„Landwirtschaft in Hessen ist eine Zukunftsbranche“

Nordhessische Bäuerinnen im Gespräch mit Priska Hinz

Es liegt uns daran, jedes Jahr mit Ihnen, Frau Ministerin, über aktuelle Themen, die die Bäuerinnen auf dem Land bewegen, zu sprechen und Ihnen die gelebte Realität der modernen Landwirtschaft zu zeigen“, eröffnete Landfrauenpräsidentin Hildegard Schuster die Gesprächsrunde der nordhessischen Bäuerinnen mit Landwirtschaftsministerin Priska Hinz.

Der Dialog zwischen Ministerin Priska Hinz, Bäuerinnen, Landfrauen und Interessierten fand auf dem Betrieb Fiege in Jesberg-Hundshausen statt.

Foto: Lehmkühler

Zum vierten Mal hatte der Landfrauenverband Hessen unter dem Motto „Im Dialog mit der Politik“ zu einem offenen Austausch von Bäuerinnen mit der Landwirtschaftsministerin eingeladen. Vergangene Woche fand das Treffen auf dem Hof von Familie Fiege in Jesberg-Hundshausen statt. Rund 25 Bäuerinnen nahmen daran teil. Bäuerin und Agrar-Bürofachfrau Beate Fiege stellte mit ihrer Familie den Drei-Generationenbetrieb vor. Sie befinde sich täglich im Spagat zwischen Haushalt mit Garten, den täglichen Stallarbeiten mit Tierkontrolle und Futterversorgung sowie der immer mehr werdenden Büroarbeit. „Ich bin stolz, eine Bäuerin zu sein“, sagte Beate Fiege. Dennoch gebe es Sorgen. Sie sprach das Kupieren der Ferkelschwänze an, auf das sie auf ihrem Betrieb auf keinen Fall verzichten könnten, „um dem Tierwohl gerecht zu werden“. Die Ministerin sagte dazu: „Es steht zurzeit nicht an, dass wir in Hessen auf nur langschwänzige Schweine umstellen.“ Auf ihrem Zuchtsauenbetrieb mit angegliederter Ferkelaufzucht sei die Hofnachfolge geklärt, „aber es gibt viele, die keinen Hofnachfolger haben. Die wenigen, die in den elterlichen Betrieb einsteigen, müssen gefördert und nicht unsinnig durch neue Verordnungen gestoppt werden“, forderte Fiege. „Wie sehen Sie die Chancen für junge Menschen in der Landwirtschaft, Frau Ministerin?“

Regionale Lebensmittel schaffen Vertrauen

„Die Landwirtschaft ist ohne Zweifel eine Zukunftsbranche“, antwortete Priska Hinz. „Wir wollen die landwirtschaftliche Produktion in Hessen behalten. Die regionale Lebensmittelproduktion ist wichtig, denn zum einen ernährt die damit einhergehende regionale Wertschöpfung nicht nur die Bauern und ihre Familien, sondern darüber hinaus auch die verarbeitende Industrie bis hin zum Lebensmittelhandel“, so die Ministerin. „Es schafft Vertrauen, wenn die Verbraucher wissen, woher die Lebensmittel kommen.“ Zum anderen werde die Landwirtschaft für den Erhalt der Kulturlandschaft und auch aus Klimaschutzgründen gebraucht. „Landwirtschaft trägt, wie auch jede andere Form des Wirtschaftens, zwar zum Klimawandel bei, aber sie hilft auch dem Klimaschutz: Wenn die Ketten der Lebensmittelproduktion kurz sind, wenn die Produkte nicht weit transportiert werden müssen, ist dies auch gut für das Klima.“

Beim Rundgang über den Betrieb (v. l.): Ministerin Priska Hinz, Landfrauenpräsidentin Hildegard Schuster, Christian, Reinhard, Carina und Beate Fiege.

Foto: Lehmkühler

Gut ausgebildete Fachkräfte

Als weiteren Grund dafür, dass Landwirtschaft in Hessen eine Zukunftsbranche sei, nannte Hinz die guten landwirtschaftlichen Fakultäten: „In Witzenhausen, Gießen und Geisenheim wird Nachwuchs mit hervorragenden wissenschaftlichen Kompetenzen ausgebildet. Aber wie schaffen wir es, dass die gut ausgebildeten Fachkräfte Betriebe finden, die selbst keine Hofnachfolger haben? Ich bin hier auf Ihre Hinweise angewiesen!“, forderte Hinz die Bäuerinnen zu Vorschlägen auf. Zum hohen Bürokratieaufwand im Agrarbüro sagte die Ministerin: „Wir haben über drei Jahre in Brüssel Vorstöße in Richtung Entbürokratisierung versucht. Das scheint in dieser GAP-Periode nicht möglich zu sein.“ Hildegard Schuster dazu: „Wir unterstützen Sie diesbezüglich auch gerne in der nächsten GAP-Periode!“

Eine Bäuerin merkte an: „Wenn wir in der Landwirtschaft mehr leisten sollen, zusätzlich immer mehr Regeln einhalten müssen, brauchen wir vernünftige Preise für unsere Produkte und auch finanzielle Hilfen, wenn die Auflagen noch strenger werden. Sonst wird es eng für uns.“ Sehr viel zu schaffen, mache den Bauern die ständige Schelte der Verbraucher und Medien. „Die Stimmung ist dadurch schlecht. Wir wünschen, dass die Politik uns hier unterstützt!“ Seit Amtsbeginn habe sie sich darum gekümmert, einen guten Gesprächsdialog mit den Bauern und den unterschiedlichen Verbänden zu halten, „und die meisten Landwirte sind bereit, sich neuen Herausforderungen zu stellen“, erwiderte Hinz. Unterstützung würde es geben durch ausgeweitete Beratungen beim Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen zum Beispiel zum Thema Grundwasserschutz, Biodiversität, gentechnikfreie Futtermittel oder auch durch die klassischen betriebswirtschaftlichen Beratungen. Außerdem sei es ihr wichtig, zum Interessensausgleich und zu gemeinsamen Vereinbarungen zu kommen. Dies sei zum Beispiel mit dem Zukunftpakt `Hessische Landwirtschaft´ und dem Runden Tisch Tierwohl gelungen. Weitere Themen waren: Flächenversiegelungen, Planungssicherheit beim landwirtschaftlichen Bauen, Ungleichbehandlung bei BHV1-Kontrollen in Mutterkuh- und Aufzuchtbetrieben, Lebensmittelkennzeichnung sowie die aktuelle Blühstreifenkampagne. Abschließend kündigte die Ministerin an, dass bezüglich der lückenhaften Internetversorgung auf dem Land im August ein Gespräch zur Digitalisierung mit dem Wirtschaftsministerium stattfinden würde, „um die weißen Flecken zu beseitigen. Wir wollen dies möglichst diesen Sommer auf den Weg bringen.“

SL – LW 30/2017