Politik vor Ort in Kreisen und Kommunen

Die Berührungspunkte zur Landwirtschaft

Am Sonntag, dem 6. März, werden in Hessen die Gemeindevertretungen beziehungsweise Stadtverordnetenversammlungen sowie die 21 hessischen Kreistage neu gewählt. Diese Gremien bestimmen die Politik vor Ort und haben deshalb auch Einfluss auf das Wirtschaften der landwirtschaftlichen Betriebe und auf das Leben der Bauernfamilien. Das LW hat zusammengestellt, welche Zuständigkeiten die Städte und Gemeinden sowie die Landkreise haben und wo diese speziell die Bauern berühren. Es wird außerdem dargestellt, wie Bäuerinnen und Bauern in den Parlamenten ihren Sachverstand einbringen und an Entscheidungen mitwirken können.

Die Stadtverordneten (hier in Hanau) und Gemeindevertreter haben vor Ort großen Einfluss auf das Wirtschaften der Betriebe.

Foto: imago images/Fernando Baptista

Bei der Kommunalwahl geht es um die politische Vertretung auf zwei Ebenen, den Kommunen und den Landkreisen.

Der Landkreis als Doppelbehörde

In der Hessischen Landkreisordnung wird der Landkreis als Gebietskörperschaft und Gemeindeverband bezeichnet. Zugleich ist er die untere staatliche Verwaltungsbehörde. Das heißt, die Aufgaben werden auf Kreisebene von einer Doppelbehörde wahrgenommen, nämlich einerseits auf der kommunalen Seite vom Kreisausschuss mit seiner kommunalen Kreisverwaltung und andererseits im staatlichen Bereich, vom Landrat mit seinem Landratsamt. Die Kommunalisierung wurde im Jahre 2005 vom Hessischen Landtag beschlossen. Das Gesetz trat am 1. April des gleichen Jahres in Kraft.

Die Landkreise nehmen laut Hessischer Landkreisordnung die Aufgaben wahr, die über die Leistungsfähigkeit der kreisangehörigen Gemeinden hinausgehen. Dazu zählen im Wesentlichen

  • die Gewährung von Sozial- und Ju­gendhilfe sowie Wohngeld,
  • die Aufnahme und Versorgung von Asylbewerbern,
  • Denkmalschutz, die Erwachsenenbildung (VHS), das Gesundheitswesen, der überörtliche Brandschutz,
  • der Bau und die Unterhaltung des Kreisstraßennetzes sowie die Sicherstellung des öffentlichen Personennahverkehrs,
  • der Bau, das Bereitstellen und die Unterhaltung der Schulen,
  • die Angelegenheiten der Bauordnung und der Sicherung der Straßen.

Zuständig für Bauvorhaben

Entsprechend den Aufgaben sind beim Kreis Einrichtungen und Behörden angesiedelt, zum Beispiel das Kreisbauamt. Hier werden die Anträge für ein Bauvorhaben geprüft. Entscheidungskompetenz hat der Kreisaus­schuss, wobei er sich seiner Bauaufsichtsbehörde, dem Kreisbauamt, bei seiner Entscheidungsfindung bedient. Er hat auch die Möglichkeit, ein von den zuständigen Gemeinden rechtswidrig versagtes Einvernehmen zu einem Bauvorhaben zu ersetzen. Deshalb spielt auch im Kreisausschuss die Anwesenheit von Landwirten eine Rolle, um durch Fachwissen zu einer Versachlichung der Diskussion beispielsweise über Stallneubauten beizutragen.

Der Kreisausschuss ist ein Kollegialorgan. Vorsitzender und Sprecher ist der Landrat, der bei Stimmengleichheit in diesem Gremium die Entscheidung hat.

Die Untere Naturschutzbehörde (UNB) als weitere Einrichtung des Kreises gibt unter anderem Stellungnahmen ab zu Bauanträgen. Dies kann wiederum auch landwirtschaftliche Wirtschaftsgebäude betreffen. Die UNB muss den Naturschutzbeirat des Kreises anhören. Weitere Mitglieder sind unter anderem die anerkannten Naturschutzverbände. Wichtig ist deshalb auch hier, dass Landwirte in diesem Gremium vertreten sind.

Die Kommunalisierung des Landrats hat zur Folge, dass das Personal dem kommunalen Landrat beziehungsweise dem Kreisausschuss unterstellt ist. Dieser kann daher Personalpolitik betreiben, muss aber sicherstellen, dass die staatlichen Aufgaben erfüllt werden. Von Belang ist das, wenn es insbesondere um die personelle Besetzung der für Landwirte wichtigen Behörden geht, beispielsweise der Ämter für den ländlichen Raum oder Landwirtschaftlichen Abteilungen aber auch der Veterinärbehörden. Wichtig ist deshalb auch hier der politische Einfluss der Landwirtschaft im Kreistag beziehungsweise im Kreis­ausschuss. Personalfragen spielen ebenfalls eine Rolle bei der aktuellen Durchführung der Kontrollen im Rahmen von Cross Compliance. Denn der Landrat kann darauf hinwirken, dass zumindest organisatorisch die Kontrollen auf den landwirtschaftlichen Betrieben zwischen den verschiedenen Behörden koordiniert werden.

Kreiseigene Unternehmen

Neben den Behörden spielen auch andere Einrichtungen für die Landwirte eine wichtige Rolle: So gibt es kreiseigene Unternehmen oder Unternehmen, die von mehreren Gebietskörperschaften getragen werden, zum Beispiel die Wasser-, Strom- und Gasversorger. Sie befinden sich somit im Einflussbereich der Politik. Für die Landwirtschaft bedeutet das, darauf hinzuwirken, dass auf die besonderen Bedürfnisse und Zwänge der Betriebe eingegangen wird, zum Beispiel bei An­schlussgebühren oder Tarifen.

Auf der anderen Seite bieten sich auch Möglichkeiten, die Landwirtschaft bei Dienstleistungen des Kreises oder auch der Kommunen einzubinden, wie zum Beispiel bei der Kompostierung von organischen Abfällen.

Ein anderes Beispiel ist die ortsnahe Klärschlammverwertung mit Hilfe landwirtschaftlicher Unternehmen oder Organisationen.

Eine weitere Dienst­­leistung der Landwirte für Kreise und Kommunen ist die Versorgung mit erneuerbaren Energien, beispielsweise für die Heizungsanlagen öffentlicher Ge­bäu­de wie Schulen, Gemeindezentren, Schwimmbäder. Hier können kommunalpolitisch aktive Landwirte ihre Parla­ments­kol­legen gegebenenfalls von den Vorteilen einer ortsnahen Versorgung mit nachwachsenden Rohstoffen beispielsweise in Form von Hack­schnitzeln oder Biogas überzeugen.

Bauleitpläne der Kommunen

Auf der kommunalen Ebene spielen vor allem die Erstellung der Bauleitpläne für die Landwirtschaft eine Rolle. Hier geht es darum, ob und wie Baugebiete entwickelt werden. Reichen diese etwa zu nahe an landwirtschaftliche Betriebe heran, so dass es zu Konflikten kom­­men kann? Wird der Betrieb von der Wohnbebauung eingekreist und so die Entwicklung des Betriebs behindert? Auch hier ist landwirtschaftlicher Ein­fluss und Sachverstand in den Ge­mein­deparlamenten gefragt.

Bekanntlich sind gerade Stallbau­maßnahmen ein sehr konfliktbeladenes Thema. Es gibt kaum noch ein Genehmigungsverfahren, ohne dass sich vor Ort Bürgerinitiativen bilden. Die beteiligten Behörden und die betroffenen Gemeinden lassen sich dadurch immer stärker unter Druck setzen, was sich beispielsweise in der übersteigerten Suche nach Begründungen gegen eine beabsichtigte Baumaßnahme offenbart. Die Gemeinden haben die Bauvorhaben letztlich nicht zu genehmigen, müs­sen aber ihr Einvernehmen erklären.

Pacht von Gemeindeflächen

Ein weiterer Aspekt, der die Kommunen betrifft, ist die Verpachtung gemeindeeigener Flächen. Hier geht es um die inhaltliche Gestaltung der Pachtverträge, zum Beispiel aktuell um den Verbleib der Zahlungsansprüche oder um Regelungen hinsichtlich der Klär­schlammausbringung. Auch hier kann mit landwirtschaftlichem Sachverstand frühzeitig Einfluss genommen werden, um Fehlentwicklungen schon im Vorfeld abzuwenden.

Ein weiteres konfliktbeladenes Feld sind die kommunalen Beiträge und Gebühren beispielsweise für Straßen, Wasser und Abwasser oder für Müll. Landwirte sind als Grundeigentümer von derartigen Forderungen der Städte und Gemeinden besonderes stark betroffen, weil ihre Grundstücke als Berechnungsgrundlage verhältnismäßig groß sind. Wichtig ist für die Landwirtschaft, dass hier die Besonderheiten der Betriebe berücksichtigt werden. So spielt bei der Abwassergebühr die Frage eine Rolle, inwieweit der Wasserverbrauch des Viehs herausgerechnet wird, da die Ausscheidungen nicht in das öffentliche Abwassersystem gelangen. Aktuell kommt die vielfach diskutierte Einführung einer kommunalen Pferdesteuer hinzu.

Ein weiterer Punkt sind die kommunalen Steuern wie die Grundsteuer A (Ackerland) und B (Bebautes Land). Hier legen die Gemeinden die Hebesätze fest. Wichtig ist ebenso die Stra­ßengestaltung in den Kommunen. Wird etwa darauf geachtet, dass bei einer Verkehrsberuhigung immer noch der Mähdrescher durchfahren kann? Auch dies kann im günstigsten Fall im Vorfeld durch landwirtschaftlichen Sachverstand in den Gremien geklärt werden.

Straßen und Wege sind ständige Konfliktfelder in den Kommunen, wenn es beispielsweise um die Mitbenutzung von land- und forstwirtschaftlichen Wirtschaftswegen durch Radfahrer und Inline-Skater oder die Sperrung von Wirtschaftswegen geht. Hier kann man von vornherein beeinflussen, inwieweit zum Beispiel örtliche Radwege auf die Wirt­schaftswege gelegt werden. Auch die Unterhaltung der Wirtschaftswege und die Pflege der Seitenstreifen ist eine Frage, die auf Gemeindeebene diskutiert wird. Gleiches gilt für Unterhaltungsmaßnahmen an Gewässern und deren Ufern sowie an Drainagen, soweit diese Aufgaben nicht eigens dazu gegründeten Wasser- und Bodenverbänden obliegen. Durch Satzungen können die Gemeinden und Städte beispielsweise die Feldwegenutzung und das Verhalten in der Flur regeln.

Ebenso wie auf Kreisebene stellt sich auf kommunaler Ebene die Frage, inwieweit Landwirte als Dienstleister beispielsweise bei Land­schaftspflegemaß­nahmen auftreten. Kön­nen Landwirte erneuerbare Energien für gemeindeeigene Gebäude liefern? Initiativen mit dieser Zielrichtung gehen in den Gemeinden oft von bäuerlichen Gruppen aus.

Schließlich können die Bäuerinnen und Bauern in den Parlamenten Einfluss nehmen, inwieweit freiwillige Leistungen der Kommunen und Kreise weiter fließen. So gibt es in einigen Kreisen Zuschüsse für Bodenproben; verbreitet sind auch Zuschüsse für landwirtschaftliche Tierschauen. Auch das Projekt „Bauernhof als Klassenzimmer“ wird in einigen Kreisen finanziell unterstützt.

LW – LW 8/2016