„Immer einen Apfelbaum“

Neue Wege der Gartengestaltung

Anbieter von Urlaub auf dem Bauernhof und Betreiber von Hofcafés trafen sich kürzlich im LLH-Beratungszentrum Alsfeld zum Thema: „Entrée – der erste Eindruck“ – den die Gäste erhalten, wenn sie auf einen Bauernhof kommen, wo sie einkehren, übernachten oder ihren Urlaub verbringen wollen.

In einem harmonisch angelegten Garten entsteht ganz von selbst ein Gefühl von Geborgenheit und ein hoher Erholungswert: Ein Ort, an dem man die Seele baumeln lassen kann.

Foto: Barbara Sörries-Herrnkind

Heidrun Baier-Linke vom LLH forderte die Anwesenden auf, einmal ruhig „einundzwanzig, zweiundzwanzig“ zu zählen. Das dauerte zwei Sekunden und „das ist die Zeit, die Ihre Gäste brauchen, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen,“ erklärte Baier-Linke. So schnell ist möglicherweise über Gefallen oder Nicht-Gefallen entschieden. Wie man eine äußere Erscheinung von Hof und Garten schafft, in der die Gäste sich –auch über den ersten Blick hinaus – geborgen und wohlfühlen, schilderte die Garten- und Landschaftsarchitektin Barbara Sörries-Herrnkind (Bad Emstal). „Das Ursprüngliche ist wunderbar, aber man muss es auch gestalten“, sagt Sörries-Herrnkind und empfiehlt „nichts Gestyltes, Gerades“, es solle immer zufällig und entspannt wirken und „so, als ob es gar nicht anders aussehen dürfte.“

Ländliches Selbstbewusstsein zeigen

Außerdem könne das äußere Bild von Hof und Garten auch ländliches Selbstbewusstsein ausdrücken, man lebe schließlich auf dem Land und auf dem Bauernhof, das solle man doch nicht verstecken. Die Grundthematik sei überall gleich: Es geht um Geschwungenes und Entspanntes anstelle von Starrem und Eckigem, es geht um Bäume, Ranken und Pflanzen, und immer wieder um die Vorbilder aus der Natur.

Sackgassen auf dem Hof vermeiden

Die Planung beginnt schon mit dem ersten Blick aus der Ferne bei der Anfahrt. Der Hof sollte die Gäste nicht mit einer kahlen Fassade begrüßen. Prägend für den ersten Eindruck sollten Bäume sein, am besten eine ganze Inselgruppe mit Bäumen; Sörries-Herrnkind kann sich nichts Besseres als Ausdruck von Geborgenheit vorstellen. Gerade freistehende Gehöfte könnten diesen Trumpf ausspielen: „Wir haben so viel Platz, lassen Sie uns den Platz nutzen.“ Im Idealfall werde der ganze Hof einen „Bilderrahmen“ aus Pflanzungen bekommen. Er wird zur grünen Insel in der Landschaft, was keineswegs bedeuten solle, sich abzugrenzen, es geht um die Geborgenheit nach innen. Das Ziel lautet: „Nicht zugewachsen, aber eingebunden“. Hat der Besucher den Hof dann erreicht, solle die Anfahrt keinesfalls in einer Sackgasse enden, aus der man nur rückwärts wieder heraus kann. Um das Gefühl von Enge zu vermeiden, müsse man sich „zumindest symbolisch“ immer vorwärts bewegen können. Die Lösung dafür: ein Inselbeet mit Rundweg, in der Mitte natürlich ein Baum – am besten ein Apfelbaum. „Ich bin immer dafür, einen Apfelbaum zu pflanzen“, sagt die Gartenarchitektin, denn er gibt die Jahreszeiten wieder. Außerdem ist er hierzulande ein kulturelles Symbol. Dies ist ein weiteres Prinzip der Gartenarchi­tektin: „Die Jahreszeiten leben lassen, davon können Sie nicht genug machen.“ Ein Baum ist im Ãœbrigen immer richtig, um eine kahle Fassade zu verdecken und „sagen Sie nicht, Bäume machen Dreck, da kriege ich die Krise.“

Tipps für Wege, Hausecken und -kanten

Gartenarchitektin Barbara Sörries-Herrnkind.

Foto: Michael Schlag

Weiter mit dem Zuweg: Schon ein Mosaik im Pflaster wirke auflockernd, man könne es auch nachträglich selbst in vorhandene Teerflächen einarbeiten. „Meistens ist das erste Gefühl das richtige,“ sagt Sörries-Herrnkind, denn dieses Bauchgefühl sei unabhängig und geprägt vom eigenen Harmonieempfinden. Wer dagegen lange überlegt, lasse auch Einflüsse der Art zu: „Was ist gerade modern?“ Das sei aber gerade nicht gefragt, sondern „ursprünglich, ländlich“ solle der Hof und sein Umfeld wirken. „Lassen Sie sich nicht beeinflussen von Cool und Design – nehmen Sie das, was uns hier gut tut.“ Ein Dorn im Auge sind ihr alle Ecken, Spitzen und rechtwinkligen Kanten an Häusern oder Balkons. Man stelle sich eine Sitzgruppe gegenüber vor, dort werde die scharfe Kante des Hauses geradezu hineinschneiden, die Geborgenheit ist dahin. Ihre Lösung: Die Ecken üppig zuranken lassen und die harten Kanten mit grünem Bewuchs weich machen. Stile kombinieren, ist erlaubt, selbst das „gewachsene Flair“ beispielsweise von hessischem Fachwerk lasse sich mit mediterranen Elementen ergänzen, aber Vorsicht: „Nicht auf Großstadt trimmen“. Mit dem Gesamtbild solle man auch die Spielgeräte für Kinder kombinieren. Anstelle eines abgetrennten Spielplatzes könne man die Schaukel auch in einer Pergola anbringen „und wenn Sie einen Hügel haben, kann man dort eine Rutsche einbinden“, Hauptsache „alles fügt sich ein“. Weich soll die ganze Anlage am Ende wirken, jede Wegführung ist geschwungen und elastisch, harmonierend mit dem menschlichen Empfinden.

Mit wie viel Arbeit, welchen Kosten muss man rechnen? Die Kosten für die komplette Neugestaltung eines großen Gartens liegen bei 50 000 bis 100 000 Euro. Zahlen, die bei den hessischen Anbietern für Urlaub auf dem Bauernhof auf dem gut besuchten Seminar in Alsfeld etwas Nachdenklichkeit auslösten. Aber: „Es kommt darauf an, welche Pflanzen man aussucht, wie groß sie sein sollen und ob sie in der Baumschule schon erzogen wurden“, sagt die Gartenbauarchitektin. „Ich kann auch für 5 000 Euro schon was machen“, und gibt im Ãœbrigen zu bedenken: „Ein gepflanzter Baum wächst ins Geld.“ Der Inhaber schafft sich mit dem Garten nicht weniger als eine neue Lebensmitte: „Die Verwandten kommen, die Kinder kommen, ich habe ihn ein Leben lang und er gesundet mich.“

Chance, sich von anderen abzugrenzen, nutzen

Heidrun Baier-Linke vom LLH meint gerade für Anbieter von Urlaub auf dem Bauernhof: „Dieser Außenbereich ist etwas, das Sie von anderen unterscheidet.“ Man müsse ja nicht alles zugleich machen, eine Umgestaltung gehe auch Schritt für Schritt. Letztlich sei es doch „der Traum von einem Hof, der sich entwickelt und schön wird.“ Eine finanzielle Förderung sei wohl am ehesten im Rahmen der Dorf­erneuerung möglich, ansonsten unter Umständen, wenn dadurch Flächen entsiegelt werden.

Sörries-Herrnkind nennt ihr Gestaltungsprinzip „Qi-Gardens“, es fasst historische, westliche und fernöstliche Ideen der Gartenkunst zusammen. Anschauung gibt zum Beispiel der Rosengarten des Kurparks Bad Emstal, der vom Büro Sörries-Herrnkind entworfen wurde. Ein Beispiel ist demnächst auch auf der Landesgartenschau in Bad Nauheim zu sehen. Michael Schlag