Keine Ausnahme für die Landwirtschaft

Die Debatte über das Mindest­lohngesetz vergangene Woche im Bundestag erzeugte so viel Pulverdampf, dass mancher Politiker und Journalist zunächst den Durchblick verlor. Die Opposition im Parlament sprach pathetisch von einer Durchlöcherung des Mindestlohngesetzes, und in den Nachrichten war nach der Verabschiedung von Ausnahmen für Saisonarbeitskräfte die Rede.

Doch tatsächlich legt das sogenannte Tarifautonomiestärkungsgesetz nur Ausnahmen für bestimmte Praktikanten fest, beispielsweise Schüler, und für Zeitungsausträger (auch nur eine Verschiebung der Mindestlohn-Einführung). In Bezug auf die Saisonarbeitskräfte ist gesetzlich lediglich eine Verlängerung der kurzfristigen Beschäftigungsmöglichkeit von 50 auf bis zu 70 Tage festgeschrieben. Dies bringt den Sonderkulturbetrieben, in denen die Lohnkosten bis zu 70 Prozent der Ausgaben ausmachen, keinen substanziellen Ausgleich mit Blick auf die Wettbewerbsstellung gegenüber dem Ausland, wo weit geringere Löhne gezahlt werden. Anstatt von einer Ausnahmeregelung spricht Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied deshalb von einer Mogelpackung. Die berechtigte Forderung des Bauernverbandes, den Brutto-Mindestlohn von 8,50 Euro nur zu 80 Prozent anzusetzen, weil die kurzfristig Beschäftigten keine Sozialabgaben abführen müssen, hat die Koalition glattweg ignoriert.

Zu glauben, dass die Entscheidung keine gravierenden Folgen hat, ist blauäugig. Wenn sich der Einsatz von Arbeitskräften nicht rechnet, fallen die Stellen weg oder sie werden von Maschinen ersetzt.

Im schlimmsten Falle findet künftig der arbeitsintensive Spargel- und Erdbeeranbau im Ausland statt, zum Schaden der Betriebe in Deutschland und der heimischen und vor allem ausländischen Saisonarbeitskräfte.

Ein kleiner Lichtblick ist die Verständigung zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften auf einen bundesweiten Tarifvertrag in der Landwirtschaft, der die Einführung des Mindestlohns von 8,50 Euro noch etwas verschiebt. Wenn man bedenkt, dass die Gewerkschaft mit dem Gesetz im Rücken eine starke Verhandlungsposition hatte, ist der Abschluss aus Sicht der Arbeitgeber passabel.

Cornelius Mohr – LW 28/2014