Vom Flächenverbrauch bis zur EU-Agrarpolitik
Breite Themenpalette bei der landwirtschaftlichen Woche Südhessen
Die Landwirtschaftliche Woche Südhessen wartete bei ihrer Eröffnung am vergangenen Montag in Gernsheim gleich mit zwei Landwirtschaftsministern auf, die hessische Ressortchefin Silke Lautenschläger (CDU) und ihr rheinland-pfälzischer Amtskollege Hendrik Hering (SPD).Obwohl von unterschiedlicher politischer Couleur, wurden in ihren Äußerungen Übereinstimmungen in der großen Linie der Agrarpolitik deutlich. Viele Besucher kamen aus den benachbarten Bundesländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Anwesend waren etliche Bundes-, Landes- und Kommunalpolitiker, darunter der ehemalige Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung.
Ministerin Lautenschläger berichtete in ihrer Grußansprache über das erste Jahr ihrer Amtszeit, das sie sich hätte einfacher vorstellen können. Es sei angesichts der Weltwirtschaftskrise und der Misere auf den Agrarmärkten vor allem um Feuerwehrmaßnahmen gegangen. Hier nannte sie als Beispiel die Liquiditätshilfedarlehen, die vom Land zusätzlich zinsverbilligt wurden, und die Erhöhung der Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete (siehe auch Interview, LW Nr. 4).
Unterstützung für Risikoausgleichsrücklage
Das Leitbild der Landesregierung sei eine flächendeckende Landwirtschaft, die geprägt ist von leistungsfähigen, im europäischen Rahmen wettbewerbsfähigen Betrieben, nicht aber von Agrarfabriken, so die Ministerin.
Ihr Mainzer Amtskollege Hendrik Hering ging ebenfalls auf die Preismisere auf den Agrarmärkten ein. Gleichzeitig verwies er auf den langfristigen Trend, der Chancen für die Landwirtschaft biete, nämlich auf den weltweit steigenden Bedarf an Nahrungsmitteln durch die wachsende Weltbevölkerung und durch die Veränderung der Essgewohnheiten in den Schwellenländern. Hinzu komme der Riesenbedarf an nachwachsenden Rohstoffen. Dies werde sich perspektivisch auf die Preise auswirken. In dieser Hinsicht zeigte sich Hering froh darüber, dass im Rahmen des Health Checks der EU-Agrarpolitik die Flächenstilllegung abgeschafft worden sei. Im Sinne der Flächenschonung sprach er sich auch gegen Photovoltaikanlagen auf Ackerflächen aus. Denn „es gibt genügend Dächer“, so Hering.
„Für den Weltmarkt brauchen wir effiziente Strukturen“
Zum Ausstieg aus der Milchquote gibt es nach Meinung von Hering keine Alternative. Er stellte klar, dass die Politik keine Preise und Mengen steuern könne. Wo sie es versucht habe, sei es ihr nicht gelungen. Außerdem „müssen wir uns auf dem Weltmarkt bewegen. Dazu brauchen wir effiziente Strukturen.“ Als Beispiel nannte er die zwei großen Molkereien in Rheinland-Pfalz (Hochwald und Milchunion Hocheifel). Im Durchschnitt hätten beide im Jahr 2009 2,5 Cent pro Kilogramm mehr als das Mittel der deutschen Molkereien gezahlt. Dies habe den rheinland-pfälzischen Milchviehbetrieben einen Mehrerlös von durchschnittlich 7 500 Euro gebracht. Hering verwies außerdem auf das Grünlandmilchprogramm, das für sein Land 13,8 Mio. Euro für die Jahre 2010 und 2011 bringe und machte deutlich, dass sich eine solche Aktion angesichts der Haushaltslage nicht wiederholen werde.
Bei der Frage, was die Politik für die Landwirtschaft leisten könne, ist für Hering zunächst die Verlässlichkeit ganz wichtig. In diesem Zusammenhang kritisierte er die EU-Kommission, die mit dem Health Check eine erneute Reform durchgeführt, gleichzeitig aber Bürokratie nicht abgebaut habe.
Auch er lobte wie sein Amtskollegin das Liquiditätshilfsprogramm, bei dem in Rheinland-Pfalz 50 Mio. Euro an zinsverbilligten Darlehen vergeben wurden. Außerdem verwies er auf die erhöhten Fördersätze bei der Investitionsförderung.
Als Wettbewerbsvorteil der heimischen Landwirtschaft sieht Hering die gute Ausbildung. In Rheinland-Pfalz laufe sie unter der Regie des Landwirtschaftsministeriums. Die Berufsschullehrer seien gleichzeitig Berater und gewährleisteten damit einen hohen Praxisbezug. „Den Vorsprung bei der Ausbildung müssen wir beibehalten“, so Hering.
Der Bergsträßer BundestagsÂabgeordnete Dr. Michael Meister verwies in seiner Grußansprache auf zusätzlichen Zuschüsse des Bundes für die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft und auf das GrünÂlandÂmilchÂproÂgramm.
Mit den Flächen geht regionale Wertschöpfung verloren
Dr. Willi Billau, Vorsitzender der Landwirtschaftlichen Woche Südhessen, hob die gute Vernetzung des regionalen Berufstandes mit den anderen Bundesländern hervor. In Kürze soll die erste länderübergreifende Vorstandssitzung von Kreis- und Regionalbauernverbänden stattfinden. Billau wies auf die dramatischen Auswirkungen der Finanzkrise auf die Landwirtschaft hin. Im Gemüsebau habe man bei der Produktion Geld draufgelegt. „ Wer kann bei einem Verbraucherpreis von 9 Cent pro Salatkopf einen Gewinn erwirtschaften?“ fragte Billau. Besonders ging der Vorsitzende auf die heimische Milchwirtschaft ein.
Intensive Landwirtschaft ohne erhöhte Nitratwerte
Erfreut zeigte sich Billau über die Untersuchungsergebnisse des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) über die Rückstandssituation. Hiernach seien in nur 1,9 Prozent der Fälle bei Obst und Gemüse aus deutscher Produktion Höchstmengen an Pflanzenschutzmittelrückständen überschritten worden.
In Bezug auf die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie wies Billau auf das Engagement der Landwirtschaft hin und auf die Nitrat-Untersuchungen von 40 Beregnungsbrunnen auf Initiative des Bauernverbandes. Die dort gefundenen niedrigen Werte zeigten, dass intensive Landwirtschaft nicht zu erhöhter Nitratauswaschung ins Grundwasser führen muss, so Billau. Außerdem sei der Einsatz von Düngemitteln seit Jahren rückläufig. Auch zur Verminderung des Eintrags von Pflanzenschutzmitteln habe die Landwirtschaft beispielsweise durch Randstreifenprogramme und den Verzicht auf auswaschungsgefährdete Wirkstoffe beigetragen. Auf der anderen Seite müsse mehr getan werden, um Arzneimittelrückstände zu entfernen. CM