Kartoffeln unter Dauerstress

Wetterauer Kartoffeltag verdeutlichte Probleme der Saison 2016

Der Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) hatte letzten Donnerstag zum Wetterauer Kartoffeltag auf den Laupushof in Bad Vilbel Massenheim geladen, und viele Praktiker hatten die Möglichkeit wahrgenommen, sich vor Ort über die aktuelle Saison zu informieren. Zusätzlich wurde ein Vortragsprogramm rund um den Kartoffelbau geboten, das von haftungsrechtlichen Aspekten beim Pflanzenschutz über die Düsentechnik bis hin zur Krautfäuleproblematik des aktuellen Jahres reichte.

Steffen Laupus, Corinna Fuchs und Mark Mitschke, beide vom Beratungsdienst Kartoffelanbau, Heilbronn, sowie Philipp Möbs, LLH, diskutierten mit den Besuchern aktuelle Fragen rund um die Kartoffel.

Einleitend stellte Betriebsleiter Steffen Laupus seinen Kartoffelanbau vor. Er baut auf 60 Hektar 15 Sorten an, plus 40 Sorten im Versuchsfeld des LLH. „Unsere Kartoffelbestände hatten durch den vielen Regen einigen Stress und es musste neben Krautfäule im weiteren Verlauf auch gegen Alter­naria behandelt werden. Wir mussten trotz nicht optimaler Befahrbarkeit unsere Behandlungen setzen“, betonte er. Insgesamt sei das Phytophthora-Befallsgeschehen kleinräumig sehr unterschiedlich, aber man habe es im Griff. Bis zum Termin der Veranstaltung hatte er siebenmal behandelt, angefangen am 25. Mai. „Neben problematischen Flächen, die unter lokal hohen Niederschlagsmengen zu leiden hatten, haben wir aber auch viele sehr schöne Bestände im Feld stehen“, betonte Laupus.

40 Kartoffelsorten aus dem LLH-Versuch vorgestellt

Zunächst stand in der Halle die Beurteilung aktueller Kartoffelpartien an, die von Mark Mitschke, Beratungsdienst Kartoffelanbau, Heilbronn, vorgenommen wurde. Auch Mitschke sprach von einer außergewöhnlich schwierigen Anbausaison; der häufige und teils heftige Regen habe die Dämme stark in Mitleidenschaft gezogen, was einerseits zu vielen grünen Knollen geführt habe und andereseits zu einer schwachen Wurzelausbildung, „und die sind dann noch weggegammelt“. Angesichts dieses untypischen Witterungsverlaufes zeigten viele Sorten auch untypische Reaktionen: Beispielsweise sei die sehr frühe Sorte Solist diemal gut abgestorben, was auf den stressbedingten erhöhten Alternaria-Befall zurückzuführen sei. Bei Annabelle müsse man in diesem Jahr besonders auf die Schalenfestigkeit achten.

Viele Sorten zeigen nicht ihr typisches Bild

Colomba habe diesmal, wie auch Belmonda, ungewöhnlich viele sortenuntypische Wachstumsrisse gezeigt und Corinna außerordentlich viele keine Knollen aus dem zweiten Ansatz ausgebildet; dieses Problem sei aktuell bei vielen Sorten zu beobachten, so Mitschke – auch bei Paroli, die zusätzlich viele grüne Knollen aufweise. Belana habe dagegen einen sehr gleichmäßigen zweiten Ansatz gezeigt. Mischke warb bei den Landwirten dafür, ihre Knollen mittels Salzbad auf ihren Stärkegehalt hin zu überprüfen; ebenso sollte jeder konventionelle Landwirt immer einen Windmesser zur Pflanzenschutzmittel-Ausbringung dabei haben, um in Streitfällen – zum Beispiel bei Abdrift – auf der sicheren Seite zu sein, beziehungsweise eine Maßnahme unter schwierigen Bedingungen zu verschieben. Und damit leitete er zum ersten Vortrag von Rechtsanwalt Peter Reimann über, dessen Kanzlei Baedecker und Reimann in Freiburg sich auf Agrarrecht spezialisiert hat. Reimann machte in seinen Ausführungen zum Thema „Abdrift von Pflanzenschutzmitteln aus haftungsrechtlicher Sicht“ auf die Komplexität dieser Materie aufmerksam: „Oft sind Schäden gar nicht so offensichtlich und dennoch sehr erheblich, beispielsweise wenn eine Öko-Fläche kontaminiert wird und erstens die Ernte davon nicht als Bio-Produkt vermarktet werden kann und zweitens diese Fläche neu auf Öko – mit entsprechender Wartezeit – umgestellt und neu anerkannt werden muss.

Richtige Weichenstellungen bei Abdrift-Schäden vornehmen

Ein typisches Problem des diesjährigen Kartoffelanbaus sind die vielen grünen Knollen.

Foto: Becker

Ein weiteres Beispiel war eine konventionelle Erdbeerfläche, die deutlich sichtbar am Rand geschädigt, aber nach Rückstandsmengen-Untersuchungen unter den Grenzwerten gelegen hatte. Dennoch entstand ein erheblicher Schaden, denn bis zum Ergebnis konnte auch diese Ware nicht vermarktet werden und war mittlerweile verdorben – Schaden 34 000 Euro. „Wichtig ist, dass Sie ein aktives Schadensmanagement betreiben“, so der Anwalt. Und oft seien Spritzmittel- oder Umweltschäden von der Betriebshaftpflicht ausgeschlossen. Ãœberprüfen Sie Ihre Verträge daraufhin“, riet Reimann. Oft würden die Weichen schon bei der Formulierung einer Schadenmeldung gestellt, beispielsweise könne es von Vorteil sein, einen Verkehrsunfall anzumelden. „Lassen Sie sich hier von einem mit der Materie vertrauten Anwalt beraten“, gab er den Anwesenden mit auf den Weg.

Verantwortlich ist immer der Anwender

Gerhard Brunner von der DuPont-Fachberatung Süddeutschland referierte zum ordnungsgemäßen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln mit dem Schwerpunkt auf der Düsenwahl. Er betonte, dass Düsen zunächst­einmal immer im optimalen Druckbereich einzusetzen seien. „Die Düsenwahl richtet sich immer nach dem Anwendungsgebiet, der Fahrgeschwindigkeit, dem Wasseraufwand und den Abdriftminderungsanforderungen“, so Brunner. Mit zunehmender Fahrgeschwindigkeit und sinkender Wasseraufwandmenge erhöhe sich das Abdriftrisiko. Gleichzeitig steige das Risiko von mangelnder Anlagerung. Insgesamt erhöhe eine größere Schlagkraft immer das Risiko von Minderwirkungen. „Die Ursache für einen unzureichenden Behandlungserfolg ist selten die Düse, aber oft der Anwender“, resümierte er.

Aktuelles zum Krautfäuleauftreten 2016

Zur aktuellen Phytophthora-Problematik in Kartoffeln bemerkte Helmut Herrmann von der BASF, dass es in einem Jahr mit starkem Befall kaum noch Sortenunterschiede gebe. 2016 habe der milde Winter über Ausfallkartoffen in Weizen, Leguminosen, Rüben oder Mais zu einer sehr frühen Primärinfektion geführt. Da die Krautfäule eine sehr schnelle Entwicklung durchlaufe (vom Ausbruch bis zum Absterben der Pflanzen etwa 15 Tage) und die Witterung ihr Ãœbriges beigetragen habe, sei es in diesem Jahr zu den schon beschriebenen Problemen gekommen. Zum Thema Drahtwurm bemerkte er, dass es aus seiner Sicht keinen Sinn mehr mache, den Wirkstoff von Goldor Bait, Fiproni, zu verteidigen. BASF arbeite an der Entwicklung eines biologischen Mittels auf Basis von Beauveria bassiana, einem insektenpathogenen Pilz. Dieses soll als Sporenkonzentrat in den Boden ausgebracht werden. Zulassungszeitpunkt: „Schaun wir mal.“

KB – LW 30/2016