Liquide im angespannten Marktumfeld bleiben

Tag der Milch der Marburger Rinderzüchter in Lahntal

Für viele Landwirte geht die Rechnung nicht mehr auf: In den Märkten der Milchbauern sind zurzeit viele Existenzen bedroht. Betriebe, die gerade investiert haben, können kaum fristgerecht tilgen. Wie können also die Landwirte in dieser schwierigen Lage liquide bleiben? Mit dieser aktu­ellen Frage befassten sich drei Expertenvorträge am Tag der Milch der Marburger Rinderzüchter vorige Woche in Sarnau.

Viele Tipps, Finanzierungsfehler zu ver­mei­den, hatte Anne Mawick, LLH-Fachgebietsleiterin Ökonomie.

„Liquidität ist planbar: Aber die Planung sollte realitätsnah sein, das Zahlenwerk dazu den Betrieb zeitnah abbilden und vor allem muss der Betriebsleiter vom Zweck der Liquiditätsplanung überzeugt sein.“ Das konstatierte Anne Mawick, Fachgebietsleiterin Ökonomie beim Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen. Fazit ihrer Aussagen ist, dass der Landwirt zu jeder Zeit wissen muss, wo sein Betrieb finanziell steht. Das sei Voraussetzung, Tiefpreisphasen wie diese zu überstehen. Die Ratschläge zum Finanzmanagement und zur Liquiditätsplanung präzisierte sie anhand von Buchführungser­geb­nissen hessischer Milchviehbetriebe.

Investitionen müssen gut vorbereitet sein

Investitionen müssen gründlich vorbereitet sein. Wird nicht investiert, verliert der Betrieb an Wettbewerbsfähigkeit. Wird investiert, besteht aber in Zeiten tiefer Erzeugerpreise die Gefahr, dass die Kosten nicht gedeckt sind. Landwirte müssen besonders in schweren Zeiten die Kosten im Griff haben. „Jeder, der gebaut hat, weiß, dass es immer nachher teurer wird, als vorher geplant war“, so Mawick.

Gewaltiger Strukturwandel in Hessens Milcherzeugung

Ihr Rat kommt nicht von ungefähr: Der Strukturwandel in der Landwirtschaft ist gewaltig. In den letzten fünf Jahren ist die Zahl der Milchbauern in Hessen um über 900 Betriebe und damit um fast 30 Prozent auf jetzt 3 200 Betriebe gesunken. Die Anzahl der Kühe in Hessen ist in diesem Zeitraum hingegen nur um circa 2 Prozent auf gut 147 000 Tiere gefallen. Die Wachstumsschwelle ist auf Herden von 100 Kühen gestiegen. Kleine und mittlere Betriebe mit 50 Kühen schaffen vielfach den Wachstumsschritt nicht mehr, der erforderlich ist, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Und doch soll man sich nicht von den immer noch niedrigen Zinsen blenden lassen, riet die Betriebswirtin. So kostet der Bau eines Kuhstalles inzwischen etwa 10 000 bis 12 000 Euro pro Platz. Das ist deutlich höher, als noch vor einigen Jahren. Eine weitere Überlegung zeigt, wie wichtig die korrekte Darstellung der Einnahmen und Ausgaben für den Betrieb ist: Während der letzten großen Milchpreistiefphase im September 2009 waren die Milcherzeugerpreise mit circa 22 Euro/dt Milch deutlich niedriger als jetzt, allerdings lag auch der Kraftfutterpreis tiefer. Das verteuert die Futterkosten und dies umso mehr, je weniger die Produktionskosten optimiert sind. Der Betrieb braucht Nettoinvestitionen und kann auf wirtschaftliches Wachstum nicht verzichten. Investitionsschritte erfolgten in den letzten Jahren in immer kürzeren Abständen und in immer größeren Ausmaßen, stellte Mawick fest. Insbesondere Betriebe, die in der Vergangenheit stark investiert haben und gewachsen sind, haben jetzt oft erhebliche finanzielle Probleme.

Warum ist dann aber betriebliches Wachstum nötig? Technischer Fortschritt und Inflation müssen ausgeglichen werden. Deshalb reicht es nicht aus, Ersatzinvestitionen in Höhe der Abschreibung zu tätigen. Um das zu erkennen, nannte die Ökonomin ein Beispiel: „Wenn Sie sehen, wie viel ein 100-PS-Schlepper vor zehn Jahren gekostet hat und was ein gleich starker Traktor jetzt kostet, stellen Sie eine nicht unerhebliche Diskrepanz fest. Das heißt, Sie müssen laufend wachsen, um ihren Betrieb erhalten zu können.“ Liegen die Bruttoinvestitionen unter den Ersatzinvestitionen spricht man auch von negativen Nettoinvestitionen und es findet ein Vermögensabbau statt. Dies kann eine sinnvolle Konsolidierungsmaßnahme nach großen Investitionsschritten sein.

Investieren ist notwendig, wo liegt das richtige Maß?

Auf der anderen Seite gibt es ein „ungesundes“ betriebliches Wachstum. Dann sind Wachstumsschritte zu groß. Zeichen dafür ist, dass das Eigenkapital zurück geht. „Wie verändert sich das Vermögen insgesamt? Was passiert auf der Passivseite? Hat sich mein Eigenkapital positiv entwickelt?“ Diese Fragen zählte Mawick auf, um die Betriebsleiter im Saal zu sensibilisieren, auf ihre Eigenkapitalveränderung als wichtiges Kennzeichnen zur Betriebsanalyse zu achten. Sie beschrieb das „Magische Dreieck“ als Basis zur geeigneten Finanzierung. Das sind: 1. Rentabilität: ist die Produktion im Betrieb wirtschaftlich? 2. Stabilität: das heißt, ist der Betrieb finanziell nachhaltig aufgestellt? Und als Drittes Liquidität, um den Zah­lungsverpflichtungen nachzukommen.

In Bezug auf die Rentabilität zeigen Betriebsuntersuchungen, dass nicht nur zwischen den Jahren große Unterschiede, sondern auch zwischen den Betrieben große ökonomische Unterschiede bestehen. Die Disparität zwischen den Betrieben ist laut Mawick in den letzten Jahren immer stärker geworden. Pro Arbeitskraft werden in den erfolgreichen Betrieben sowohl mehr Fläche, als auch mehr Tiere bewirtschaftet. Deren Effizienz ist damit höher. Nach Buchführungsergebnissen, die vom Betrieben der Größenordnung zwischen 50 und 170 Kühen vom Wirtschaftsjahr 2009/10 bis 2014/15 ausgewertet wurden, ergab sich, dass erfolgreiche eine Entlohnung für die eingesetzte Arbeitskraft (AK) bei im Mittel rund 2,7 AK/Betrieb und 2 300 Stunden je AK circa 28 Euro je Stunde erzielten, weniger erfolgreiche nur 4 bis 5 Euro pro Stunde. Erfolgreiche Betriebe haben eine deutlich positive Eigenkapitalbildung, damit können sie tilgen und anteilig Nettoinvestitionen finanzieren.

Wie beurteilen die Banken die Lage der Landwirte? Darüber sprach Klaus Pfalz, VR HessenLand eG.

Karin Lölkes, Milcherzeugerin und KBV-Vorsitzende: Unsere Betriebe müssen im Markt bestehen können.

Thomas Bonsels, LLH, informierte über Möglichkeiten, mehr Eiweiß vom Hektar Grünland zu erzeugen.

Fehler vermeiden und nicht zu kurz finanzieren

Zum Hauptthema des Milchta­ges: Welche Möglichkeiten hat der Betrieb zur Liquiditätssicherung? Hier riet Mawick, Finanzierungsgrundsätze zu wahren, Zahlungsziele einzuhalten und die Betriebsmittelvorräte zu prüfen sowie ob die Kreditlinie richtig gezogen ist, der Kreditrahmen den tatsächlichen Bedarf an Fremdkapital entspricht. In Bezug auf Betriebsmittelkredite und Zahlungsziele bei Lieferanten wies sie darauf hin, dass die Konditionen hierfür meist teurer seien, als ausgehandelte Kosten für einen Kredit bei der Hausbank. Eines steht für sie fest: „In der Krise müssen Sie aktiv bleiben, dass Sie für Ihren Betrieb die optimalen Konditionen bekommen.“ Mittelfristig ist die Rentabilität der Betriebszweige zu prüfen. „Wenn Sie sich auf Kühe spezialisiert haben, dann müssen dort auch die Leistungen stimmen, erst dann sollten Sie sich über Diversifizierung Gedanken machen und von unrentablen Betriebszweigen sollten Sie sich trennen. Ein neuer Betriebszweig, wie zum Beispiel Fe­rien auf dem Bauernhof, benötigt Startkapital, eine Anlaufphase und vor allem freie Arbeitskapazitäten, was die meisten spezialisierten Milchviehbetriebe nicht haben. „In der Krise können Sie von einem neuen Betriebszweig keine Wunder erwarten. Langfristig kann sich aber ein zusätzliches Einkommen entwickeln.“ Auch ist zu prüfen, in wie weit Kooperationen zweckmäßig sind. Was kann ausgelagert werden? Zum Beispiel die Färsenaufzucht. Kooperationen fangen bereits mit dem überbetrieblichen Maschineneinsatz an.

Was ist zu tun, um ein gutes Rating zu bekommen?

Was ist zu tun, um ein gutes Rating zu bekommen? Das gut vorbereitete Gespräch mit der Bank bringt bares Geld. Dazu lohnt sich, Vorhaben im Betrieb mit Analysen, Buchführungsauswertungen und Jahresabschlüssen zu hinterlegen. Denn es geht darum, mit der Bank ein Darlehen zu verhandeln und in eine niedrige Zinspreisklasse nach dem risikogerechten Zinssystem eingestuft zu werden. Beispiel: Zwischen den Ratingstufen (risikoabhängige Preisklassen) A und G eines Betriebs und fiktivem Rentenbank-Ratendarlehen von 150 000 Euro bei zehn Jahren Laufzeit rechnete Mawick einen Unterschied der Kosten für die Zinsen (der Preis des Geldes) von circa 25 000 Euro vor, zwischen der Ratingstufe A mit 1,46 Prozent Zinsen und der Einstufung G bei 4,52 Prozent.

Die Ökonomin machte klar, wie schnell ein Milchbetrieb an Liquidität verlieren kann. Kennzahl dafür ist der Liquiditätspuffer (Geldüberschuss). Wie hoch ist der Puffer eines Fremdkapital tilgenden Betriebes, bezogen auf den Milchpreis? So hat ein Betrieb bei 150 000 Euro Fremdkapital einen Liquiditätspuffer von 7,5 Cent/kg Milch. Hat dieser einen Fremdkapitalanteil von 350 000 Euro und höhere private Entnahmen, halbiert sich der Puffer auch schnell mal.

Ökonomisch transparent, um frühzeitig zu handeln

Die Liquiditätsplanung für die Unternehmensführung und zur Fremdfinanzierung zu erstellen ist zeitaufwändig. Zugleich ist sie so wichtig, weil sie Transparenz über die wirtschaftlichen Abläufe schafft und schneller erkennbar und damit gehandelt werden kann, wenn es zur Schieflage des Betriebs kommt. Allerdings macht eine Liquiditätsplanung keinen Sinn, wenn diese nicht vom Landwirt eventuell mit Hilfe des Beraters erstellt, überprüft und weiterentwickelt wird. Wenn zum Beispiel eine Investition geplant ist, kann die Liquiditätsplanung helfen, eine Übersicht über die Einnahmen und Ausgaben im Betrieb, die privaten Einlagen und Entnahmen und über die Tilgungen der bestehenden und zukünftigen Darlehen zu bekommen.

Eigenkapital ist wichtiger Indikator

Wie können Finanzierungsfeh­ler vermieden werden? Wenn man eine Investition vor sich hat, muss klar sein, was im Betrieb passiert. Dazu gehört eine Ãœbersicht der Einnahmen und Ausgaben im Betrieb, über private Einl­agen und Entnahmen. Mawick rät, die Höhe der Investition daran auszurichten, dass der Eigenkapitalanteil bei mindestens 20 bis 30 Prozent bleibt. Berücksichtigt werden muss, dass Kapital für Umlauf- und Viehvermögen zur Verfügung steht. Wichtig bei der Finanzierung von Investitionen ist, dass die Laufzeit der Finanzierung in et­wa dem Abschreibungszeitraum entspricht. Nicht zu kurz zu finanzieren: „Schnell weg mit dem Fremdkapital ist häufig die falsche Einstellung.“ Im Zuge der Tilgung sollte man zum Beispiel einen sinkenden Milchpreis berücksichtigen. Kontokorrentkredite sind nur im Ausnahmefall zu benutzen sowie keine Lieferantenkredite, weil man dort meist höhere Zinsen bezahlt, als bei der Bank.

Gutes Bankverhältnis pflegen

Für das Bankengespräch sind Unterlagen, wie der Jahresabschluss, fristgereicht einzureichen. Bei Investitionsvorhaben ist auf ein klares Konzept zu achten. Der Be­triebsleiter sollte die Investition im Bankgespräch vorstellen, nicht sein Berater. Damit wird klar, dass der Landwirt von der Investition überzeugt ist und Herr des Geschehens ist. Wichtig ist auch ein offenes Verhältnis zur Bank, Liquiditätsengpässe und Schwachstellen im Betrieb müssen frühzeitig angesprochen werden. Betriebliche und persönliche Risiken wie Brand, Preisverfall, Invalidität und Tod sind abzusichern.

Wie sieht die Bank den Landwirtschaftsbetrieb?

Die Stimmung der Milchbauern ist sehr schlecht. Deutlich wurde das daran, dass sich zum Tag Milch der Marburger Rinderzüchter vorige Woche nur rund 40 Landwirte nach Sarnau aufmachten. Engagiert tauschten sich diese mit Experten aus, die ihnen hervorragende Beiträge lieferten.

Foto: Moe

Klaus Pfalz, Firmenkundenberater der VR Bank HessenLand eG und zuständig für regionale Entwicklungsprojekte auf dem Land, erläuterte aus welchem Blickwinkel ein Bankmitarbeiter die Kunden aus der Landwirtschaft sieht und worauf dieser bei der Vergabe von Krediten achtet. Landwirtschaft sei innerhalb der VR Bank HessenLand die größte Sparte. Der Geschäftsbereich erstreckt sich über die Kreise Schwalm-Eder, Marburg-Biedenkopf und Vogelsberg. Insgesamt wird eine Bilanzsumme von circa 1,8 Mrd. Eu­ro erzielt. Pfalz stellte fest: „Milcherzeuger haben sich inzwischen auf die sehr volatil gewordenen Agrarmärkte eingestellt. Aus unserer Sicht haben die Betriebe gelernt, mit Liquiditätsproblemen umzugehen, als in früheren Zeiten.“

Ãœber Sondereinlagen informieren

Liquidität ist zwar eine Aussage darüber, was man an Zahlungsmitteln zur Verfügung hat. Aber keine Aussage, wie gut gewirtschaftet wird. Pfalz riet, gerade dann das Gespräch mit dem Bankberater zu suchen, wenn besonderen Posten in der Bilanz stehen, wie zum Beispiel Sondereinlagen, beispielsweise aus dem Privatvermögen. „Das sind Dinge, die in eine Beratung gehören.“ Die Finanzierungsdauer sollte an die Abschreibungsdauer gekoppelt sein, betonte auch Pfalz. Ein Schlepper wird in der Regel auf zehn Jahre abgeschrieben und auch für zehn Jahre sollte man ihn finanzieren, nicht zum Beispiel nur über vier Jahre.“ Bei der Finanzanalyse solle man genau zwischen externen Probleme (niedrige Marktpreise) sowie betrieblichen Problemen (Produktion ist zu teuer) unterscheiden.

Pfalz betonte, der Landwirt sollte seine Anfrage zur Finanzierung offensiv angehen, indem er seinen Liquiditätsplan für den Zeitraum von mehr als ein Jahr und zwar bis zu drei Jahren erstelle. Grundsätzlich könnte der Landwirt damit selbst beginnen. Er empfahl folgendermaßen vorzugehen: Man wähle ein Wirtschaftsjahr, dass als Zahlenwerk vorliegt. In Kalkulationsprogrammen wie Microsoft Excel wird dieses eingepflegt und dient als Vorlage für die weiteren finanziellen Entwicklungen im Betrieb, um Engpässe frühzeitig zu erkennen.

Mehr Milch je Hektar Futterfläche erzeugen

Zu Beginn der Veranstaltung, die Christopher Paul von der LLH-Beratungsstelle Marburg moderierte, hörten die 40 Milch­erzeuger einen Vortrag zur Effizienzsteigerung aus dem Grundfutter von Thomas Bonsels vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen. Mit welchen Dingen sich Landwirte alles beschäftigen müssen und an welchen „Stellschrauben“ sie drehen können, um letztlich die Effizienz im Betrieb noch weiter zu erhöhen, wurde in diesem Beitrag deutlich. „Wir müssen zu einer Verbesserung der Futtereffizienz kommen“, ist seine Kernaussage. Er stellte die Eiweißversorgung der Kuh aus dem Grundfutter im Mittelpunkt seines Vortrags.

Potenziale liegen im Grünland

Wo liegen Potenziale? „Die Hauptstoßrichtung für Hessen ist das Grünland“, antwortete Bonsels. Wird beispielsweise hochwertiges Futter vom Grünland geerntet, so dass der Proteingehalt im Grobfutter um ein Prozent steigt, bedeutet das, dass der Landwirt etwa 800 bis zu 1 000 Liter Milch mehr vom Hektar Grünland erzeugen kann. Bonsels ging auf die „Hessische Eiweißinitiative“ ein, die das Ziel hat, den Zukauf von Protein wie Sojaschrot aus Ãœbersee deutlich zu verringern.

So beträgt der Eiweißbedarf für die Tierhaltung in Hessen etwa 250 000 t Rohprotein pro Jahr. Davon entfallen wieder 80 Prozent auf die hessische Rinderhaltung. 55 000 t haben wir als Ergänzungsbedarf notwendig, müssen also zugekauft werden. Davon gehen wieder 62 Prozent in die Rinderhaltung. In Deutschland werden auf den circa 4 Mio. ha Grünland knapp 7 Mio. t Rohprotein geerntet. Es wäre der Zukauf von 200 000 t Protein einzusparen, wenn ein um 3 Prozent höherer Proteingehalt im Futter erzielt werden könnte: „Wir brauchen einfach mehr Netto vom Brutto“, ist Bonsels Devise.

Wird diese Rechnung für Hessen gemacht, heißt dies, dass bei der rund 761 000 ha großen landwirtschaftlich genutzten Fläche Hessen, von der 37 Prozent Grünland sind und damit circa 470 000 t Protein auf dem Grünland erzeugt wird. 14 000 t brauchten nicht zugekauft werden, wenn man es schafft den Proteingehalt um 3 Prozent im Futter vom Grünland zu erhöhen. Das heißt die Flächenproduktivität auf dem Grünland muss erhöht werden. Bonsels räumte ein, dass man zum Beispiel bei Futter von Hekul-Flächen Rohproteingehalte von zum Teil nur 13 Prozent habe.

„Unsere Kühe sind unsere wichtigsten Mitarbeiterinnen“

„Unsere Kühe sind unsere wichtigsten Mitarbeiterinnen“, fuhr er fort. Leistungsstarken Tieren müsse gutes Futter angeboten werden. Circa zwei Drittel des Proteinbedarfes zur Erzeugung von Milch kommt aus dem Grob­futter. Auch der Silomais braucht eine ernährungsphysiologisch hohe Qualität, um Milch zu produzieren. Dass wir mit Gras auch hohe Leistungen erzielen können, machen uns andere vor. „Wenn ich eine reine Grasration füttere, hat man eine Bedarfsdeckung an Rohprotein aus dem Grobfutter von 84 Prozent.“ Wird zur Hälfte Maissilage gefüttert, verringert sich der Proteinanteil aus dem Grundfutter auf 60 Prozent.

„Anwelken bis zur Schmerzgrenze“

Weiterhin wichtig ist, die Futterverluste zu reduzieren. Trockenmasseverluste vom Feld bis zum Trog von bis zu 30 Prozent seien nicht selten. Gärverluste sind nicht vermeidbar, aber es treten Verluste auf der Strecke auf. „Aus Sicht der Tierernährung braucht man schmale und lange Silos mit hohem Vorschub pro Tag. Breite Silos sind arbeitswirtschaftlich günstiger, aber die Futterqualität leidet.“

Ziel sei, die Verluste auf 10 bis maximal 15 Prozent zu reduzieren. Je höher die Trockenmasse ist, umso besser. Das heißt „die Silage anwelken lassen, bis zur Schmerzgrenze.“ Klar sei, das geht nicht ohne das Erntegut zu häckseln, damit die Verdichtung im Silo gewährleistet sei. Silierhilfsmittel in Form von Milch­säurebakte­rien können den Gärprozess begünstigen. Bonsels berichtete über Versuche auf dem Eichhof, wie die Fütterung von Leguminosen, die von Natur aus einen höheren Proteingehalt haben. Luzernetrocknung erhält den Proteingehalt, während bei der Silage Verluste im Proteingehalt auf­treten.

Auch ging es um die Pflege des Grünlandes und um Bodenkalkung. Saure Standorte sind zum Beispiel für Klee nicht geeignet. Weitere Möglichkeit für einen höheren Proteingehalt im Futter ist die Zugabe synthetischer Aminosäuren im Futter. Durch die sojaschrotfreie Fütterung auf dem Eichhof spare der Betrieb etwa 50 t Sojaextraktionsschrot im Jahr ein, müsse das aber durch Rapsextraktionsschrot ersetzen. Die Umstellung hat unter dem Strich nicht mehr Geld gekostet, so Bonsels. Wenn das Extraktionsschrot des in Hessen angebauten Rapses komplett in der Tierhaltung verwertet würde, könnte man hier den Proteinbedarf zu 89 Prozent selbst decken.

Eine lebhafte Diskussion entstand. Darin ging es unter anderem um die Bewirtschaftung des Grünlandes, welches in Hessen hohen Stellenwert hat. Beispielsweise stellte Karin Lölkes, Land­wirtin aus Münchhausen und Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Marburg-Kirchhain-Bie­denkopf fest, dass gutes Grün­land für Milch­viehbetriebe zur Futtererzeugung wichtig ist, jedoch politische Vorgaben besonders in be­nachteiligten Gebieten der Mittelgebirge zur Extensivierung führten.

Moe – LW 4/2016