Kommunikation und Digitalisierung im Fokus

Tag der Landwirtschaft war gut besucht

Michael Lipps, der Dienststellenleiter des DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück, wies in seiner Begrüßung zum Tag der Landwirtschaft im Rahmen der Agrartage Rheinhessen auf folgende Herausforderungen hin: „Die Weiterbildung ist der Schlüssel zum Erfolg in der Landwirtschaft. Sie liegt in den Händen der Landwirte und Winzer. Die Dienstleistungszentren Ländlicher Raum bieten sich als Partner dafür an.“ Lipps sieht auch Handlungsbedarf bei der Kommunikation der Landwirtschaft mit der Gesellschaft. Nach dem Motto „tue Gutes und rede darüber“ müsse der Landwirt aktiver kommunizieren.

Auch im Weinbau startet die Digitalisierung für die Außenwirtschaft.

Foto: Setzepfand

Die zukünftige Aufgabe im Bereich der Digitalisierung sei die sinnvolle Vernetzung der vielen Daten miteinander.

Das gab auch Staatssekretär Andy Becht vom Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau in Rheinland-Pfalz zu bedenken. „Gerade wenn es darum geht, die Landwirtschaft effizienter und umweltschonender zu gestalten, spielt die Digitalisierung eine wichtige Rolle. Sie ist der Schlüssel für eine wettbewerbsfähige Agrarwirtschaft. Die Agrartage geben hierzu einen wichtigen Input“, sagte Becht bei der Eröffnung der Agrartage in Nieder-Olm.

Auch das Landwirtschaftsministerium setze auf digitale Lösungen. Ein Beispiel sei eine neue Demonstrations-App, die auf Initiative des Ministeriums entwickelt wurde. Die App sei über das Smartphone nutzbar und soll Landwirten die Bewirtschaftung ihrer Felder erleichtern, indem sie beispielsweise Auskunft gebe über die Hangneigung, Bodendaten, Bodenfeuchte, Klimadaten, Wetterdaten oder Gewässerschutzauflagen. Sie diene dem Landwirt als Entscheidungshilfe für die Düngung, mache Aussagen zur Frostgefährdung oder könne die Befahrbarkeit des Bodens beurteilen.

GAP 2020 verlangt mehr Verantwortung

Die App konnten die Gäste der Agrartage bei der Präsentation auf dem eigenen Smartphone verfolgen. Entwickelt wurde sie von der Firma AgroScience aus Neustadt an der Weinstraße. Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) bringe die Hoffnung auf Entbürokratisierung mit, sagte Becht. Gleichzeitig werde sie von den Landwirten aber mehr Verantwortung verlangen. Ein Baustein dafür werde die Digitalisierung sein. Im Jahr 2017 erhielten die Landwirte in Rheinland-Pfalz kostenlosen Zugang zu den Geodaten ihrer Flächen. Die Betriebsdaten sollen in einer sogenannten „Geobox“ verwaltet werden. Nur der Landwirt selbst soll darüber entscheiden können, ob er überhaupt Daten daraus freigebe und wenn ja, welche. Das Modell dieser Geobox soll zukünftig bundesweit Verbreitung finden.

Im ersten Themenblock zum Thema „Gesellschaftliche Akzeptanz und Klimawandel – Welche Strategien sind jetzt gefragt?“ referierte Dr. Johannes Simons von der Universität Bonn zum Kommunikationsdilemma zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft.

Im gesellschaftlichen Diskurs über Landwirtschaft gehe es um Wahrnehmung, nicht um Objektivität. Die Landwirte müssen sich klarwerden, dass der Verbraucher einen widersprüchlichen Eindruck von der Landwirtschaft habe: Durch Fernsehserien, irreführende Werbung und Hochglanzmagazine wie Landlust werde ein romantisches Bild des Berufs Landwirt gezeichnet. Es bediene die Sehnsucht des Verbrauchers nach „einfacher Schönheit“. Die Bilder einer „Massenproduktion“ erzeugen hingegen das Gefühl einer „Maßlosigkeit“. Horrorbilder in den Medien aktivieren Gefühle. Die Meldungen zum Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung verstehe der Verbraucher nicht. Die Milchviehhaltung sehe er als Ausbeutung der Tiere an. Der Pflanzenschutz werde assoziiert mit „Gift“ und die heutige Landtechnik werde assoziiert mit „Kraft“ und Faszination. Viele Verbraucher kommen nur im Supermarkt, der einem Schlaraffenland gleiche, in Kontakt mit Lebensmitteln. Ihnen werde eine fast unendliche Produktvielfalt zu geringen Preisen angeboten. Die Atmosphäre lade zum Einkaufen ein. Eine Diskussion sei an dieser Stelle weder vom Verbraucher, noch vom Händler gewünscht. Der Verbraucher lasse sich nicht aufklären, sondern er bediene sich einfacher Schemata zu seiner Orientierung, wie zum Beispiel „natürlich ist gut“, „Chemie ist schlecht“, erklärte Simons.

Verbraucher sind widersprüchlich

„Verbraucher sind faszinierend widersprüchlich. Da viele ein schlechtes Gewissen haben und das Vertrauen in Industriefirmen, Behörden und Landwirtschaft verloren ging, haben die Nicht-Regierungsorganisationen (NGO's) Macht bekommen. Sie holen den Verbraucher dort ab, wo seine Ängste sind“, sagte Simons. Der Verbraucher besitze wenig Fachwissen und halte alles für möglich. Er fühle sich von den NGO's verstanden.

Simons wies darauf hin, wie Kommunikation die Wahrnehmung des Verbrauchers steuern könne. So sollte der Landwirt dem Verbraucher Gelegenheit zum Mitfühlen geben. Die Ängste der Verbraucher sollten ernst genommen werden und umgekehrt müsse der Verbraucher auch die Ängste des Landwirtes ernst nehmen können durch ein Gespräch. Dabei schaffe der Landwirt „Familien­einkommen“ statt „Gewinn“. Die moderne Landtechnik verbessere die Ressourceneffizienz und der Melkroboter biete der Kuh die Gelegenheit zur Bewegung und Selbstorganisation. Der Verbraucher möchte die Produktion nachvollziehen. Dabei sei es gut, wenn er die persönliche Betroffenheit des Landwirts spürt. Vor allem sei jedoch wichtig, dass der Berufsstand sich davor hüte, durch Krisengerede seinen Stolz zu verlieren.

Über den Einfluss des Klimawandels auf den Ackerbau in Südwestdeutschland referierte Dr. Pascal Kremer von der Universität Hohenheim. Seit dem Jahr 1980 hat sich bis heute die durchschnittliche Jahrestemperatur in Rheinland-Pfalz um 1,5 °C erhöht. Wenn sich die Entwicklung so fortsetze, sei eine Erhöhung der Jahresdurchschnittstemperatur gegenüber 1980 um 4 °C bis zum Jahr 2100 wahrscheinlich. Somit wäre die bisherige Entwicklung erst der Anfang. In Rheinhessen würde dann das Klima der Po-Ebene vorherrschen. Bei einem angenommenen Szenario des Klimaschutzes (Pariser Klimaabkommen zur Einhaltung des 2°C-Ziels) werde eine Verminderung der Niederschläge von Juni bis August um 10 bis 20 Prozent erwartet bei einer Zunahme der Winterniederschläge von 20 Prozent. Bei einem angenommenen Szenario „weiter so wie bisher“ vermindern sich die Niederschläge Juni bis August um 40 bis 60 Prozent und die Winterniederschläge nehmen um 20 bis 30 Prozent zu.

2100 in Rheinhessen das Klima der Po-Ebene?

Die Sommertrockenheit werde zur Regel werden. Obwohl sich die Termine der Aussaat und Entwicklungsstadien des Winterweizens nach vorne verschieben, werde seine Vegetationszeit kürzer werden, die Erträge nicht weiter steigen oder gar abnehmen, da die wichtige Kornfüllungsphase verkürzt werde. Als positive Auswirkung der Klimaforschung werden bessere längerfristige Wettervorhersagen möglich werden. Der Landwirt könne dadurch besser seine Maßnahmen planen, wie den Erosionsschutz. Die Klimaveränderung werde Herausforderungen beim Pflanzenschutz mit sich bringen, wie etwa frühere Erstinfektionen bei der Cercospora in Zuckerrüben oder verstärktes Auftreten von wärmeliebenden Getreidekrankheiten. Dieses Beispiel zeige, dass sich ein weites Forschungsfeld zu vielen Folgewirkungen des Klimawandels in der Landwirtschaft auftut. Einen wichtigen Beitrag werde die Züchtungsforschung leisten müssen, hinsichtlich Trocken- und Hitzestresstoleranz.

Hat der Landwirte seine Daten unter Kontrolle?

Im zweiten Themenblock unter dem allgemeinen Motto der Agrartage Rheinhessen „Die Zukunft ist digital – auch in der Landwirtschaft“ konnten drei Beiträge den Prozess der Digitalisierung aufzeigen. Die Entwicklung werde auf jeden Fall fortschreiten. Die Frage sei, wie der Landwirt sich daran beteiligen und wie er die Kontrolle über seine Daten behalten könne.

Dr. Friedhelm Fritsch vom DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück sprach zu N-Düngebedarfsermittlung als Werkzeug einer schlag- und teilflächenspezifischen Düngung.

Die Stickstoffdüngung biete sich dazu an, teilflächenspezifisch aufgelöst zu werden. Damit verbunden seien Erwartungen zur besseren Düngerausnutzung, zur Ertragsoptimierung und zur Reduzierung der Nitratauswaschung, sagte Fritsch.

Der neu entwickelte Düngeplaner Rheinland-Pfalz könne als Werkzeug dienen, da Variablen wie die Ertragserwartung, die digitalisierte Bodenschätzung, die Stickstoff-Nachlieferung des Bodens und die Höhenlage in die Düngeberechnung eingehen. Durch die Kombination von Geodaten und betrieblichen Daten lasse sich die Stickstoff-Düngung zukünftig teilflächenspezifisch auflösen und die Ressourceneffizienz des Stickstoff-Düngers steigern.

Um die teilflächenspezifische Düngung präzise durchführen zu können, müssen geodatenbasierte Standortanalysen als Grundlage zur Verfügung stehen, bemerkte Dr. Matthias Trapp von der AgroScience GmbH in Neustadt an der Weinstraße. Die RLP AgroScience GmbH ist eine Ausgliederung des DLR Rheinpfalz, ein Wissenschaftsinstitut des Landes Rheinland-Pfalz. Trapp stellte den Prototyp einer App vor. Grundgedanke dabei sei, die vorhandenen Geodaten allesamt in einer Datenbank zu sammeln und miteinander zu vernetzten. Vorhanden seien beispielsweise Geländemodell-Daten, Bodenschätzungsdaten, potenzielle Bodenfeuchtedaten, Erosionsgefährungsdaten und Daten des agrarmeteorologischen Messnetzes. In einem zweiten Schritt werden diese ergänzt durch den „Blick von oben“, durch Fernerkundung via Satelliten zur Biomasseentwicklung. In einem dritten Schritt können Wetterprognosen und Prognosemodelle einbezogen werden. So entstehe ein „Standortpass“ des Ackers, der dann beispielsweise wieder die Daten für den Düngeplaner und die teilflächenspezifische Stickstoff-Düngung liefern könne, erklärte Trapp. Die Daten werden zur Verfügung gestellt und gespeichert beim „Landesbetrieb Daten und Information“ (LDI). Nur der Besitzer verwaltet seine Daten und niemand sonst, auch keine Behörde. Nur wenn er möchte kann er Daten, die er selbst auswählt, für Dienstleister, mit denen er zusammenarbeitet, freigeben. Der Prototyp der App wurde live anhand von Daten eines rheinhessischen Ackerbaubetriebes demonstriert.

Totale Vernetzung der Bewirtschaftung

Bereits in der praktischen Anwendung befinden sich digitale Systeme des Precision Farming auf dem Betrieb von Oliver Martin, Landwirt und Geschäftsführer der Firma Farmblick, aus Kraichtal-Oberacker. Als Techniker für Energie- und Automatisierungstechnik ist er Seiteneinsteiger. Martin hat mit einem Partner das Unternehmen „Farmblick“ gegründet. Damit bietet er Landwirten Unterstützung an auf dem Weg in die Landwirtschaft 4.0 und sei bereits überregional tätig. Mit dem Credo „Landwirtschaft kann man automatisieren“ startete Martin seine landwirtschaftliche Tätigkeit. Der erste Schritt zu einer Arbeitserledigung und auch der letzte sei die elektronische Schlagkartei. In dieser werde ein Arbeitsgang geplant und der erledigte Auftrag wieder abgespeichert. Mittels USB-Stick oder Telemetrie-Signal werden die Arbeitsaufträge an und von der Arbeitsmaschine übermittelt. Martin erläuterte, wie er das gesamte Spektrum der Ackerarbeiten digitalisiert hat. Aus den erhobenen und ständig ergänzten Daten berechne er seine pflanzenbauliche Ableitungen, wie die teilflächenspezifische Wachstumsregleranwendung, Stickstoff-Düngung, Aussaatstärke und die Variation der Bodenbearbeitungstiefe.

Einen Schwerpunkt lege er auf einen Bodenscanner, den er an einem leichten Trägerfahrzeug montiere. Diesen Einsatz biete er mittlerweile als Dienstleistung an. Landwirten liefere er damit Daten zur Feuchteverteilung im Boden, zur Differenzierung von Bodenzonen und zu Bodenverdichtungen. Dieser Sensor überfahre den Acker im Abstand von sechs Metern. Das Fahrzeug werde mit einem GPS-Lenksystem (RTK) zentimetergenau geführt. Zukünftig möchte Martin auch Daten von firmeneigenen Drohnen nutzen, die er mit Multispektralkameras ausstatten werde.

Martin arbeitet auf Bundesebene im Digitalverband Bitkom mit. Seiner Meinung nach werde es für den Erhalt des eigenen Betriebes absolut notwendig sein, sich mit dem Thema autonome Systeme rechtzeitig zu beschäftigen. Landwirtschaft 4.0 sehe er als eine totale Vernetzung aller im Produktionsprozess beteiligten Systeme. Als große Gefahr der Digitalisierung nannte er die totale Abhängigkeit von Internet und Clouds. Sollte der Kontakt zu den Datenservern oder Clouds durch Einflüsse von außen, wie Krieg, Unwetter oder Terroranschläge abbrechen, könne die Lebensmittelproduktion nicht mehr aufrechterhalten werden.

Hier sei die Politik gefordert, eine Backuplösung zu erarbeiten. Denn die Verwendung von Clouds sei für ihn sehr wichtig, um geräteübergreifend zu arbeiten. Weitere Gefahren der Digitalisierung sehe er in der Abwanderung von Anbauentscheidungen weg vom Betriebsleiter. Über Big-Data-Analysen könnten dem Landwirt Vorgaben gemacht werden zur Preisentwicklung oder zur anzubauenden Fruchtart. Das Risiko jedoch verbleibe beim Landwirt. Auch bestehe die Gefahr, dass der Bezug des Landwirts zum Geschehen auf dem Acker verloren gehe durch fehlende regelmäßige Bestandesbeobachtungen.

Übernehmen Agrarmultis die Bewirtschaftung?

Ein weiteres Risiko bestehe darin, dass familiäre Strukturen zulasten von Bodenkäufen durch Agrarmultis verloren gehen und ein Konzerndenken entstehe. Doch als Chance der Digitalisierung stufte Martin die Möglichkeit ein, gegenüber der Bevölkerung fachlich nachvollziehbar argumentieren zu können oder seine Maßnahmen wie die Pflanzenschutzspritzungen gegenüber Behörden abzusichern.

Der Tag der Landwirtschaft im Rahmen der Agrartage Rheinhessen berührte sicherlich einige wunde Punkte der Agrarbranche und gab Anstöße für zukünftige Entwicklungen. Die Landwirtschaft sollte eine neue Form der Kommunikation mit der Bevölkerung finden, damit sie wieder ihren angemessenen Platz in deren Bewusstsein einnehmen kann. Die Prognosen zum Klimawandel stellen die Landwirtschaft vor riesige Herausforderungen. Die junge Generation wird sich mit der Digitalisierung beschäftigen. Die ältere Generation wird teils nicht mehr ins operative Digitalisierungs-Geschäft einsteigen. Als Begleiter der jüngeren Generation werden ihr Fachwissen und ihre strategischen pflanzenbaulichen Erfahrungen jedoch unverzichtbar sein.

Christian Nanz – LW 5/2018