Lesestart – so früh wie nie zuvor

Eigentlich ist jetzt die Zeit der Weinevents. Winzer vermarkten ihre Weine und liefern die Ware aus oder feiern zuhause ein Hoffest. Dazwischen sind ein paar Tage Urlaub eingeplant zur Entspannung vor der Ernte. Doch dieses Jahr ist alles anders. Die Trauben reifen so früh wie noch nie und derzeit ist die Hauptlese bereits in vollem Gange. Nach einem Hagelunwetter am 25. August in der Region Gundersheim startete eine Notlese, um zu retten, was zu retten ist. Fast 2 000 ha waren betroffen, davon etwa 300 ha Totalschaden. Wo es die Wartezeiten der Pflanzenschutzmittel erlaubte, wurde geerntet. Zuvor musste schnell das Kelterhaus gerichtet werden. Dabei waren viele Rebanlagen besonders gut gepflegt und die Traubenzone entlaubt, um erlesene Tropfen zu erzeugen. Es ist bitter für die Winzer, dann vor der Zeit ernten zu müssen. Noch nie gab es kurz vor der Lese einen solchen Hagelschlag.

Ein massiver Spätfrost hatte schon im April die Ertragserwartungen geschmälert. Allerdings hoffen die Winzer auf umso höhere Qualitäten. Die frühreifen Rebsorten wurden schon Anfang September durch Wespenfraß und Kirschessigfliege bedroht. Weinbauminister Dr. Volker Wissing zeigte Verständnis für die Nöte der Winzer und senkte das Mindestmostgewicht für Dornfelder auf 65 °Oe, sodass eine schnelle Lese dieser Sorte möglich wurde.

2017 ist von einer ungewöhnlich frühen und schnellen Traubenreife geprägt. Nach hohen Niederschlägen füllten sich die Beeren, drückten sich ab und platzten auf. So geht die Lese stetig voran, um den Ertrag vor Fäulnis zu bewahren. Dabei ist die physiologische Reife vielerorts noch nicht erreicht, obwohl die Mostgewichte erstaunlich hoch sind. Für Enttäuschung sorgt die geringe Saftausbeute etlicher Partien. Viele Rebsorten werden jetzt gleichzeitig reif, sodass sich eine sehr schnelle Lese abzeichnet – selbst Riesling ist schon lesereif. Sehr gespannt kann man auf den Geschmack des frühen Jahrgangs sein. Das typische Sortenaroma entsteht jetzt in kühlen Nächten. Alles in allem ist es ein extrem früher Herbst unter insgesamt schwierigen Bedingungen.

Bettina Siée – LW 37/2017