IVA: Umsatz und Absatz der Agrarchemie rückläufig

Krise in der Landwirtschaft hinterlässt ihre Spuren

Nach fünf Jahren mit wachsendem Marktvolumen setzten die Unternehmen der deutschen Pflanzenschutz-Industrie 2015 mit 1,592 Mrd. Euro erstmals ein halbes Prozent weniger um als im Vorjahr. Mengenmäßig konnten die Hersteller von Mineraldüngern im Düngejahr 2014/2015 (Juli bis Juni) noch ein Absatzplus von 9 Prozent beim Stickstoff vermelden, in den ersten Monaten des laufenden Düngejahres gingen die Absätze aber um 10 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres zurück. Diese Zahlen gab kürzlich der Industrieverband Agrar e.V. (IVA) anlässlich seiner Jahrespressekonferenz in Frankfurt bekannt.

Die Referenten bei der Pressekonferenz der IVA (von links nach rechts): Dr. Helmut Schramm, Präsident der IVA; Volker Koch-Achelpöhler, Hauptgeschäftsführer der IVA und Prof. Dr. Hermann Kuhlmann, Vorsitzender Fachbereich Pflanzenernährung.

Foto: Krämer

Der Markt für Fungizide wuchs gegenüber dem Vorjahr um 5 Prozent auf 711 Mio. Euro und wurde damit erstmals zum größten Segment des Pflanzenschutzmarktes. Das zuvor größte Marktsegment der Herbizide schrumpfte gegenüber dem Vorjahr um 6,3 Prozent auf 636 Mio. Euro. Das Umsatzvolumen für Insektizide ging um 10,7 Prozent auf 134 Mio. Euro zurück, während die Erlöse für sonstige Pflanzenschutzmittel um 18,1 Prozent auf 111 Mio. Euro anstiegen. „Angesichts der gravierenden ökonomischen Probleme der Landwirtschaft waren die Umsatzrückgänge im Pflanzenschutzbereich im Vorjahr jedoch moderat“, kommentierte IVA- Präsident Dr. Helmut Schramm. Auf die aktuellen Rahmenbedingungen der Landwirtschaft verwies auch Professor Dr. Hermann Kuhlmann, Vorsitzender des IVA-Fachbereichs Pflanzenernährung, bei der Entwicklung des Marktes für Mineraldünger. „Aufgrund des im März und April sehr kühlen Wetters und der niedrigen Erzeugerpreise bei Getreide, Milch und Schweinefleisch ist die Nachfrage der Landwirtschaft nach Stickstoffdünger in der laufenden Saison 2015/16 bis einschließlich März verhaltener als in den Vorjahren“, so Kuhlmann.

Sachlichkeit in der Glyphosat-Debatte

Mit Blick auf die anhaltende öffentliche Diskussion um die Verlängerung der Wirkstoff-Genehmigung von Glyphosat mahnte Schramm zu mehr Sachlichkeit in der Debatte und betonte, dass dafür gesorgt werden müsse, dass regulatorische Entscheidungen auch weiterhin auf der Basis robuster wissenschaftlicher Erkenntnisse getroffen werden. Das Verfahren sei von einer Kampagne begleitet worden, die in Teilen unverantwortliche Panikmache gewesen sei. Ein Beispiel dafür seien die angeblichen Funde von Glyphosat in Muttermilch. Bei seriöser wissenschaftlicher Überprüfung wurde festgestellt, dass es sich hierbei um Messfehler handelte, da ein untaugliches Analyseverfahren verwendet worden sei. Schramm verwies außerdem auf die Wichtigkeit von Glyphosat für Deutschland. Er hoffe auf eine Verlängerung der Zulassung um weitere 15 Jahre, auch wenn diese mit Anwendungseinschränkungen verbunden sein könnte.

Stickstoffabsatz um 8,8 Prozent gestiegen

Der weltweite Absatz an Mineraldünger hat im vergangenen Jahr um knapp 1 Prozent zugenommen. Hauptsächlich durch die Wachstumsmärkte in Asien und Lateinamerika getragen, wird für die nächsten Jahre ein weiterer Zuwachs erwartet. Auch in Deutschland hat der Absatz mineralischer Stickstoff-, Phosphat- und Kalidünger in der Saison 2014/2015 im Vergleich zum Vorjahr zugenommen, wobei der Stickstoffabsatz um 8,8 Prozent auf 1,82 Mio. Tonnen Stickstoff stieg. Der tatsächliche Stickstoffverbrauch in der Landwirtschaft wird jedoch deutlich niedriger eingeschätzt.

Ertrag auf den Feldern muss gesteigert werden

Geht man davon aus, dass im Jahr 2050 rund 9,7 Mrd. Menschen auf der Erde leben werden, das bedeutet einen Zuwachs von 39 Prozent, muss die globale Getreideproduktion nach Einschätzung der IVA um 46 Prozent wachsen. Da die Ausweitung der weltweiten Anbaufläche nicht nachhaltig sei, weil dies nur in einem Umfang von 4 Prozent möglich wäre, müsse auf den vorhandenen landwirtschaftlich genutzten Flächen deutlich mehr geerntet werden. Das erfordere einen höheren Einsatz von Nährstoffen für die Pflanzen in Form von Mineraldüngern, so Kuhlmann. Ein besonders hohes Potenzial, um die Ernten durch Düngung zu erhöhen, gibt es hauptsächlich in den sich entwickelnden Ländern. Als ein gutes Beispiel für die Erhöhung der Erträge durch den Einsatz von Mineraldüngern nennt Kuhlmann Deutschland, wo sich die Weizenerträge in den letzten 100 Jahren vervierfacht haben. Wissenschaftliche Berechnungen haben ergeben, dass sich bereits heute etwa 50 Prozent aller Menschen von Nahrungsmitteln ernähren, die nur durch den Einsatz von Mineraldünger erzeugt werden können.

jk – LW 18/2016