviert und als kleine Einstieler angeboten werden. Gerade diese Form der Weihnachtssterne hat sich in den letzten Jahren recht gut eingeführt, da sie wenig Platz in Anspruch nehmen und deshalb auch zur Dekoration kleinerer Tische hervorragend geeignet sind.

So bieten also Gärtner und Floristen auch in diesem Jahr viele Weihnachtssterne in den unterschiedlichsten Größen an und Freunde von Weihnachtssternen sollten sich durchaus einmal nach einer solchen Mini-Table-Poinsettie für eine hübsche Tischdekoration erkundigen. Marisa Gugenhan