Knackpunkt Agrarpolitik

Der Jamaika-Koalition, die nach der Bundestagswahl als einzig mögliche Konstellation für eine künftige Regierung gehandelt wird, dürfte die große Mehrheit der Bauern mit Unbehagen entgegensehen. Das liegt daran, dass die Grünen als wahrscheinlich künftige Regierungspartei eine komplette Neuausrichtung der Agrarpolitik fordern, für mehr Verbote von Pflanzenschutzmitteln und den Umbau der Tierhaltung plädieren und ansonsten im Wahlkampf mit Polemik gegen die konventionelle Landwirtschaft nicht gespart haben. Entscheidend ist, wer künftig das Agrarministerium übernimmt, wenn es dies in der nächsten Legislaturperiode noch gibt. Die Grünen werden den Posten sicher anstreben, da die Landwirtschaft ein Kernthema für sie ist. Die künftige Bundeskanzlerin Merkel ist zwar im Umgang mit den Grünen schmerzfreier als die Vertreter von CSU und FDP. Aber auch sie weiß, dass sie die Bauern als bisherige Stammwähler mit einer extremen Besetzung des Agrarressorts nachhaltig vergraulen wird. Die Verhältnisse in Schleswig-Holstein mit einer Jamaika-Landesregierung und in Hessen mit einer schwarz-grünen Regierung, wo die Grünen einigermaßen pragmatisch ausgerichtet sind, sind nicht unbedingt auf den Bund übertragbar.

Allerdings sind die Ressorts der Bundesregierung (derzeit 15) unter vier Parteien zu verteilen, und zumindest die CSU würde auch gerne das Landwirtschaftsministerium übernehmen. Wichtig ist für die Bauern aber auch das Umweltressort, aus dem heraus ja schon während der großen Koalition Agrarpolitik betrieben wurde. Das Ministerium spielt beispielsweise beim Bauen im Außenbereich und mit seiner nachgeordneten Behörde, dem Umweltbundesamt, bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine (mit-)entscheidende Rolle. In diesem Zusammenhang wird es interessant sein, was aus der Zusage von Kanzlerin Merkel wird, in der EU für die Wiederzulassung von Glyphosat zu votieren. Die Grünen haben diese Frage so hochstilisiert, dass sie zu einem Knackpunkt bei den Verhandlungen werden wird. Neben der Zuwanderungs- und der Energiepolitik liefern Agrarfragen ohnehin die größten Streitpunkte zwischen den so unterschiedlichen Parteien, die zu einer Koalition zusammenkommen sollen.

Cornelius Mohr – LW 39/2017