Wenn Visionen wahr werden

Ein Zeitstrahl für die Zukunft auf dem Pankratiushof

Visionen helfen uns, klarer zu sehen, wo wir hinwollen, für etwas einzutreten und unsere Energie zu bündeln. Menschen dürfen und sollen Visionen haben und sie leben. Mit der inneren Kraft in Verbindung bleiben, die eigene Vision im Auge behalten und dem angestrebten Weg treu bleiben, darauf kommt es an, raten Unternehmensberater. Katja Klein hatte schon früh eine genaue Vorstellung davon, welche Ziele sie im Leben erreichen möchte. Mit Talent, viel Fleiß, Kreativität und der großen Unterstützung ihres Mannes Peter hat sie ihren Traum von einer Convenience-Produktion auf hohem Niveau verwirklicht. LW-Autorin Irmingard Dexheimer hat die Köchin aus Leidenschaft auf dem Pankratiushof in Mainz-Hechtsheim besucht.

Katja und Peter Klein führen den Pankratiushof in Mainz-Hechtsheim in der fünften Generation.

Foto: Foto Seidl

Besucher des Pankratiushofes er­wartet ein Kosmos für sich. Selbst wenn das schmiedeeiserne Tor geschlossen ist, gewährt es durch seine offenen Gitter freundlich Einblick nach innen und sig­na­lisiert: Hier ist jeder willkommen. Die Gebäude, liebevoll reno­viert oder neu errichtet wie die Erweiterung mit dem Blumenladen, spiegeln den ländlichen, rhein­hessischen Charakter des Hofes wider. Der zartgelbe Wandanstrich, üppige Buchskugeln und Kletterrosen geben dem Hof ein mediterranes Flair, und auch die Eingangstür zum Hofladen mit dem kleinen, antiken Küchenherd davor macht einen einladenden Eindruck. Katja Klein dekoriert sie je nach Saison stilvoll mit Blumen, Kräutern, Kürbissen und Christrosen – ein Anblick wie aus „Schöner Wohnen“, der Lust macht, einzutreten und ein bisschen in eine andere Welt abzutauchen. „Es macht mir große Freude, Dinge zu arrangieren und Materi­alien wieder zu verwenden, die eine Geschichte haben“, erzählt die 37-Jährige. So findet sich ein 120 Jahre alter Fußboden im Restaurant, gebrauchte Dachziegel und so manch antike Tür im Hof. Katja und ihr Mann Peter Klein führen den Pankratiushof in der fünften Generation, doch hieß er nicht immer so.

Historie und Tradition

„Die Idee zu dem außergewöhnlichen Namen hatte meine Schwiegermutter Traudel“, berichtet Katja Klein. Die Pfarrkirche, an deren Fuß der Hof liegt, ist dem Heiligen Pankratius geweiht und auch der Hofgründer trug den Namen Pankraz. Pankratius zählt bekanntermaßen zu den Eisheiligen, doch gilt er auch als Patron der Blüten und jungen Saaten – Marketingexperten hätten sich keinen treffenderen Namen für einen Hof ausdenken können.

Anfänglich ernährte der Hof seine Bewohner mit Feldfrüchten und Viehbestand. Doch schon bald hielt die Familie Ausschau nach zusätzlichen Standbeinen und neuen Marktchancen.

Eine Vision als Leitbild

„Mein ursprünglicher Traum war schon immer, Köchin zu werden“, erzählt Katja Klein, die auf einem Bauernhof groß wurde und der Großmutter, die ebenfalls leidenschaftlich gern kochte, früh zur Seite stand. „Ich mache Markklößchensuppe immer noch so, wie ich sie bei der Oma gelernt habe, mit einer Brühe richtig ausgekocht aus Knochen, die heute ja kaum jemand noch selber macht“, erzählt die gelernte Hauswirtschafterin.

Katja Klein bekam mit Anfang 20 Jahren ihre beiden Kinder Paul und Marie, konzentrierte sich zunächst ganz auf die Erziehung und nutzte konsequent die Kindergarten- und Grundschulzeit für Fortbildungen, die sie ihrem Traum näher brachten. Sie machte bei der Handwerkskammer in Mainz ihren Betriebswirt und trifft sich heute noch regelmäßig mit ihren Kolleginnen, die ihr stets sehr viel Mut machten, ihren beruflichen Weg zu gehen. Bereits in ihrer Facharbeit aus dem Bereich Marketing entwickelte sie Ideen, die dem Hof das Ãœberleben für die Zukunft sichern sollten. Katja Klein: „Mit dem Verkauf von Obst und Gemüse allein hätte der Betrieb auf Dauer keine Zukunft auf dem Markt gehabt, weil auch die Supermärkte diesbezüglich ihr Sortiment stark aufrüsten.“

Ziele und Zeitstrahl

Der Pankratiushof von außen. Rechter Hand wird mit Schildern auf Hofladen und Hofküche hingewiesen.

Foto: Foto Seidl

Wo stehen Sie heute und wo in fünf Jahren? Welche Ziele wollen Sie in den nächsten 15 bis 20 Jahren erreichen? Diese Fragen sollten Katja und Peter Klein auf einem Seminar der Handwerkskammer für Paare mit Betrieben beantworten und für sich eine Zukunftsperspektive entwickeln. „Wir haben anhand eines Zeitstrahls erarbeitet, wo die Reise hingehen soll, viele Stunden damit verbracht und unsere Ziele immer wieder diskutiert“, berichtet Katja Klein. Ergebnis: In 15 Jahren sollte die Erzeugung von Convenienceprodukten und ein Restaurant das Angebot des Pankratiushofs bereichern.

Um dieses Ziel zu realisieren, erweiterte Katja Klein kontinuierlich ihre Kochkenntnisse, zunächst in einer Straußwirtschaft, dann in einem Restaurant in Alzey, wo sie sich für ein Praktikum bewarb. „Ich hatte dort viel Spielraum, konnte sehr viel ausprobieren und lernen“, erinnert sich Katja Klein. Das Reservierungsbuch füllte sich ständig und die begeisterte Köchin bekam die alleinige Urlaubsvertretung übertragen – eine tolle Herausforderung. Ein Jobangebot schlug sie allerdings aus, denn ihre Zukunft sah sie im eigenen Betrieb, den sie vor drei Jahren zusammen mit ihrem Mann übernahm. Beim Mainzer Sternekoch Dirk Maus, mit dem sie bis heute eine enge Freundschaft verbindet, vervollkommnete sie ihre Kenntnisse.

Der Hofladen – Anfänge und Angebot

„Mein Schwiegervater hatte die Idee mit dem Hofladen. Er war schon früh sehr fortschrittlich, weil er gemerkt hat, dass selbst angebaute Erzeugnisse allein den Hof auf Dauer nicht tragen“, so Katja Klein. Der Direktverkauf begann 1987 mit einem kleinen Stand im Hof. Das erste Angebot umfasste Kartoffeln, Zwiebeln, Äpfel, Karotten, Kohl, Eier sowie Dosenwurst.

1996 bauten die Kleins um und der Hofladen bekam sein heutiges Aussehen. Heute finden Kunden dort alles, was das kulinarische Herz begeht: eine große Auswahl an Obst – regional und aus Übersee, je nach Wunsch frisch, kandiert oder getrocknet, Gemüse direkt vom Feld, Kräuter je nach Saison, Salate – auch fix und fertig geputzt und gewaschen, dazu exotische Spezialitäten wie Peperoni, Zitronengras, Ingwer und Thai-Basilikum. Bauernnudeln, Müsli, Honig, Säfte und Liköre ergänzen die breite Palette. Und nicht zu vergessen die vielen hausgemachten Leckereien aus Katja Kleins Küche, angefangen von diversen Dips, Pestos, Buttermischungen über Pasta, Knödel bis hin zu Salaten, fruchtigen Grützen und hochfeinen Mousses.

Marmeladen waren für Katja und Peter Klein der erste Einstieg in die Herstellung hofeigener Erzeugnisse. „Schnell verderbliche Beerenfrüchte wanderten abends über meine damalige kleine Küche.“ Der große Anklang dieser Zusatzprodukte machte den Umbau zu einer größeren, zentraleren Hofküche notwendig. Ob „Rote Liebe“ mit Sauerkirschen, Beeren und Amaretto, Feigen an Wodka, Caipirinha-Gelee oder diverse Gemüse- und Obstchutneys – über 120 Sorten an Eingemachtem stehen heute in den Regalen und lassen für die Kundschaft die Wahl zur freudigen Qual werden.

„Ich habe so viel Bärlauch und Hörnchen, kannst du nicht etwas daraus machen?“, fragte Ehemann Peter und setzte damit den Startschuss für die bereits im Seminar angedachte Convenience-produktion. Und Katja Klein konnte: „Ich habe die Kartoffeln gewaschen, sie mit Kräutern und Öl eingelegt und vakuumiert. Die Kunden waren begeistert und irgendwann war das wie ein Selbstläufer. Es kamen diverse Pestos und Feinkostsalate dazu, später haben wir mit der Produktion von Knödeln angefangen. Am Anfang habe ich sicher auch viel Lehrgeld gezahlt, da ich mich in die Materie erst hineinarbeiten musste“, räumte Katja Klein ein. Wie lange sind die Produkte haltbar? Welches Knödelrezept ist für Conveniencezwecke am besten geeignet? Wie lange müssen die Kartoffeln ruhen, bis sie sich perfekt verarbeiten lassen? Denn warm dürfen sie dabei nicht mehr sein. Hinter all dem stecken sehr viel Know­how, Fleiß und Experimentierfreude. Der Aufwand hat sich gelohnt. Kleine Kostprobe aus der Frischetheke des Pankratiushofs: Spinat-Käse-Knödel, Kartoffel-Klöße pur mit Majoran verfeinert oder mit exquisiter Trüffel-Wirsing- oder delikater Pfifferling-Füllung liegen hier appetitlich eingeschweißt neben Maultaschen und Ravioli, wahlweise mit Pilzen und Kräutern oder mit Schafskäse und Spinat – alles frisch und findet reißenden Absatz.

„Wir haben Kunden, die nur Obst, Gemüse, Salat und Kartoffeln brauchen, wir haben aber auch Kunden, die das ganze Sortiment bei uns einkaufen. Und sogar Kunden, die weggezogen sind und jetzt ihr Päckchen geschickt bekommen“, beschreibt Katja Klein ihre Kundschaft.

Das Restaurant kam hinzu

Das Sortiment des Hofladens ist groß: Im Vordergrund stehen die regionalen Lebensmittel und viele hausgemachte Leckereien.

Foto: Foto Seidl

Während des Hofumbaus befand sich der Blumenladen im provisorisch eingerichteten Trakt in der Scheune. Als dieser im vergangenen Jahr leer stand, war es soweit. Die Kleins stellten Tische und Stühle hinein, schenkten mittags Suppe aus und boten Salate an. „Viele waren skeptisch und sagten, wer soll da schon kommen, und so waren wir ganz perplex, als es jede Woche mehr Gäste wurden, sodass die Tische nicht mehr reichten“, berichtet die Köchin. Das Konzept, mittags einzukaufen, eine Kleinigkeit zu essen und dabei in eine andere Welt abzutauchen, kam an. „Wir haben viel Kundschaft, die von Wiesbaden, Frankfurt oder anderen Stadtteilen anreisen, aber auch gesundheitsbewusste Mütter mit ihren Kindern und ältere Menschen, die nicht mehr für sich alleine kochen wollen sowie Allergiker, die nicht alles essen dürfen.“ Für sie ist es beruhigend zu wissen: Katja Klein arbeitet ohne Zusatzstoffe. Die Liebe zur traditionellen Hausmannskost ihrer Großmutter findet sich auch in ihrer Landhausküche wieder – wenn auch auf moderne Art interpretiert.

Als Katja und Peter Klein merkten, dass ihr Projekt immer größere Dimensionen annahm, entschlossen sie sich, das Restaurant innen neu auszubauen, damit sie auch im Winter öffnen und größere Gesellschaften unterbringen können. Um Kosten zu sparen, haben die Kleins ihr Restaurant in Eigenregie mit Hilfe eines handwerklich sehr geschickten Mitarbeiters selbst ausgebaut.

Werbung und Organisation

Wichtigstes Werbemittel ist für das Ehepaar Klein die Mund-zu-Mund-Propaganda zufriedener Kunden. Doch auch die liebevoll gestalteten Etiketten, die jedes Produkt zu etwas ganz Besonderem machen, sprechen für sich. Weitere Werbemittel sind Visitenkarten, Flyer und Einkaufstaschen aus Stoff, die zu Weihnachten an die Kunden verschenkt werden. Die Homepage soll demnächst überarbeitet werden. Anzeigen schalten die Kleins nur, wenn sie im Ort einen Verein unterstützen möchten.

Mittlerweile stemmen die Kleins ein Unternehmen mit 20 Angestellten: Sechs Mitarbeiter helfen stundenweise in der Küche, dazu kommen drei Azubis, zwei Festangestellte und neun Aushilfen für den Hofladen. Auch Schwiegervater Hans Klein, eigentlich bereits Pensionär und im Altenteiler wohnhaft, unterstützt das Paar tatkräftig. Ehemann Peter beschickt morgens den Laden. Die ersten Mitarbeiter treffen um sechs Uhr ein, dann werden die Obstsalate frisch geschnitten, während Katja Klein Dips und Pestos vorbereitet. Um neun findet ein gemeinsames Frühstück statt, und auch zum Mittagessen versammeln sich alle am runden Tisch. Jeden Montag gibt es eine Teambesprechung mit dem Küchenpersonal über das, was die Woche über ansteht.

„Die Landwirtschaft bietet eine ganz fantastische Möglichkeit, Karriere und Familie zu vereinbaren“, so Katja Klein. Und trotz aller Arbeit: „Familiennachmittage mit Aktivitäten wie Schwimmen gehen oder Ausflüge sowie gemeinsame Urlaube waren für uns immer ganz wichtig.“

Ausblick und nächste Generation

„Jetzt sind wir mit unseren 15 Jahren durch“, zieht Katja Klein Bilanz. Die Ziele, die sie sich zusammen mit ihrem Mann gesetzt hat, sind erreicht. „Als ich den Mitarbeitern bei der Weihnachts­feier versprochen habe, dass dieses Jahr nichts passiert, haben sie alle gelacht.“

Die Kleins sehen sich nicht als Hofbesitzer. „Wir haben die Aufgabe, diesen Hof eine Zeit lang zu verwalten, etwas daraus zu machen und dann wieder in treu sorgende Hände weiter zu geben.“ Sohn Paul startet demnächst eine Ausbildung zum Koch im renommierten Restaurant Buchholz in Guldental. Kunden und Freunde des Pankratiushofs dürfen sich also auf neue, spannende Entwicklungen freuen.

Betriebsdaten

Pankratiushof in Mainz-Hechtsheim

  • Größe: circa 50 Hektar; Getreide-, Kartoffel- und Zuckerrübenanbau
  • Hofladen mit breitem Angebot an Obst, Gemüse, Kartoffeln, exotischen Spezialitäten, Müsli, Nudeln, Honig, Säften, Likören, Dosenwurst, Konfitüren, Gelees und Convenienceprodukten
  • Hofrestaurant: Speisekarte mit Suppen, Salaten, vegetarischen Gerichten und 2 Fleischgerichten im zwei- bis dreitägigem Wech­sel
  • Internet: www.pankratiushof.de
  • Adresse: Bürgermeister-Keim-Straße 1, 55129 Mainz-Hechtsheim, Telefon 06131-957778.

 

Fortbildungen

Handwerkskammer Rheinhessen: Dagobertstraße 2, 55116 Mainz, Telefon  06131- 9992-0, www.hwk.de.

Weitere Handwerkskammern gibt es in Kaiserslautern (www.hwk-pfalz.de),Koblenz (www.hwk-koblenz.de), Frankfurt (www.hwk-rhein-main.de), Wiesbaden (www.hwk-wiesbaden.de), Kassel (www.hwk-kassel.de).

LW-Tipp: Hilfreich können bei der Suche nach einer geeigneten Fortbildung auch Ihre Regionalgeschäftsstellen und Kreisbauernverbände sein.