Statusbericht Agrarmärkte

Es zeichnet sich zurzeit ab, dass die Cov-19-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen für Gesellschaft und Gesamtwirtschaft auch mit erheblichen Auswirkungen auf die Agrarmärkte verbunden ist. Die unterbrochenen bzw. verzögerten Handelsbeziehungen und umzulenkende Absatzkanäle – z. B. Nachfragerückgänge in der Gastronomie/Gemeinschaftsverpflegung, Unsicherheiten im Handelsverkehr mit China – zeigen zunächst kurzfristige Schocks. Mittelfristige Marktwirkungen durch eine globale Rezession sind wahrscheinlich, können aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht abgeschätzt werden. Über alle Märkte hinweg ergeben sich große Herausforderungen bei Verarbeitung und Logistik. Die Schließung von Gemeinschaftsverpflegungen und Gastronomie, die verstärkte Nachfrage im Einzelhandel, fehlende Mitarbeiter und die längeren Wartezeiten an innereuropäischen Grenzen – besonders der polnischen Grenze – gilt es zu meistern.

Im Milchmarkt kompensiert – zum Teil sogar darüber hinaus – die starke inländische Nachfrage nach Konsummilch, Sahne, Quark, Joghurt, Butter und Schnittkäse, insbesondere nach lagerfähigen Produkten, den Nachfragerückgang aus dem Hotel- und Gaststättenbereich. China, als wichtigster Importeur von Molke- Mager- und Vollmilchpulver, hat sich mit großen Logistikproblemen auseinanderzusetzen. Entladekapazitäten an den Häfen standen bis vor Kurzem nicht zur Verfügung, Container fehlen. Zwar soll sich die Lage entspannen, die Kosten für Container und Frachten steigen hingegen deutlich. Innerhalb des EU-Binnenmarktes kommt es an den Grenzen zu Staus und langen Wartezeiten, LKW-Fahrer sind knapp. Aufgrund vieler kranker Mitarbeiter mussten in Italien – wichtigster Abnehmer deutscher Rohmilch und weiterer milchwirtschaftlicher Rohstoffe – vor allem kleinere Molkereien bereits die Milchverarbeitung deutlich reduziert bis gar einstellen. Die Milcherzeugerpreise liegen derzeit mit ca. 33 Ct/kg auf Niveau des langfristigen Mittels, die Aussichten für die kommenden Monate hat sich in den letzten Tagen und Wochen jedoch verschlechtert. Der EEX-Börsenmilchwert für April–Dezember sank von 37,5 Ct/kg auf heute 29,0 Ct/kg. Auch die Notierung für Magermilchpulver in Lebensmittelqualität geben nun seit einigen Wochen nach. Die EEX notiert für April 2020 Magermilchpulver bei 1900,- EUR/Tonne.

Die Nachfrage nach Schlachtschweinen hat regional abgenommen, gleichzeitig kommt es zu vorgezogenen Verkäufen der Mäster. Die Verunsicherung über die weiteren Absatzmöglichkeiten bleibt groß. Es wird davon ausgegangen, dass „Panikverkäufe“ aber schnell wieder weniger werden und das Aufkommen an schlachtreifen Tieren dann zügig zurückgeht. Die VEZG-Preisempfehlung gab am 18.03.2020 um 7 Ct/kg nach und liegt nun bei 1,89 EUR/kg Schlachtgewicht.

Der inländische Schweine- und Rindfleischabsatz erfreut sich aktuell einer sehr regen Nachfrage. Der Lebensmitteleinzelhandel und die Verarbeitungsbranche signalisieren eine sehr starke Nachfrage nach Frischfleisch und nach Verarbeitungsfleisch für die Wurstindustrie, welche jedoch irgendwann aufgrund aufgefüllter Haushaltsvorräte nachlassen wird. Generell hat man sich auf eine deutliche Veränderung der Warenströme einzustellen. Der Außer-Haus-Verkehr in Restaurants und der Systemgastronomie wird deutlich rückläufig und die Nachfrage der privaten Haushalte über den Lebensmitteleinzelhandel wird sich deutlich erhöhen. Das führt zumindest vorübergehend zu Reibungsverlusten in der Logistikkette, die zeitnah gelöst werden müssen. Während vor der Pandemie im Handel mit Schlachtrindern mit steigenden Kuh- und behaupteten Jungbullenpreisen gerechnet wurde, stocken seit Mitte März die Warenströme von Rindfleisch aus Deutschland heraus nach Italien, Frankreich und Spanien empfindlich stark. Großer Preisdruck ist die Folge. Vom wegfallenden Außer-Haus-Verzehr ist in erster Linie Rindfleisch betroffen. Selbst für die zumeist überschaubaren Mengen angebotener Schlachtkühe finden sich derzeit kaum noch Abnehmer. Entsprechen kam es in dieser Woche bei der Notierung durchweg zu erheblichen Abschlägen.

Die Nachfrage nach Frischgeflügel steigt. Marktteilnehmer berichteten von einem deutlich verstärkten Verbraucherinteresse an Geflügelfleisch im Lebensmitteleinzelhandel. Diese stark gestiegene Verbrauchernachfrage kompensiert den Rückgang der Nachfrage im Außer-Haus-Verbrauch. In der Weiterverarbeitung wird Geflügelfleisch hingegen kontinuierlich eingesetzt. Am Eiermarkt ist ebenfalls eine deutlich verstärkte Nachfrage im LEH festzustellen. Auch gefärbte Ware wurde, wohl wegen der längeren Haltbarkeit, sehr rege nachgefragt. Insbesondere das Angebot an deutscher KAT-Ware mit weiteren Spezifizierungen (VLOG-Zertifikation, unkupierte Schnäbel usw.) ist knapp. Durch die gestiegene Bedeutung des Lebensmitteleinzelhandels müssen nun mehr Eier in Kleinverpackungen bereitgestellt werden. Verpackungsmaterial ist also ebenfalls gefragt.

Die Ausbreitung des Corona-Virus außert sich beim weltweiten Handel von Getreide und Ölsaaten bereits seit Längerem in rückläufigen Terminmarktnotierungen. Bei Raps wird dieser Effekt durch die deutlich schwächeren Rohölnotierungen verstärkt. Mit den niedrigeren Notierungen haben auch die Erzeugerpreise nachgegeben. Infolgedessen sind die Märkte zwischenzeitlich nahezu vollständig zum Erliegen gekommen, auch weil die Verarbeiter überwiegend gut mit Rohstoffen gedeckt waren. Das hat sich nun in den letzten Tagen wieder geändert: Der Anstieg der Verbrauchernachfrage nach Weizenprodukten wie Mehl, Brot und Nudeln zeigt Auswirkungen auf die Verarbeitungsindustrie. Die Vermarktung der Ernte 2020 ist wegen der Verunsicherung durch das Corona-Virus in den Hintergrund getreten, zumal Landwirte sich auf die bevorstehenden Frühjahrsarbeiten fokussieren. Mit Blick auf die sich anschließenden Dünge- und Pflanzenschutzmaßnahmen muss der Handel mit und Transport von Betriebsmitteln weiterhin gewährleistet werden.

Äpfel räumen aufgrund größerer Nachfrage zügiger, die Preise ziehen leicht an. Die Marktversorgung reicht voraussichtlich bis zur diesjährigen Ernte. Lagergemüse (u. a. Kohl, Porree, Möhren, Zwiebel) räumt ebenfalls zügiger, die Marktversorgung reicht bis voraussichtlich Mai. Die Importe von Gemüse laufen, derzeit im Wesentlichen aus Italien und Spanien, dabei ziehen die Preise deutlich an. Vergangene Woche startete der Markt für Speisekartoffeln ruhig. Seit dem Wochenende stellt sich die Situation anders dar und die meisten Packbetriebe kommen kaum nach, den Bedarf der Supermärkte zu decken. Es ist damit zu rechnen, dass die Nachfrage aus den Privathaushalten nach Speisekartoffeln rege bleibt und auch die Preise leicht anziehen. Voraussichtlich müssen Lager geöffnet werden, die eigentlich erst für spätere Termine vorgesehen waren.

Hessischer Bauernverband