Spielerisch zur Musik finden

Musikalische Früherziehung für Kinder von vier bis sechs

„Welches Hobby für mein Kind?“, fragen sich oft Eltern, die eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung für ihre Jüngsten suchen. Wie wäre es mit der „Musikalischen Früherziehung“? Gerade jetzt zu Beginn des Jahres beginnen wieder viele neue Kurse. LW-Autorin Silke Bromm-Krieger nahm an einer Ãœbungsstunde für Kinder ab vier Jahren teil.

Maren Wolf-Wierig und ihre kleinen Musikanten singen gern.

Foto: Silke Bromm-Krieger

Jeden Montag hat Isabell einen wichtigen Termin. Dann besucht die Sechsjährige die „Musikalische Früherziehung“. „Wenn der Kurs zu Ende ist, will ich drei Instrumente lernen: Blockflöte, Klavier und Geige“, erzählt die Kleine selbstbewusst. „Die meisten Kinder, die die Musikalische Früherziehung durchlaufen, wollen später ein Instrument lernen“, weiß Maren Wolf-Wierig aus Erfahrung. Seit über 30 Jahren ist sie als Dozentin für Musik und Tanz tätig, führt Kinder im Alter von 18 Monaten bis sechs Jahren an Musik und Bewegung heran.

Bruder Jakob und „die grünen Kleider“

Heute steht um 13.30 Uhr eine „Musikalische Früherziehung“ mit den Kindern im Alter von vier bis sechs Jahren auf ihrem Stundenplan. Sieben Kinder betreten leise den Ãœbungsraum. Alle haben die gleiche rote Tasche dabei. In ihr sind Musikfibel, Glockenspiel, Notenheft und Malstifte sicher verstaut. Maren Wolf-Wierig begrüßt die Kinder und wiederholt die gelernten Noten vom letzten Mal. Als sie merkt, dass alles „sitzt“, geht es ans Klavier, die Kinder singen: „Grün, grün, grün sind alle meine Kleider…“ und strahlen dabei zufrieden um die Wette. Dann wird Aufstellung zum Kanon genommen: „Bruder Jakob, Bruder Jakob …“ tönt es. Danach kommt die Rhythmus-Schulung. Mit Klanghölzern und Schellen werden Lieder begleitet.

Hausaufgaben freiwillig!

Damit keine Langeweile aufkommt, wechselt Maren Wolf-Wierig alle paar Minuten die einzelnen Aktivitäten. Jetzt schaut die Dozentin aufmerksam die Hausaufgaben durch, die die Kinder machen „durften“, nicht „mussten “– ein kleiner, aber feiner Unterschied. „Ich habe eine Ãœberraschung für dich“, sagt Hannah und zeigt ihr Notenheft. Neben ihren säuberlich gezeichneten Noten hat sie ein hübsches Bild gemalt. Alle Kinder haben die häuslichen Ãœbungen mit Zeichnungen verziert, um „Maren“ eine Freude zu machen. Und die ist mächtig stolz auf ihre Rasselbande, kritzelt fleißig Sternchen in die Hefte und lobt: „Toll gemacht!“ „Unsere Musikstunden sind nicht einfach irgendeine Beschäftigungstherapie für die Kinder. Sie sollen etwas Sinnvolles lernen“, betont die 51-Jährige.

Alle Sinne ansprechen

Um alle Sinne der Vorschulkinder optimal zu schulen und anzuregen, arbeiten die Musikschulen mit unterschiedlichen Lernmaterialien. Maren Wolf-Wierig hat sich für das bewährte Früherziehungsprogramm „Tina & Tobi“ aus dem Gustav Bosse Verlag entschieden. Die Kinder Tina und Tobi führen ihre Altersgenossen zwischen vier und sechs Jahren durch ein abwechslungsreiches Ãœbungsprogramm, das aufeinander aufbauend in vier Musikfibeln zusammengefasst ist. Zwei Jahre dauert das Curriculum. Dann geht es um die Frage: Weiter machen, und wenn ja, mit welchem Instrument?

Einen vorgegebenen Rhythmus nachzuspielen, erfordert Konzentration.

Foto: Silke Bromm-Krieger

Krach machen, macht allen Kindern Spaß. Mit den Schlaginstrumenten wird gleichzeitig das Taktgefühl geschult.

Foto: Silke Bromm-Krieger

Eine Bewegungsübung schult Motorik und Gleichgewichtssinn.

Foto: Silke Bromm-Krieger

In der Musikstunde geht es weiter mit der „Hörerziehung“ – der Beschäftigung mit Tier- und Umweltgeräuschen. Eine CD erklingt. Die Kinder spitzen die Ohren, konzentrieren sich. „Was habt ihr eben gehört?“, fragt die Dozentin. „Ein Pferd“. Die Kinder klatschen den Galopp des Tieres nach. Eigentlich soll es zur nächsten Aufgabe gehen, aber alle rufen „Noch mal“.

Bewegung zur Musik

Nach dem Zuhören ist Bewegung angesagt. Die Kinder tanzen zur Klaviermusik und stoppen ihre Aktionen, sobald die Musik verstummt.

Eine weitere Bewegungsübung soll die Rückenmuskulatur stärken. „Ich wette, eure Eltern schaffen diese Ãœbung nicht“, lacht Maren Wolf-Wierig und ermuntert die Musiklehrlinge, zu Hause gleich die Probe aufs Exempel zu machen. Nach Ãœbungen auf dem Glockenspiel kommen Schlaginstrumente zum Einsatz und die Lehrerin mahnt: „Immer zum Dirigenten schauen! Das machen die Großen im Orchester auch so.“ Dann folgen Ãœbungen in Zweiergruppen und schon ist die 75-minütige Musikstunde vorbei. „Schade, bald ist unser Kurs zu Ende“, bedauert Derryn. „Ich will aber weiter machen und Keyboard lernen“, schiebt er fröhlich hinterher.

Zum Abschied setzten sich alle Kinder auf ihre Plätze. Sie bekommen eine Anwesenheitsmarke, die sie stolz in ihre Musikfibel kleben. Die kleinen Musikanten gehen mit leuchtenden Augen aus dem Unterricht und wollen zu Hause berichten, was sie heute gelernt haben. Silke Bromm-Krieger

Weiterführendes

Adressen der örtlichen Musikschulen finden Sie in den Gelben Seiten, im Telefonbuch und im Internet.

Neben den öffentlichen Musikschulen haben auch Volkshochschulen, Familienbildungsstätten, Vereine und freie Anbieter Musikangebote im Programm. Infos gibt es direkt bei den einzelnen Anbietern. sbk

 

Musikalische Früherziehung beginnt schon im Mutterleib

Ein Gespräch mit Maren Wolf-Wierig, Dozentin für Musik und Tanz

Bei der Musikalischen Früherziehung werden Kinder auf spielerische Weise in den Bereichen Singen, Sprechen, Musik, Bewegung und Instrumentenkunde an die Musik herangeführt. Sie ist ein Teilbereich der Musikpä­dagogik. Für das LW sprach Silke Bromm-Krieger mit Maren-Wolf-Wiering, die als Dozentin in diesem Bereich viel Erfahrung hat.

LW: Warum tut die Musikalische Früherziehung Kindern gut?
Maren Wolf-Wierig:
Studien belegen, dass die aktive Beschäftigung mit Musik sich auf die Ausbildung der kindlichen Persönlichkeit positiv auswirkt. Intelligenz, Motorik, Belastbarkeit und Sozialverhalten werden geschult, das Konzentrations­vermögen verbessert. Zudem wird die seelische Ausgeglichenheit gefördert und die eigene Kreativität geweckt. Bedenken Sie, dass die musikalische Früherziehung eigentlich schon im Mutterleib mit dem intuitiven Wahrnehmen des mütterlichen Herzschlages beginnt. Dieser gleichmäßige Grundschlag findet sich in den ersten einfachen Kinderliedern wieder. Daran können wir anknüpfen.

LW: Wie stelle ich fest, ob mein Kind musikalisch ist?
Wolf-Wierig:
Eine gewisse Musikalität steckt in jedem Kind. Im Unterricht versuchen wir, diese Musikalität herauszukitzeln, auch wenn sie auf den ersten Blick nicht erkennbar ist. Manche Kinder sind zunächst wenig musikalisch und entdecken erst später, dass die Musik ihnen doch Spaß und Freude bringt. Wir haben bei den Kursen eine Probezeit. Diese Zeit reicht aus, um festzustellen, ob das Kind genügend Interesse mitbringt. Entwickelt das Kind wirklich keine Freude an der Musik, raten wir zu einem anderen Hobby. Zum großen Teil machen aber alle Kinder, die mit der Musikalischen Früherziehung beginnen, weiter. Ein Versuch lohnt sich also auf jeden Fall.

LW: Ab welchem Alter sollten Kinder mit dem Musikunterricht beginnen?
Wolf-Wierig:
Wir beginnen mit Angeboten, wie den Musikgarten, wenn das Kind 18 Monate bis drei Jahre alt ist. Eine Begleitperson und das Kind nehmen zusammen daran teil. Es wird gemeinsam mit anderen gesungen, musiziert, geklatscht und getanzt. Lieder, Verse, Fingerspiele und kleine Tänze tragen dazu bei, die Entwicklung des Kleinkindes zu fördern. Ich gebe den Eltern auch praktische Tipps, wie sie die Beschäftigung mit Musik in den Familienalltag integrieren können.

LW: Wann kann ein Kind anfangen, ein Instrument spielen zu lernen?
Wolf-Wierig:
Im Alter von etwa sechs Jahren. Der Einstiegszeitpunkt ist dabei von der motorischen und geistigen Reife abhängig.

LW: Wie finde ich heraus, welches Instrument für mein Kind geeignet ist?
Wolf-Wierig:
Das zeigt sich in der Musikalischen Früherziehung. Ich stelle während des Kurses viele Instrumente vor und beobachte genau, wie die Kinder auf einzelne Instrumente reagieren. Wenn ich am Klavier sitze und plötzlich kommen von hinten zwei Händchen zaghaft an die Tastatur und das Kind fragt: „Darf ich auch mal spielen?“, dann weiß ich, dass es sich für das Tasteninstrument begeistert. Oft sagen Kinder direkt, welches Instrument sie möchten. Häufigstes Einsteigerinstrument ist die Holzblockflöte oder Sopranholzblockflöte. Damit können die Kinder gut in der Gruppe spielen. Die Anschaffungskosten sind überschaubar und es zeigen sich schnell erste Erfolge. Bei Instrumenten wie Geige oder Klavier kann das Kind sein Können nur vervollkommnen, wenn es Einzelunterricht nimmt und regelmäßig zu Hause übt. Hier müssen Eltern motivieren und unterstützen. Begabung will gefördert sein.