Kirschessigfliege führt zu hohen Ertragseinbußen
Fehlende Pflanzenschutzmittel verstärken Situation
Draußen in der Kirschenanlage unweit von Mainz-Finthen hängen die Süßkirschen in dicken Büscheln. Die Früchte sind eingefallen, kein Glanz, spröde und teils faulig. Am Boden liegen bereits viele Früchte, wenn man an die Äste kommt, fliegen die Kirschessigfliegen hoch und es riecht nach Essig in den Bäumen. So sehen dieses Jahr viele Sauerkirschen und etliche Süßkirschenanlagen aus, zeigte BWV-Präsident Eberhard Hartelt Abgeordneten und der Presse bei einem Vor-Ort-Termin.
Foto: Setzepfand
Und Ludwig Schmitt, der Kreisvorsitzende des BWV Mainz bemerkt, dass der Befall mit der Kirschessigfliege noch nie so schlimm, wie dieses Jahr gewesen sei. Die Obstbauberater des DLR Rheinpfalz haben frühzeitig gewarnt. Doch die aus den Brachflächen in die Erwerbsobstanlagen kommende KEF hat optimale Bedingungen bei dieser feucht-warmen Witterung vorgefunden. Viele Nebenerwerbslandwirte haben die Produktion eingestellt. Und fast täglich regnet es. „Wir brauchen zukünftig Wirkstoffe, die wirksam sind und die Biodiversität schützen“, fordert Ludwig Schmitt.
Steinobstanbau durch Kirschessigfliege gefährdet
Eberhard Hartelt, stellt das Ereignis in einen größeren Rahmen. „Ein Jahr wie dieses, wäre früher ein Hungerjahr gewesen.“ Massiver Pilzbefall auch in Weinbergen und im Getreide. „Wir setzen Pflanzenschutzmittel ein gegen die Pilze, die sind zugelassen, die sind geprüft. Doch das Jahr zeigt, dass wir mit den wenigen Wirkstoffen und Pflanzenschutzmitteln an unsere Grenzen stoßen.“
Hartelt sieht den Steinobstanbau im Land durch die Kirschessigfliege einer massiven Bedrohung ausgesetzt. Er stufte den Schädling als größte Herausforderung des Obstbaus in den kommenden Jahren ein. Es müsse alles dafür getan werden, um eine ausreichende Bekämpfung zu erreichen, damit der Anbau von Kirschen, Pflaumen und Mirabellen eine gesicherte Zukunft habe.
Zurzeit gebe es noch keinen Königsweg zur effektiven Bekämpfung des aus Ostasien stammenden Insektes, dafür sei es noch zu wenig erforscht, trotz seiner wirtschaftlichen Bedeutung im Obstbau. Verschiedene Maßnahmen müssten deshalb ergriffen werden, um zum einen kurzfristig den Befall einzudämmen und zum anderen eine langfristige Bekämpfungsstrategie zu entwickeln.
Die Kirschessigfliege habe mit einem milden Winter und der feucht-warmen Witterung in diesem Jahr optimale Bedingungen vorgefunden. Durch ihr hohes Vermehrungspotenzial sei die Population extrem schnell angestiegen. Entsprechend groß seien die Schäden bei Süß- und Sauerkirschen gewesen, deren Ernte gerade zu Ende geht. Die VOG Ingelheim alleine habe 1,5 Mio. Euro Verluste zu verzeichnen, so der BWV-Präsident. Für ganz Rheinland-Pfalz rechne man mit über 2 Mio. Euro Verluste durch die Kirschessigfliege im Obstbau. Spätere Obstsorten, wie die jetzt reif werdende Zwetsche, seien ebenfalls akut gefährdet. Um weitere Schäden in diesem Jahr zu verhindern, setze sich der BWV für die Zulassung eines bisher nur im Weinbau zugelassenen Pflanzenschutzmittels ein.
Foto: bwv
Insgesamt sei die Wirkstoffpalette gegen die Kirschessigfliege im Obstbau stark eingeschränkt und die Freigabe für einen Einsatz erfolge in jedem Jahr neu durch die Bundesbehörden im Rahmen der Notfallzulassung. Hartelt wies darauf hin, dass viele Sonderkulturen unter der schlechten Zulassungssituation für wirksame Pflanzenschutzmittel leiden. Im Verhältnis gesehen sei deren Anbaufläche relativ klein, Zulassungen lohnten sich aus Herstellersicht kaum. Gerade in diesem Jahr habe sich gezeigt, dass die Produktion hochwertiger Lebensmittel ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nicht möglich ist.
Deshalb müsse auch bei der Kirschessigfliege die Forschung intensiviert und die Entwicklung einer umfassenden Bekämpfungsstrategie vorangetrieben werden. Davon würde auch der Weinbau profitieren. Laut Hartelt blickten die Winzer mit großer Sorge auf die Kirschessigfliege, die nach dem Färben der Trauben aller Wahrscheinlichkeit nach die roten Rebsorten befallen wird und zu Ernteausfällen führt.
Drieschenverordnung für den Obstbau eine Lösung?
Hartelt sprach auch Flächen außerhalb der landwirtschaftlichen Nutzung an. So würden Brombeerhecken, ungepflegte Areale und Drieschen hochproblematische Vermehrungsräume darstellen. Er forderte vorhandene Naturschutzflächen fachgerecht zu pflegen und zukünftig auf die Auspflanzung potentieller Wirtspflanzen im Zuge von Naturschutzmaßnahmen zu verzichten. Auch müsste die Rodung bestimmter, nicht kommerziell genutzter Wirtspflanzen in besonders gefährdeten Lagen ähnlich der Drieschenverordnung im Weinbau in Betracht gezogen werden.
Auch wenn der Befallsdruck witterungsbedingt von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlich ausfallen könne, müsse jetzt gehandelt werden, um die Steinobstflächen zu erhalten. Die Kirschessigfliege wird sich langfristig etablieren und ohne eine konkrete Aussicht auf entsprechende Gegenmaßnahmen würden sich viele Obstbauern aus dem Anbau von Steinobst zurückziehen, da er sich nicht mehr lohnen werde.
Thomas Nickolaus ergänzt: „Wir kämpfen nicht nur gegen die Kirschessigfliege, sondern auch gegen eine massive Wettbewerbsverzerrung in Form der Pflanzenschutzzulasssungen. Während hier in Deutschland kaum noch genügend Pflanzenschutzmittel zur Verfügung stehen und extrem hohe Zulassungshürden aufgebaut werden, wird im Lebensmitteleinzelhandel die Ware aus dem Ausland noch dazu günstig zugekauft. Wie diese dort behandelt wurde, das ist den Verbrauchern dann egal.“ Langfristig führt dies dazu, dass in Deutschland weder Obstbau noch Gemüsebau betrieben werde. Dann müsse der Verbraucher mit den geringeren Standards aus dem Ausland leben.
Und Obstbauer Peter Nickolaus sagt: „Wir wollen hier vom Obstbau weiterleben. Hier in unserer schönen Kulturlandschaft, hier, wo Zuckerrüben neben Zwetschen, Sauerkirschen neben Getreide, Aprikosen neben Äpfeln stehen.“ Einen festgeschriebenen Obstbau, wie es Naturschützer fordern, das ist nicht in unserem Sinne und sei auch nicht natürlich, Flächen müssen gewechselt werden im Sinne der Fruchtfolge, sagt Schmitt.
zep/bwv – LW 32/2016