Innovative Technik und weite Fruchtfolgen helfen

Agrartage Rheinhessen diskutieren den Pflanzenbau der Zukunft

Wie sieht der Pflanzenbau der Zukunft aus? Was tut sich bei der Technik, und welche Maßnahmen kann der Landwirt ergreifen, um in Zeiten von Klimawandel und geringerer Anzahl an Wirkstoffen im chemischen Pflanzenschutz erfolgreich Ackerfrüchte anzubauen? Einige Wege wurden auf der Pflanzenbautagung im Rahmen der Agrartage Rheinhessen in Nieder-Olm diskutiert.

Prof. Alois Heißenhuber: „Wenn die Landwirtschaft gesellschaftlich erwünschte Leistungen erbringen soll, die über gesetzliche Mindestanforderungen hinausgehen, vom Markt aber nicht bezahlt werden, ist die Politik in der Pflicht, für entsprechen­de Rahmenbedingungen zu sorgen.“

Foto: Brammert-Schröder

Die bäuerliche Landwirtschaft hat Zukunft, muss sich aber mit den anstehenden Herausforderungen beschäftigen und gesellschaftskonform sein. Diese Ansicht vertrat Prof. Alois Heißenhuber, TU München-Weihenstephan, letzten Dienstag auf den Agrartagen Rheinhessen. Der Wissenschaftler hob hervor, dass sich die Landwirte in ihrem Handeln den Erwartungen der Gesellschaft und auch den Nachhaltigkeitsrichtlinien nicht verschließen dürfen, um zukunftsfähig zu sein. Angesichts des Klimawandels und punktueller Starkregenereignisse mit örtlich auftretenden Erosionsschäden „müssen wir uns die Frage stellen, ob wir selber dazu beitragen“, so Heißenhuber.

Vielerorts sei eine Ausräumung der Landschaft zu beobachten, mit den großen Feldern gehe eine Konzentration auf wenige Feldfrüchte einher. „Wenn uns aber die Kulturlandschaft wichtig ist, müssen wir die Leistungen an die Landwirte differenzieren“, sagte er. Schließlich seien die Bewirtschaftungskosten bei einer kleinstrukturierten Landschaft höher als bei einer großen Fläche. „Dass für beides Prämien in gleicher Höhe gezahlt werden, ist nicht zu erklären“, argumentierte Heißenhuber. Wenn die Landwirtschaft gesellschaftlich erwünschte Leistungen erbringen soll, die über gesetzliche Mindestanforderungen hinausgehen, vom Markt aber nicht bezahlt werden, sieht er die Politik in der Pflicht, für entsprechende Rahmenbedingungen zu sorgen.

Abkehr von getreidelastigen Fruchtfolgen gefordert

Die Landwirtschaft ist Betroffene und Mitverursacherin des Klimawandels. Beides erfordert nach Ansicht von Prof. Bernhard Schäfer von der Fachhochschule Südwestfalen in Soest Anpassungsstrategien, um den Herausforderungen der Zukunft gewachsen zu sein. Durch den Klimawandel sei es bereits zu einer Verlängerung der Vegetationsperiode von 15 Tagen gegenüber 1960 gekommen. „Wintergerste kann problemlos zehn Tage später als bisher gesät werden, dadurch senken wir das Risiko einer Infektion mit dem Gelbverzwergungsvirus erheblich“, so Schäfer.

Allerdings muss nach seiner Aussage damit gerechnet werden, dass künftig Hitze- und Dürreperioden noch zunehmen werden. Um die Gefahren durch Trockenheit abzusichern, hilft nach Ansicht von Schäfer nur eine weite Fruchtfolge mit verschiedenen Sommer- und Winterkulturen.

Heute sei das Gegenteil der Fall: „Auch in Rheinhessen dominiert der Getreideanteil auf mehr als zwei Drittel der Ackerfläche. Weizen, Sommergerste und Zuckerrüben nehmen mehr als drei Viertel der Ackerfläche ein, wodurch eine hohe Anfälligkeit gegenüber Extremwetterereignissen wie Trockenheit und Starkregen gegeben ist“, erklärte Schäfer.

„Damit gewinnen Aspekte des Bodenschutzes an Bedeutung. Der Boden ist unser wichtigstes Kapital.“ Pfluglose Bodenbearbeitungssysteme schützen vor Erosionen, damit sie dauerhaft funktionieren, sei aber eine Anpassung der Fruchtfolge zwingend notwendig. „Sie erfordern einen ständigen Wechsel zwischen Sommerung und Winterung und zwischen Blatt- und Halmfrucht. Weite Fruchtfolgen bieten auch mehr Möglichkeiten, organische Dünger einzusetzen“, so Schäfer.

Er ermutigte die Landwirte, den Anbau von Hafer und Körnerleguminosen auszuprobieren. „In beiden Bereichen tut sich was, der Handel zeigt in verschiedenen Regionen Interesse.“ Gerade die Körnerleguminosen seien interessant, weil sie sich positiv auf die Stickstoffbilanz des Betriebes auswirken.

Enormer Zuchtfortschritt bei Weizen

Winterweizen ist Getreideart Nr. 1 in Deutschland. Der Zuchtfortschritt bei Kornertrag und Resistenzen in den vergangenen Jahrzehnten ist enorm – die Ertragssteigerung beträgt durchschnittlich 1 dt/ha und Jahr. Doch ist dieser Ertragszuwachs in der landwirtschaftlichen Praxis oft nicht erkennbar, weil Umwelteinflüsse oder suboptimale Bedingungen die Effekte überlagern.

Deshalb haben verschiedene Universitäten 200 Winterweizensorten unterschiedlicher Zulassungsjahre an verschiedenen Standorten in Deutschland mit differenzierten Behandlungsstufen getestet. Die intensive Variante wurde auf 220 kg N/ha aufgedüngt und nach Bedarf mit Pflanzenschutzmitteln behandelt, inklusive einer Behandlung mit Wachstumsregulatoren. In der semiintensiven Variante wurde ebenfalls auf 220 kg N/ha aufgedüngt, aber nicht behandelt, während in der low input-Variante nur auf 110 kg N/ha aufgedüngt und keine Fungizide und Insektizide ausgebracht wurden.

Dr. Benjamin Wittkop, Uni Gießen, stellte die Ergebnisse der mehrjährigen Versuche vor. „Die modernen Sorten zeigen deutlich bessere Leistungen. Sie haben mehr Körner pro Ähre und damit einen deutlich besseren Kornertrag und eine bessere Gelbrost- und Mehltauresistenz“, erklärte er. Die Ergebnisse in Abhängigkeit des Sortenalters wiesen in der low input-Variante einen Ertragszuwachs von 33 kg/ha und Jahr in den vergangenen 50 Jahren aus, in der semi-intensiven Variante machte es 43 kg/ha und Jahr aus und in der intensiven Variante von 31 kg/ha und Jahr.

Die Ertragszuwächse pro Zulassungsjahr waren besonders ausgeprägt in der Variante mit voller Düngung, aber ohne chemischen Pflanzenschutz. „Das deutet auf deutliche Fortschritte bei der Resistenzzüchtung hin“, so Wittkop. Sie wiesen auch deutlich geringere Ertragsdifferenzen auf. „Ertragsstabile moderne Sorten leisten auch unter trockenen Bedingungen hohe Erträge.“ Wittkop ist sich sicher, dass die künftigen Sorten sich an das Klima anpassen und besser mit Trockenstress umgehen können. Das zeigten auch die neuen Sorten im ersten Prüfjahr, die im heißen und trockenen Sommer ertraglich besser waren als aktuelle Hochleistungssorten.

Landwirtschaft bei der Digitalisierung vorne dabei

Der letzte Redner des Tages, Prof. Arno Ruckelshausen von der Hochschule Osnabrück, befasste sich mit dem Thema Feldrobotik in der Landwirtschaft und zeigte auf, was die Technik bereits leisten kann und was in Zukunft möglich sein wird. „Einige landwirtschaftliche Technologien nehmen eine Vorreiterrolle bei der Digitalisierung ein“, sagte Ruckelshausen. Die Automatisierung sei weiter fortgeschritten als in anderen Industriebereichen, weil mobile landwirtschaftliche Maschinen navigieren, kommunizieren und arbeiten können.

So gebe es inzwischen einen Futtermischwagen, der selbstständig Futter aus dem Silo holt, mischt und das Futter im Rinderstall ausdosiert. „Die Entwicklung so eines Systems für den Stall ist einfacher als für das Feld, denn hier ist die Umgebung definierbar“, erklärte der Physiker. Im Feld könnten Steine und andere Unwegbarkeiten für kleine Roboter zur Herausforderung werde. Andere Systeme, vor allem die zur Unkrautregulierung, arbeiten mit bildgebenden Verfahren. „Das ist eine Schlüsseltechnologie der Feldrobotik geworden, ebenso wie die Sensorsysteme“, erklärte Ruckelshausen.

Auch das Datenmanagement erhobener Daten sei wichtig, um Informationen zu verknüpfen. Als Riesenvorteil nannte er die systemintegrierte Simulation, mit der es möglich ist, Sensoren und Situationen schon vor dem Feldversuch zu testen. Ruckelshausen ist sich sicher, dass die Entwicklung schnell weitergeht. Zum Beispiel gebe es ein neues Feldroboter-Konzept, das aus verschiedenen Anwendungsmodulen für eine Plattform besteht, das ähnlich funktioniert wie Apps auf dem Handy. „Das macht die Nutzung vielfältig.“ Allerdings würden sich mit der Digitalisierung auch die Aufgabenbereiche der Menschen ändern.

ibs – LW 5/2019