Kuhkomfort und Management top
Betrieb Schmidt siegte beim D“ Kall-Preis des Innovationsteams
Auch in diesem Jahr hat das Innovationsteam Milch der Landesvereinigung Milch Hessen wieder den Preis D“ Kall verliehen. Sieger wurde die GbR Schmidt aus Ronneburg-Neuwiedermuß. Familie Schmidt steht für eine neue Generation von Betriebsinhabern. Mit ihren Ansichten zum Beruf einerseits und Freizeit andererseits stellen sie unter ihren Berufskollegen eine Ausnahme dar. Ihr Betrieb im hessischen Main-Kinzig-Kreis ist in den letzten zehn Jahren kontinuierlich von 80 auf 300 Kühe gewachsen. Sibylle Möcklinghoff-Wicke vom Innovationsteam Milch Hessen stellt den Betrieb vor.
Das Betriebsleiterehepaar hat vier Söhne, von denen der älteste, Johannes, schon in die GbR eingestiegen ist und auch Christoph ist als Bioenergie-Landwirt bereits im Betrieb eingebunden. Wenn gleich zwei potenzielle Hofnachfolger zur Verfügung stehen, kann das Vorbild der Eltern nicht falsch gewesen sein. Im Gegenteil: Helga und Reiner Schmidt sind „Vollblut-Milchviehhalter“, denen das Wohlergehen der 300 Kühe der Rassen Fleckvieh, Braunvieh und Schwarzbunt sehr am Herzen liegt. Aber es gibt eben auch noch ein Leben außerhalb des Kuhstalls. Reiner und seine Frau Helga haben neben ihrem Beruf auch viele gemeinsame private Interessen. Beide legen Wert auf geregelte Arbeitszeiten, freie Nachmittage, Abende und auch Wochenenden, „denn das Leben besteht nicht nur aus Kuhstall“ so Helga Schmidt.Und trotzdem wurde der Kuhbestand in den letzten fünf Jahren um 100 Kühe aufgestockt, sodass der Stall, der 2007 gebaut wurde, seine Kapazitätsgrenze erreicht hat. Außerdem wurde 2012 eine Biogasanlage in Betrieb genommen und weitere Ziele der Betriebsentwicklung formuliert.
Stolz ist die Familie Schmidt auf die Auszeichnung D“ Kall, dazu hat sie auch allen Grund, steht die Auszeichnung doch für erfolgreiche, moderne Milchviehhaltung. Nicht nur der sehr gute Tierkomfort verbunden mit überzeugenden tierischen Leistungen, sondern auch die langfristige Wirtschaftlichkeit und die Zukunftsfähigkeit des Betriebes sind entscheidende Bewertungskriterien. „Nachdem wir vor zwei Jahren bereits den dritten Platz erreichen konnten, war für uns klar, dass wir irgendwann einmal ganz oben stehen wollten“, erklärt Reiner Schmidt. Lohn für den Platz auf dem Siegerpodest ist neben der Statur „D' Kall“, auf der der Landwirt „Kall“ mit einer Kuh zu sehen ist, ein Reisegutschein über 1 000 Euro für die Studienreise mit dem Innovationsteam Milch im September. Dann gehen Reiner und Helga auf große Fahrt nach Wisconsin (USA) und lassen sich von den Milchprofis in Sachen Milchviehmanagement inspirieren.
300 Milchkühe verschiedener Rassen
1997 wurde der Grundstein für die neue Betriebsstätte außerhalb des Dorfes Neuwiedermuß gelegt, als der erste Boxenlaufstall für 80 Tiere errichtet wurde. Heute stehen 300 Milchkühe in den Stallungen. Neben Fleckviehkühen gibt es Braunvieh und Schwarzbunte, die auch miteinander gekreuzt werden. Auf die Rassenvielfalt angesprochen erklärt Reiner Schmidt: „Wir lieben die Vielfalt, jede Rasse hat ihre besondere Stärke und die Kreuzungstiere sind besonders robust. Wir glauben, dass wir mit diesen Tieren auch nach dem Milchquotenende 2015 gut wirtschaften können“, erklärt Reiner die Zuchtstrategie.Wohlfühloase Kuhstall
Vor allem der große Boxenlaufstall, als Doppel-Zwei-Reiher mit mittigem Futtertisch gebaut, ist eine „Wohlfühl-Oase“ für das Milchvieh: Er bietet viel Platz, Luft, Licht und – ganz entscheidend – sehr komfortable Liegeboxen für die Kühe. Die Liegeboxen sind Tiefboxen mit Stroh-Kalk-Einstreu, was sich äußerst positiv auf das Fundament und die Gelenke der Tiere niederschlägt. Kaum eine Kuh im gesamten Bestand weist Technopathien auf. Dies ist nicht nur auf die Liegeboxenqualität zurückzuführen, sondern auch auf den extra konzipierten und großzügig angelegten, voll eingestreuten Transit- und Abkalbebereich. „Unsere Kühe sind heute ganz relaxt und wir sind es eigentlich auch“, freut sich Helga Schmidt. Während der neue, sehr helle und klimafreundliche Außenstall mit 240 Plätzen den heutigen Vorstellungen entspricht, betonen Schmidts hierbei vor allen Dingen kleine, aber feine zusätzliche Details.
Breite Lauf- und Fressgänge und Laufhof vorhanden
So stehen den Kühen sehr breite Lauf- und Fressgänge zur Verfügung (Fressgang 4,50 Meter). Ganz bewusst wurde ein Doppel-Zweireiher-Laufstall mit Schwanz-zu-Schwanz-Aufstallung gebaut, um zu verhindern, dass ranghöhere Tiere die ihnen mit dem Kopf zugeneigten Tiere beim Ablegen aus den Boxen verdrängen. Das isolierte Dach und der kleine Laufhof sind nicht mehr wegzudenken und dass im Giebel nach wie vor keine Türen eingebaut sind und im Giebeldreieck ein Spaceboard eingebaut wurde, stört niemanden, am wenigsten die Kühe!Die Laufgänge und der separate Fressgang der sehr offenen Stallanlage sind mit strukturierten Betonfertigelementen ausgelegt, die regelmäßig mit einem Schieber in den außenliegenden Querkanal abgeschoben werden. Eine Überbeleg ist für Schmidts kaum tolerierbar. Jede Kuh hat eine Liegebox und jede Kuh hat einen Fressplatz, es herrscht im Stall eine sehr angenehme und ruhige, entspannte Atmosphäre, die sich auch auf das Wohlfühlverhalten der Kühe erstreckt.
Nach dem Fressen findet sich kaum eine freie Liegebox mehr, so führt für die meisten Kühe der direkte Weg zurück in die bequemen Liegeboxen. Dieser herausragende Kuhkomfort im Betrieb ist ein entscheidendes Kriterium für den diesjährigen Sieg der Familie Schmidt. Kuhkomfort ist die Grundlage für gute Leistungen und qualitativ hochwertige Milch, die in diesem Fall bei den Milchwerken Oberfranken West zu leckeren Käsespezialitäten verarbeitet wird. Guter Kuhkomfort ist eine elementare Grundlage für gute tierische Leistungen und gute Tiergesundheit und auch hier beweisen Schmidts, dass sie die Auszeichnung zurecht bekommen haben.
9 300 kg ECM je Kuh im Schnitt
Über 9 300 kg ECM Milch/Kuh geben die 300 Kühe – über alle Rassen, wobei die Schwarzbunten bei der Leistung besser als Braunvieh und Fleckvieh sind. Die Inhaltsstoffe liegen mit 4,03 Prozent Fett und 3,44 Prozent in einem guten Bereich und die mittlere Zellzahl liegt bei etwa 200 000 Zellen.Helga Schmidt organisiert das Fruchtbarkeitsmanagement
Bei den Fruchtbarkeitsleistungen konnte der Betrieb vor allem in den letzten Monaten deutliche Verbesserungen erzielen, da Helga das Aufgabengebiet Fruchtbarkeitsmanagement von Reiner übernommen hat. „Helga hat da deutlich das bessere Händchen“, gibt Reiner unumwunden zu, „schade, dass wir das nicht schon früher festgestellt haben, dann wäre die Milchleistung vielleicht jetzt schon höher“. Neben den zuchthygienischen Maßnahmen legen Schmidts viel Wert auf die optimale Betreuung der Kühe, gerade auch um den Abkalbezeitpunkt herum. Die Transitkühe stehen in einem großen Strohbereich neben dem Laufstall und kalben in der Gruppe ab. Zehn Tage vor dem erwarteten Abkalbetermin erhalten die Kühe Vitamin D3 und nach der Abkalbung gibt es einen Energietrunk und so viel Wasser, wie die Tiere freiwillig saufen. Und passend zum Internationalen Tag der Milch, an dem der Preis verliehen wurde – unter Aufsicht vieler prominenter Besucher – kalbte eine Fleckviehkuh ab und brachte ein Zwillingspaar des Bullen Washington zur Welt und demonstrierte so anschaulich die Vorzüge des Stallbereiches.
Dass die Betreuung nach Plan funktioniert, sieht man an den Zahlen der Remontierung, die bei 20 Prozent liegt. Kühe verlassen heute den Bestand überwiegend wegen Alter, Melkbarkeit oder Euterproblemen.
Besonderheiten des Betriebes aus Sicht der Jury
Betriebe, die den D“ Kall gewinnen, zeichnen sich nicht nur durch optimale Haltungsbedingungen und gut organisiertes Management im Betrieb aus. Weitere wichtige Kriterien sind die Wettbewerbsfähigkeit und die Unternehmerpersönlichkeit des Betriebsleiters und der Familie. Anhand der wirtschaftlichen Ergebnisse (DeckungsÂbeitragsrechnungen aus den Arbeitskreisen, betriebswirtschaftlicher Abschluss) werden Effizienzfaktoren (Arbeit, Fläche, Futter) und Produktionskosten beurteilt und mit dem Betriebsleiter diskutiert. Dabei ist es für die Fachjury wichtig zu erkennen, wie die Betriebsleiter ihre eigene Situation und ihre zukünftigen Entwicklungschancen und Ziele sehen, wie sie auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren. Dass man bei sich ändernden Bedingungen auch einmal etwas Neues probieren könnte, ist für Schmidts klar: Sie waren schon häufiger Pioniere, wie zum Beispiel dabei, den Transitbereich statt mit Stroh mit Hobelspänen einzustreuen und als Kompoststall zu nutzen oder ungewöhnliche Wege in der Beratung zu gehen.
Partnerbetrieb der Hessischen Milch- und Käsestraße
An dieser Stelle spielen auch die „Soft Skills“ der Unternehmerfamilie eine Rolle: Wie ist der Umgangston im Betrieb, welche außerlandwirtschaftlichen Aktivitäten, bei denen auch das Bild der modernen Tierhaltung an die nichtlandwirtschaftliche Bevölkerung transportiert wird, gibt es? Als Partnerbetrieb der Etappe Main-Kinzig und Wetterau der Hessischen Milch- und Käsestraße öffnet der Fleckviehzuchtbetrieb Schmidt GbR seine Hoftore für Besucher, die mehr über die Milcherzeugung erfahren wollen, und bietet so allen Interessierten die Möglichkeit, zu erleben, woher die Milch kommt.Die Schmidt GbR hat sich auch bei den Kriterien Wettbewerbsfähigkeit und Unternehmerpersönlichkeit eindeutig positioniert, Stärken und Schwächen im Betrieb erkannt und alle Beteiligten wissen, dass man in der Milchviehhaltung nie aufhören darf, das Beste erreichen zu wollen. Es kommt darauf an, konstant sehr gute Ergebnisse zu erzielen. „Wir freuen uns sehr, dass wir die Auszeichnung bekommen haben. Heißt es doch, dasSs wir bisher schon das ein oder andere richtig gemacht haben. Aber wir wissen auch, dass wir uns jetzt auf dem Erreichten nicht ausruhen können, sondern immer weiter am Betriebsmanagement, an der Betriebsentwicklung und an uns arbeiten müssen, um auch zukünftig gut zu sein“, so Reiner Schmidt bei der Preisverleihung.
Insgesamt konnte die Schmidt GbR hervorragende 96 von 100 Prozent in der Bewertung erreichen und wurde so eindeutig zum D“ Kall auserkoren. So heißt es denn auch in der Laudatio „Der Preis „D“ Kall“ wurde in diesem Jahr an einen Betrieb verliehen, der für das neue Selbstverständnis vieler erfolgreicher Milchproduzenten steht: Familie Schmidt zeigt, dass es in der modernen Tierhaltung möglich ist, auch bei größeren Tierbeständen ein Leben außerhalb des Kuhstalls zu haben, und dass Milcherzeuger und Landwirt der schönste Beruf ist!
Betriebsspiegel
GbR Schmidt, Ronneburg-Neuwiedermuß
- Nutzfläche: 160 ha, davon 50 ha Grünland und 110 ha Ackerbau
- Tierbestand: 300 Milchkühe
- Kennzahlen: Milchleistung 2012/13 von 9 365 kg ECM, Zellzahl von 200 000 Zellen/ml, Bestandsergänzung 20 Prozent, Zwischenkalbezeit 425 Tage
- Fütterung: TMR für alle Tiere, einmal täglich frische Futtervorlage, mehrmals täglich Futter anschieben, Kraftfuttereffizienz: 266 g Kraftfutter/kg Milch
- Haltung: zwei hochleistende Kuhgruppen (Kuh- und Färsengruppe) im neuen Laufstall, eine Gruppe Altmelker im alten Laufstall, Trockensteher erhalten im Sommer Weidegang, spezieller Transitbereich auf Stroh, ein Boxenlaufstall Doppel-Zwei-Reiher, ein Boxenlaufstall Drei-ÂReiher-Offenfront
- Arbeitskräfte: 3,8 AK, davon Familie 2,1 AK, zwei Mitarbeiter mit 1,7 AK, Arbeitseffizienz von 31 h/Kuh und 276 kg Milch/AKhMöcklinghoff-Wicke