Kosten runter und gleichzeitig Tiergesundheit rauf?

Rindergesundheitstag in Gießen beschäftigt sich mit dem Thema

Die Produktionskosten zu senken ist aufgrund der unbefriedigenden Erzeugerpreise weiterhin ein wichtiges Thema in den Milchviehbetrieben. Ob man gleichzeitig die Kosten senken und trotzdem die Tiergesundheit verbessern kann, wird Thema des Rindergesundheitstages am 5. November an der Universität Gießen sein. Dr. Peter Zieger, Innovationsteam Milch Hessen, gibt einen Überblick.

Ein guter Kuhkomfort und damit eine weiche, trockene Liegefläche ist wichtig für das Wohlbefinden und damit die Gesundheit der Tiere.

Foto: Zieger

Schaut man sich die betriebswirtschaftlichen Abschlüsse von Milchviehhaltern an, erscheinen die Tiere meist in jenen Betrieben am gesündesten, die gleichzeitig mehr Geld für die Tiergesundheit ausgeben. Das hängt damit zusammen, dass vorbeugende Maßnahmen einer regelmäßigen Bestandsbetreuung eine häufigere Präsenz des Tierarztes vor Ort notwendig machen. Fehlentwicklungen im Betrieb können früher identifiziert und abgestellt werden. Aber dies erzeugt auch höhere Gesundheitserhaltungskosten-Ausgaben, die als Investition in die Zukunft zu verstehen sind. Und genau hier liegt der Schlüssel zum Erfolg. Leider nutzen nur 15 Prozent der Betriebe diese Art der Zusammenarbeit mit dem Tierarzt.

Welche Bedeutung hat der Kuhkomfort?

Der Kuhkomfort ist oft die größte Klippe für eine hohe Produktion und Gesundheit der Kühe. Wenn ein Stall nicht kuhgerecht ist, sind folgende Probleme an der Tagesordnung: Lahmheiten, erhöhte Abgangsraten oder Totalverluste, schwache Milchleistung und Fruchtbarkeit, die in direktem Zusammenhang zum Kuhkomfort stehen. Mit Hilfe von Kameras kann man heute beobachten, was über Stunden im Stall passiert, wenn man nicht dabei ist. Häufig kann man dabei feststellen, dass in Ställen mit mangelndem Kuhkomfort „Chaos“ an der Tagesordnung ist. Es gibt Kühe, die in Liegeboxen stehen und dabei das Gewicht immer wieder von einer Seite zur anderen verlagern und nur kurze Zeit liegen. Und oft sieht man Kühe vor den Liegeboxen stehen, so als ob sie überlegen, was sie tun sollen. Im Gegensatz dazu sieht man in Ställen mit Kuhkomfort eine entspannte Ruhe und Ordnung. Kühe sind entweder mit Fressen beziehungsweise Saufen beschäftigt, oder sie liegen in komfortablen Boxen. Die Liegezeiten der Kühe sind lang und die Tiere stehen nicht in kurzen Abständen auf und legen sich wieder ab. Sie legen sich rasch ab, wenn sie die Box betreten und haben genug Platz in der Box, weil die Maße zur Kuh passen. Neben der Liegeflächengestaltung spielen auch die Boxenmaße und die Bügelform, vor allem der freie Schwungraum nach vorne, eine entscheidende Rolle auf das Liegeverhalten der Kühe. Gleich nach der Liegebox kommt dem Laufgang besondere Bedeutung zu. Er muss rutschfest und sauber sein, so dass die Kühe sicher laufen und stehen. Auch Maßnahmen gegen Hitzestress sind an vielen Tagen des Jahres in unseren Breitengraden erforderlich. Ventilatoren, gegebenenfalls in Kombination mit Sprinklern sind wichtig, aber noch wichtiger ist die gute Wasserversorgung der Tiere (Anzahl, Größe und Platzierung der Tränken).

Wie viel ist Kuhkomfort wert?

Meist ist es schwierig, den monetären Wert von verbessertem Kuhkomfort zu bestimmen, weil die Effekte so viele Bereiche beeinflussen. Zum Teil fehlt das Bewusstsein, was mangelnder Komfort „kostet“, aber andererseits können die Kosten, die entstehen, wenn der Kuhkomfort verbessert wird, genau beziffert werden. Aber alle Betriebe, die Verbesserungen im Kuhkomfort erreicht haben, können am Ende positive Ergebnisse vorweisen:

  • Die Liegezeiten der Kühe steigen deutlich an – die Kühe liegen regelmäßiger und haben längere Liegeperioden.
  • Folgeerscheinung des verbesserten Liegekomforts ist eine deutliche Abnahme der Lahmheiten.
  • Die dritte Verbesserung ist dann eine verbesserte Fruchtbarkeitsleistung. Brünstige Kühe werden in komfortablen Ställen eher gesehen.
  • Letztendlich steigt 6 bis 12 Monate nach der Verbesserung des Kuhkomforts die Milchleistung der Einzelkuh an.

Auf die Details kommt es an beim Kuhkomfort

So zeigen Studien der Universität Wisconsin, dass eine Verlängerung der Liegeboxen nach vorne (mehr Kopfschwung) um 75 cm zu einer Milchleistungssteigerung von 550 kg pro Kuh und Jahr geführt haben. Und das wohlgemerkt bei Sandboxen, die wir per se als das Non-Plus-Ultra bezeichnen würden. Umgekehrt standen Kühe nach einer Woche unterlassener Boxenpflege bei Sandboxen fast eine Stunde täglich länger als sonst, mit der Folge, dass die Milchleistung sofort merklich zurückging. Diese Beispiele zeigen, dass Kühe viel empfindlicher sind und reagieren, als wir uns je vorgestellt haben. Man muss erkennen, dass bloßer Kuhkomfort so nicht ausreicht. Kuh-Wellness ist vermutlich das treffendere Wort. Bietet man Kühen die Bedingungen für mehr Wohlbefinden, erreicht man automatisch auch eine stabilere Tiergesundheit und eine höhere Bereitschaft zur „Zusammenarbeit“, sprich mehr und qualitativ bessere Milch. Dies und vieles mehr wird Thema des Rindergesundheitstages sein.

 – LW 41/2016