Kleine Fluchten

Auch „Hochleistungs“-Landwirte benötigen Pausen

Arbeit ohne Ende, Wetterkapriolen, Bürokratie und vieles mehr – die Berufsanforderungen steigen permanent. Wann soll man da mal durchatmen? Erholung ist aber die Voraussetzung für erfolgreiche Betriebsführung. Wie das im stressigen Alltag gehen kann, erläutert Peter Jantsch, Diplom-Agraringenieur und systemischer Coach.

Kleine Auszeiten, um sich zu erholen, sollten auch im täglichen Alltag verankert sein.

Foto: imago images/Westend61

Laut einer Studie vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sind die Landwirte die Berufsgruppe, die am meisten arbeitet. In der Landwirtschaft beträgt laut Tarifvertrag die regelmäßige jährliche Arbeitszeit für Vollbeschäftigte zurzeit 2088 Stunden (40 Stunden/Woche). Das Bundesurlaubsgesetz billigt jedem/jeder Arbeitnehmer/in einen Urlaub von 24 Werktagen bei einer 6-Tage-Woche zu, das sind also vier Wochen Urlaub im Jahr. Doch die Realität ist: Die meisten Landwirte arbeiten mehr und machen weniger Urlaub.

Glaubenssätze überprüfen

Das Ringen um Pflichterfüllung und Treue zum Betrieb ist zutiefst verständlich. Was aber ist der Maßstab dafür, was leistbar ist? 40 Stunden pro Woche? 60? 100? An 365 Tagen im Jahr, oder doch lieber etwas mehr?

Genauso wenig, wie langfristig aus der Substanz des Betriebs gewirtschaftet werden kann, um die Landwirtsfamilie zu ernähren, kann aus der Substanz der Menschen gewirtschaftet werden, um den Hof zu erhalten. Man kann nicht die Milchleistung der Kühe erhöhen, indem man die Trockenstehzeit verkürzt oder weglässt.

Der Ausspruch, alles Glück des Lebens müsse aus der Arbeit für den Betrieb stammen, ist völlig überzogen und nicht erfüllbar. Auch wenn die Arbeit Sinn macht, Freude bringt und einen erfüllt, muss man mal etwas anderes tun und sich erholen. Nicht nur Hochleistungs-Kühe müssen mal trockenstehen, auch Hochleistungs-Landwirte.

Bedeutung und Funktion von Freizeit

Erholungszeiten dienen der Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit und dem Aufrechterhalten der Gesundheit.

Der Betriebsleiter ist dafür verantwortlich und zuständig, dass die auf dem Betrieb arbeitenden Menschen optimale Bedingungen vorfinden, um ihr Leistungspotenzial abrufen zu können. Es besteht da eine Fürsorgepflicht. Und die schließt ihn selbst mit ein.

Wenn der Betrieb nicht rund läuft, ist es die Verantwortung und Aufgabe des Betriebsleiters, Abläufe und Strukturen so zu verändern, dass es besser läuft. Nur wer wach, in seiner Kraft und kreativ ist, kann erfolgreich diese Herausforderungen meistern. Wer unglücklich, erschöpft, schwach oder krank ist, ist nicht leistungsfähig. Freizeit ist also kein Luxus, sondern die Grundlage für eine erfolgreiche Betriebsführung.

 – LW 25/2019